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Thode, Henry; Thode, Henry [Editor]
Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 3,2): Der Künstler und seine Werke: Abth. 2 — Berlin: Grote, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.47069#0218
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Die Kreuzigung Petri.

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vorbereitet, zu stecken. Links steigen Kriegsknechte den Hügel
heran auf zwei Reiter zu, die im Hintergründe, von Soldaten um-
geben, den Vorgang überwachen. Rechts vorne eilen vier Frauen
die mit schreckensvoller Neugier den Blick auf den Gemarterten
richten, hügelabwärts (nur die Oberkörper sind sichtbar); neben
ihnen ein in schmerzliches Sinnen versenkter Mann, dem noch andere
Frauen folgen. Dicht hinter dem Kreuze drängt sich, von zweifel-
haften Gefühlen beseelt, eine Schaar von Leuten, denen sich noch
Andere, von hinten herabeilend, gesellen werden. Ein junger Mann
von prachtvollem römischem Typus ragt aus ihnen hervor. Eine
einfache Hügellandschaft ohne Vegetation bildet den Hintergrund.
Der unselige Vorwurf macht alle Bemühungen des Künstlers,
unsere seelische und ästhetische Theilnahme zu wecken, zu
Schanden. So grossartige Einzelmotive, namentlich in der Gruppe
der Forteilenden, sich finden, fühlt man doch selbst ihnen es an,
dass der Meister der Aufgabe kein inneres Interesse entgegen-
brachte, sondern sich mit derselben abfand, so gut es ging. Der
geistreiche Versuch, die widrige Vorstellung des umgekehrt Ge-
kreuzigten zu vermeiden, indem durch die Schrägstellung des
Kreuzes und das Sichaufrichten des Oberkörpers der Eindruck
eines Liegens hervorgebracht ward, konnte ebenso wenig, wie die
Wendung des Hauptes dem Beschauer zu, verhindern, dass die
Gestalt gezwungen wirkt. Und das Menschengetriebe in dieser
gänzlich vegetationslosen, unbeseelten Landschaft hat etwas Schau-
riges, Unheimliches, Abstossendes.
Nichts von Farbenreizen, da die matte Zusammenstellung von
hell abgetöntem Blau, Kirschroth, Grün, Gelb und Orange eigentlich
nur den Mangel an Farbigkeit empfinden macht, nichts von fesseln-
den Lichtwirkungen: nur Linie neben Linie, Form neben Form!
Selbst vor den wiederholten Übermalungen, welche auch die Fresken
der Capella Paolina entstellt und ihnen koloristisch etwas Süssliches
verliehen haben, wird der Eindruck, wenn auch die Formen
plastischer gewirkt haben, ein unerfreulicher, öder gewesen sein.
Nur eine Studie, nämlich zu den zwei nach hinten empor-
steigenden Kriegern, ist in Oxford (Verz. 450) erhalten.
Die Bekehrung Sauls.
Der in diesem Gemälde zu behandelnde Gegenstand gab Anlass
zu einer reicheren, mannichfacher belebten Komposition und zu
 
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