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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 3): Verzeichniss der Zeichnungen, Kartons und Modelle — Berlin: Grote, 1913

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1^8 Zeichnungen

also eine Hypothese aufgestellt. Für Jeden, der die Gedichte
Vittorias, die Ansichten der Reformparthei und Michelangelos
Äusserungen in seinen Gedichten, wie ich dies Alles aus-
führlich im II. Bande dargelegt und begründet habe, kennt, be-
darf diese Hypothese doch weiter keiner Begründung, und damit
ist erledigt zweitens auch Freys Bemerkung, sie erkläre sich
aus dem Milieu, in dem ich lebe — das er übrigens nur wenig
kennen dürfte, denn sonst würde es ihm besonders förder-
lich für die Erkenntniss eines Genies, wie Michelangelo, er-
scheinen. Nein! meine Hypothese, wie auch die „Vertreibung
der Wechsler", erklärt sich rein aus dem Milieu, in dem M.
lebte! Auf Freys nichtigen Versuch, den bestimmenden reli-
giösen Einfluss, den Savonarola einerseits, Vittoria anderer-
seits auf den Meister und damit auch auf seine religiösen
Darstellungen ausgeübt, leugnen zu wollen, brauche ich nicht
einzugehen.
325. 1860—6—16—3. Die Kreuzigung (die drei Kreuze). Auf
den ersten Blick glaubt man die Kreuzabnahme zu sehen,
denn wir finden auf zwei Leitern Männer mit Christus be-
schäftigt, der an einem hohen Kreuz mit schrägen Querbalken
lebend dargestellt ist, wie er einer kleinen oben entschweben-
den Gestalt, der Seele des Schächers, nachblickt. Der eine
Henker befestigt soeben den rechten Arm, indessen der an-
dere mit den Füssen sich zu thun macht. Hoch auch ragen
die Kreuze mit den Schächern, deren Arme über das Quer-
holz zurückgebunden sind, in die Luft. Der rechte schaut
auf einen Schergen herab, der, auf einer Leiter stehend, zum
Schlage auszuholen scheint, während ein anderer die Leiter
hinabsteigt. Tief unter dem Gekreuzigten drei Gruppen.
Links flüchtig skizzirte Reiter, rechts zwei Männer eine hoch-
aufragende Leiter senkend. In der Mitte die Freunde, neun
Gestalten, pyramidal aufgebaut. Vorne liegt ausgestreckt am
Boden Maria, von einer Frau unter den Armen gehalten. Sie
schaut zum Kreuze hinauf. Hinter ihr kniet, jammernd die
Arme in die Luft werfend, eine andere, zu ihren Füssen steht,
sich beugend, eine dritte. Eine vierte kniet hinter der Jung-
frau, richtet aber ihre Aufmerksamkeit nach hinten, wo zwei
Figuren den Kreuzesstamm umschlingen, eine fünfte mit er-
hobenen Armen nach oben schaut und eine sechste angstvoll
nach vorne eilt. —Röthel. — Vgl. Bd. III, 677. 679- Krit. Unt.II,
405. 477. — Lawrence Gall. Taf. 7 c. Fagan XXXII. Symonds
II, 196. Ber. 2485. Br. 17. — Diese kühne, motivreiche,
originelle Zeichnung, in der die Vorwürfe der Kreuzannage-
lung und der Kreuzigung in einer mit aller Tradition brechen-
 
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