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Zeichnungen
frühen Studien M.s, in denen er ältere Vorbilder kopirt. Was
für eines er hier benutzt hat, wissen wir nicht. Frey dachte an
D. Ghirlandajo. Das könnte schon sein, denn nicht nur solche
Gewandungsmotive und langbärtige Typen, sondern ähnliche
eigenthümliche Kopftrachten finden wir bei ihm. Freilich
wurden diese im Quattrocento vielfach zur Kennzeichnung sei
es antiker Philosophen (man denke an Melozzos urbinatische
Bibliothekbilder) oder auch der Juden, insbesondere der Pro-
pheten (z. B. Baldinis Stiche) angewandt. Letzteres bewog
wohl Loeser, eine Studie zu einem Propheten in der Sixtina
anzunehmen, was aber schon durch die frühere Entstehung
der Zeichnung ausgeschlossen ist. Eher könnte ein Ptolo-
mäus gemeint sein, betrachtet man den Gegenstand in den
Händen als eine Kugel. — Den wundervollen Kopf bezog
Colvin auf den Adam in der Erschaffung. St. verneinte dies:
der Kopf sei weiblich. Ich schloss mich Colvins Meinung an,
obgleich der Kopf im Gegensinne und etwas weniger zurück-
gelehnt ist, als der Adams, und wies darauf hin, dass die
Studie auch für den Kopf des Athleten rechts von Hesekiel
— freilich mit Einbusse seiner adligen Schönheit — benutzt
worden sei. Auch Frey neigt der Ansicht, es handle sich um
den Adam, zu, hält aber die Hand, die nach meiner Ansicht
mit Unrecht als die Adams betrachtet worden war, für eine
erste Version der Hand Gottvaters, was ganz unglaub-
würdig ist.
(349). N. 63. 1895 —9—15—500. Die Geisselung Christi. Christus
an der Säule, von sechs Schergen umgeben, links, mehr im
Mittelgrunde, Pilatus auf erhöhtem Sitze, eine sitzende Figur
zu seinen Füssen, eine stehende, die den Arm erhebt, hinter
ihm. Die Stellung Christi ist im Allgemeinen (nur im Gegen-
sinne) schon die des Freskos, doch ist die Kopfhaltung auf-
recht und die Bildung jugendlicher. Dem Fresko entspricht die
Stellung der beiden vorderen Geisselnden schon im Wesentlichen
(nur greift der rechte in die Haare Christi), die hinteren sind
anders. Im Wandbild ist eine Vereinfachung vorgenommen
worden: Pilatus mit seinen Begleitern, der eine Scherge links
und der Mann mit dem Kinde rechts wurden weggelassen, die
Portikusarchitektur der Zeichnung in einen Basilikaraum mit
Säulen verwandelt. — Röthel. — Aus Sammi. Buonarroti, Law-
rence, König von Holland. — Vgl. Bd.III, 548. Krit. Unt. II, 398.
— Rob. 63. Loeser a. a. O. Ber. 2487 (Seb.), Abb. Pl. CXLVI.
Br. Expos. 69. — In diesem einen Falle hat Wickhoff vielleicht
Recht, wenn er Sebastiano den Verfertiger der Zeichnung
nennt. Bemerkenswerth aber bleibt der Unterschied zwischen
Zeichnungen
frühen Studien M.s, in denen er ältere Vorbilder kopirt. Was
für eines er hier benutzt hat, wissen wir nicht. Frey dachte an
D. Ghirlandajo. Das könnte schon sein, denn nicht nur solche
Gewandungsmotive und langbärtige Typen, sondern ähnliche
eigenthümliche Kopftrachten finden wir bei ihm. Freilich
wurden diese im Quattrocento vielfach zur Kennzeichnung sei
es antiker Philosophen (man denke an Melozzos urbinatische
Bibliothekbilder) oder auch der Juden, insbesondere der Pro-
pheten (z. B. Baldinis Stiche) angewandt. Letzteres bewog
wohl Loeser, eine Studie zu einem Propheten in der Sixtina
anzunehmen, was aber schon durch die frühere Entstehung
der Zeichnung ausgeschlossen ist. Eher könnte ein Ptolo-
mäus gemeint sein, betrachtet man den Gegenstand in den
Händen als eine Kugel. — Den wundervollen Kopf bezog
Colvin auf den Adam in der Erschaffung. St. verneinte dies:
der Kopf sei weiblich. Ich schloss mich Colvins Meinung an,
obgleich der Kopf im Gegensinne und etwas weniger zurück-
gelehnt ist, als der Adams, und wies darauf hin, dass die
Studie auch für den Kopf des Athleten rechts von Hesekiel
— freilich mit Einbusse seiner adligen Schönheit — benutzt
worden sei. Auch Frey neigt der Ansicht, es handle sich um
den Adam, zu, hält aber die Hand, die nach meiner Ansicht
mit Unrecht als die Adams betrachtet worden war, für eine
erste Version der Hand Gottvaters, was ganz unglaub-
würdig ist.
(349). N. 63. 1895 —9—15—500. Die Geisselung Christi. Christus
an der Säule, von sechs Schergen umgeben, links, mehr im
Mittelgrunde, Pilatus auf erhöhtem Sitze, eine sitzende Figur
zu seinen Füssen, eine stehende, die den Arm erhebt, hinter
ihm. Die Stellung Christi ist im Allgemeinen (nur im Gegen-
sinne) schon die des Freskos, doch ist die Kopfhaltung auf-
recht und die Bildung jugendlicher. Dem Fresko entspricht die
Stellung der beiden vorderen Geisselnden schon im Wesentlichen
(nur greift der rechte in die Haare Christi), die hinteren sind
anders. Im Wandbild ist eine Vereinfachung vorgenommen
worden: Pilatus mit seinen Begleitern, der eine Scherge links
und der Mann mit dem Kinde rechts wurden weggelassen, die
Portikusarchitektur der Zeichnung in einen Basilikaraum mit
Säulen verwandelt. — Röthel. — Aus Sammi. Buonarroti, Law-
rence, König von Holland. — Vgl. Bd.III, 548. Krit. Unt. II, 398.
— Rob. 63. Loeser a. a. O. Ber. 2487 (Seb.), Abb. Pl. CXLVI.
Br. Expos. 69. — In diesem einen Falle hat Wickhoff vielleicht
Recht, wenn er Sebastiano den Verfertiger der Zeichnung
nennt. Bemerkenswerth aber bleibt der Unterschied zwischen