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Tiemann, Grete
Beiträge zur Geschichte der mittelrheinischen Plastik um 1500 — Speyer am Rhein: Pfälzische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.68318#0040
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gisch charakterisierten, breiten Köpfen und den niedrigen Stirnen drückten
in ihrem hastigen auf den Beschauer Zulaufen bei starker Verschränkung
der Füße die heftige Erregung und Spannung der Zeit wie in einer Formel
aus. So wurden seine Stiche von minderen Köpfen einfach kopiert, von schöp-
ferischen unter Weglassung unbrauchbarer Einzelheiten im Sinne größerer
Geschlossenheit umgeformt oder in einen ganz neuen Zusammenhang hinein-
komponiert. Die Madonna mit den Maiglöckchen129) wurde die Stammutter
einer Reihe oberrheinischer und schwäbischer Madonnen130), sie hat auch am
Mittelrhein als Anregerin gewirkt. Das Motiv des vor dem Leib sich Über-
schlagenden Gewandzipfels wurde (gleichlaufend oder im Gegensinn) kopiert
T. 3b bei einer Madonna in Geißnidda, einer des Frankfurter Historischen Museums,
T. 6a aus dem Dominikanerkloster stammend, und einem auferstehenden Christus
T. 4c, a, 5 daselbst, einer in Bibelnheim131), einem Apostel des Darmstädter Museums132)
T. 6b und noch im 16. Jahrhundert bei einer Maria aus einer Kreuzigungsgruppe,
ebenfalls in Darmstadt. Zwischenstation auf dem Wege rheinabwärts ist eine
T. 3 a Madonna in Böllenborn. Auch der Petrus der Großostheimer Beweinung wie-
derholt die Anordnung des Gewandes, doch war das Motiv in die Riemen-
schneiderwerkstatt wohl auf dem Wege über Schwaben, nicht durch Vermitt-
lung mittelrheinischer Kunst eingedrungen133). An einen Stich aus der Früh-
T.7a zeit des Meisters lehnt sich ein Michael des Wiesbadener Museums an131).
T. 7b Einem Ritter des Paulusmuseums zu Worms liegt eine Kombination zweier
Spätstiche zugrunde135). Mit dem Michael von 1467 stimmt überein die Deko-
ration des damaszierten Lendners mit dem engen Unterarmpanzer, dem sorg-
fältigen Gürtel- und Mantel- und dem bogenförmig geführten Fußknöchel-
schluß. Der Blockform zuliebe wurde der weit abrauschende Mantel etwas
beschnitten. Von dem Stich L. 212 sind die festzugreifende knochige rechte

,28) L.79.
18°) Wie weit der Einfluß des Meisters ging, zeigt eine Madonna der ehemaligen Samm-
lung Oertel (Katalog Lepke, Nr. 147, Taf. 87) aus dem Zillertal. Sie trägt auch sonst
elsässische Züge. Vorgebildet ist bei E. S. auch schon der Gedanke des Versteck-
spielens, vgl. L. 65. S. zu der Bedeutung d. Meisters auch Zürcher, Berl. Museen
XLI, 1919/20, Sp.25off.
1S1) Ihr elsässischer Charakter hängt vielleicht zusammen mit dem Aufenthalt Lainber-
gers in Heidelberg. Vgl. die Predella in Lautenbach T. 4b.
182) Dieser Paulus zeigt samt dem dazugehörigen Petrus auch sonst oberrheinische
Züge. Die Art, wie Petri Gewand durch eine rahmende Diagonalfalte wie in eine
Sichel gespannt wird, die Verjüngung der Figur nach unten entsprechen elsässi-
schen Werkstattgewohnheiten. Vgl. L. 61, 71, 224 u. G. T. 48 sowie von plastischen
Werken Schmitt, Straßb. Münster, II, Taf. 231 (Maria), 237 (die letzte rechts),
242 und besonders Schmitt, Oberrhein, Taf. 32 und 35. Die langen, dünnen, heftig
sich ringelnden Locken sind nach Lainbergers Art bearbeitet. Auch die Köpfe
sind eine Fortentwicklung seines Types.
188) Über den Zusammenhang Riemenschneiders mit Schwaben vgl. M. K. W. 1909,
S. 11 ff.
184) Vgl. Ztschr. f. christl. Kunst 1909, Sp. 78, Abb. 2.
185) Vgl. L. 154 und L. 212.

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