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Hand und Form und Stellung des spitz ausgezogenen Schildes übernommen,
so daß sich mit Hilfe des Vorbildes auch der fehlende linke Unterschenkel er-
gänzen läßt. Aus der Darstellung des heiligen Johannes Baptista in der Wüste
von 1466136) wurden die Evangelistensymbole zu den Kompositionen der
Schlußsteine aus dem Kreuzgang des Wormser Doms benutzt. Nach diesen T. 8
Beispielen zu urteilen, muß des E. S. Einfluß auch auf das verlorene Kunstgut
sehr groß gewesen sein137).
b) Nikolaus Gerhart und der Mittelrhein
Nikolaus Gerhart nahm ein solch gewaltiges Stück Entwicklung vorweg
und verkörperte in seiner Kunst so stark dämonische Lebendigkeit neben klar-
ster Frische und eindringlichster Beobachtungsgabe, daß Ausstrahlungen seiner
Art durch ganz Süddeutschland verfolgt werden können138). Die auf die
Fläche gebannten Gestalten des E. S. konnten nicht viel mehr als ein lineares
Gerüst vermitteln; Nikolaus Gerhart lehrte, wie die Gestalt im Raum lebt und
sich vom Raum nährt. Sein Kruzifixus übermittelte einen neuen Begriff von
Monumentalität und die Köpfe seines Liebespaares wurden zu Typen, die
nachzubilden und abzuwandeln immer wieder reizte. Auch der Mittelrhein
stand unter der Wirkung seiner Kunst, doch zeigte sich in keinem Fall eine
auch nur annähernd kongeniale Hand. Entstellung seiner Gedanken und Ver-
gröberung seiner Formengebung bis zur Unkenntlichkeit machen klar, wie
wenig der durchschnittliche Meister der Zeit den Ansprüchen an Kenntnis des
menschlichen Organismus und Beherrschung des Materials genügte, die der
tiefe Realismus seiner Kunst forderte.
Seiner Art am nächsten auf dem Wege rheinabwärts steht eine Büste der hei-
ligen Margarete des Speyrer Museums139). Sie gleicht der Madonna seines T. 10
Epitaphs von 1464110) in dem ovalen Kopf mit dem länglichen Untergesicht,
der zart gewölbten Stirn mit der leichten Einziehung an den Schläfen, der
schwellend runden, ein wenig hängenden Unterlippe, deren Enden sich zur

158) Vgl. L. 149, 1.
187) Ein auf der Jahrtausendausstellung in Mainz zutage getretenes ausgezeichnetes
Tympanon, nach guter Tradition aus einer Mainzer Kirche stammend, übernimmt
die Komposition der Geburt L. 23 und zeigt auch in der Behandlung der Land-
schaft, den Kopftypen und Miniaturfigürchen ausgesprochen elsässischen Charak-
ter. Ebenso das Relief einer Anbetung in Oberwesel. (Abb. Münzenberger-Beißel
II, Lief. XVI, 6.)
188) Die wichtigste Literatur über ihn zuletzt zusammengestellt bei Schmitt, Ober-
rhein. Erläuterungen zu T. 8—15. Eine Nachwirkung seines Trierer Aufenthalts
ist die schöne Madonna im dortigen Provinzialmuseum aus Wasserliesch. Vgl.
Deuser, Madonnen in Trier, Abb. 38.
159) Aus dem Besitz der Grafen von Luxburg in Speyer stammend. Freundliche Mit-
teilung von Herrn Dr. Sprater, Speyer.
14°) Abbildung Schmitt, Oberrh., Taf. 11 und 12. »

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