haglicher in ihrer Stimmung, bürgerlicher in ihrer Gemütsart und Vertre-
terinnen einer stumpferen Lebensanschauung. Auch diese Kultur der Ober-
flächenbehandlung ist der schwäbischen Kunst fremd.
Der Meister „mit dem Brustlatz“
Eine, wenn auch nur lose Verknüpfung mit der lokalen Plastik am Mittel-
rhein scheint mir gegeben durch die Beziehung zu dem Werk eines Meisters,
der, bisher übersehen, doch mit einer verhältnismäßig großen Anzahl von
allerdings weithin zerstreuten und zum Teil falsch eingeordneten, zum Teil
noch nicht veröffentlichten Holzskulpturen auf uns gekommen ist. Ich möchte
ihn wegen seiner Eigentümlichkeit, den weiblichen Figuren gleichsam als
Hausmarke vorn ins Kleid einen Latz zu setzen, den ,,M eister mit dem
Brustlatz“ nennen. Zur Klärung seiner Stellung zum Marienmeister sei
hier ein Exkurs über seine künstlerische Persönlichkeit und Entwicklung
eingeschaltet.
Das früheste seiner Werke ist eine Madonna in der Kirche des Kranken-
hauses zu Aschaffenburg, die aus Kloster Weisenau bei Mainz stammt202). Sie T.jsa
steht frontal zum Beschauer mit vorgesetztem rechten Spielbein auf der
Mondsichel. Auf dem linken Arm trägt sie das sitzende Kind, das die Rechte
stützt. Ihre linke Hüfte ist als Widerlager stark vorgeschwungen und der
Körper folgt der Ausbiegung. In gotischem Kontrapost wirkt der Kopf durch
seine Neigung zum Kinde der Bewegung entgegen. Er sitzt auf einem kräf-
tigen, walzenförmigen Hals mit scharfer Schönheitsfalte, — ist rundlich und
hat ein sehr flaches Gesicht. Ohne irgendwelche Wölbung liegt die Stirn da.
Die breiten, hochsitzenden Backenknochen fallen gleichmäßig zum massiven
Doppelkinn ab, auf dem asymmetrisch die Kuppe sitzt. Den charakteristi-
schen Ausdruck geben Augen und Mund dem Gesicht. Die Brauen spannen
sich hoch, steigen von der Nasenwurzel mit verschiedenem Schwung zunächst
langsam an und enden steil abfallend erst kurz vor dem Backenknochen. Das
sehr schmale obere Augenlid ist gegen die darüber sitzende schlappe Haut
scharf abgesetzt und stark unterschnitten, so daß es plastisch über den tief-
liegenden Augapfel hervortritt, das untere Lid setzt sich ebenfalls gegen die-
sen ab und hängt leicht gebogen. Ohne Auslauf runden sich beide zu kurzen
Mondsicheln. Der Mund verläuft fast wagrecht und stößt in leichter Eintie-
fung in das hier volle Fleisch der Wangen. Zur Oberlippe führt von der
Nasenscheidewand eine breite, durch zwei scharfe Grate begrenzte Rinne,
die nach unten zu breiter wird, sich leicht hochbiegt, und in einer Spitze
endet, die sich in die Oberlippe senkt. Das Haar steht zunächst leicht vom
Kopfe ab und fällt dann in wenigen, gleichmäßig gewellten Strähnen über
Hals, Schultern und Rücken. Die den Abschluß bildende Krone ist ver-
schwunden, sie muß aber ziemlich hoch, noch über dem Ansatz des glatten
Scheitels gesessen haben.
202) Bayer. Inv. Aschaffenburg, S. 293.
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terinnen einer stumpferen Lebensanschauung. Auch diese Kultur der Ober-
flächenbehandlung ist der schwäbischen Kunst fremd.
Der Meister „mit dem Brustlatz“
Eine, wenn auch nur lose Verknüpfung mit der lokalen Plastik am Mittel-
rhein scheint mir gegeben durch die Beziehung zu dem Werk eines Meisters,
der, bisher übersehen, doch mit einer verhältnismäßig großen Anzahl von
allerdings weithin zerstreuten und zum Teil falsch eingeordneten, zum Teil
noch nicht veröffentlichten Holzskulpturen auf uns gekommen ist. Ich möchte
ihn wegen seiner Eigentümlichkeit, den weiblichen Figuren gleichsam als
Hausmarke vorn ins Kleid einen Latz zu setzen, den ,,M eister mit dem
Brustlatz“ nennen. Zur Klärung seiner Stellung zum Marienmeister sei
hier ein Exkurs über seine künstlerische Persönlichkeit und Entwicklung
eingeschaltet.
Das früheste seiner Werke ist eine Madonna in der Kirche des Kranken-
hauses zu Aschaffenburg, die aus Kloster Weisenau bei Mainz stammt202). Sie T.jsa
steht frontal zum Beschauer mit vorgesetztem rechten Spielbein auf der
Mondsichel. Auf dem linken Arm trägt sie das sitzende Kind, das die Rechte
stützt. Ihre linke Hüfte ist als Widerlager stark vorgeschwungen und der
Körper folgt der Ausbiegung. In gotischem Kontrapost wirkt der Kopf durch
seine Neigung zum Kinde der Bewegung entgegen. Er sitzt auf einem kräf-
tigen, walzenförmigen Hals mit scharfer Schönheitsfalte, — ist rundlich und
hat ein sehr flaches Gesicht. Ohne irgendwelche Wölbung liegt die Stirn da.
Die breiten, hochsitzenden Backenknochen fallen gleichmäßig zum massiven
Doppelkinn ab, auf dem asymmetrisch die Kuppe sitzt. Den charakteristi-
schen Ausdruck geben Augen und Mund dem Gesicht. Die Brauen spannen
sich hoch, steigen von der Nasenwurzel mit verschiedenem Schwung zunächst
langsam an und enden steil abfallend erst kurz vor dem Backenknochen. Das
sehr schmale obere Augenlid ist gegen die darüber sitzende schlappe Haut
scharf abgesetzt und stark unterschnitten, so daß es plastisch über den tief-
liegenden Augapfel hervortritt, das untere Lid setzt sich ebenfalls gegen die-
sen ab und hängt leicht gebogen. Ohne Auslauf runden sich beide zu kurzen
Mondsicheln. Der Mund verläuft fast wagrecht und stößt in leichter Eintie-
fung in das hier volle Fleisch der Wangen. Zur Oberlippe führt von der
Nasenscheidewand eine breite, durch zwei scharfe Grate begrenzte Rinne,
die nach unten zu breiter wird, sich leicht hochbiegt, und in einer Spitze
endet, die sich in die Oberlippe senkt. Das Haar steht zunächst leicht vom
Kopfe ab und fällt dann in wenigen, gleichmäßig gewellten Strähnen über
Hals, Schultern und Rücken. Die den Abschluß bildende Krone ist ver-
schwunden, sie muß aber ziemlich hoch, noch über dem Ansatz des glatten
Scheitels gesessen haben.
202) Bayer. Inv. Aschaffenburg, S. 293.
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