Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Herkunft der Meister aus dem Elsaß, die sich trotz aller Verschiedenheiten
des Formgefühls in der Organisation des Körpers, der Ähnlichkeit der Typen,
der Bildung von Einzelheiten immer wieder offenbart.
c) Nikolaus von Hagenau und der Mittelrhein
Nach der Auflösung des knitterigen ersten Barock gewinnt der Mittelrhein
allmählich eine relative Selbständigkeit zurück. Schon Hans von Dürn hatte
sich gegen das feste Holz und die eckige Technik gewehrt und sich des
frischen, weichen Tuffs bedient. In seinen muldenförmigen, sanft brechenden
gebeulten Falten hatte er einen alt gewordenen Stil unmittelbar mit einem
erst kommenden verknüpft. Die Zeit folgte ihm. Mit dem Grabmal des Henne-
berg von 1504 setzt erkennbar die neue Kunst, schon offiziell geworden, ein.
Backoffen repräsentiert sie in seinen pathetischen Riesengestalten, die in der
Größe ihres Wollens und Fühlens Renaissancegeist in deutschem Gewände
verkörpern. Die schaffende Umwelt kann sich seinem Einflüsse nicht ent-
ziehen und setzt, von ihm beherrscht, fremden Einströmungen einen festeren
Damm entgegen. So flaut der Einfluß des Oberrheins allmählich ab, und die
Spuren des zweiten gewaltigen Plastikers des Elsaß, des Nikolaus von Hagen-
au, lassen sich nur noch in einigen isolierten Werken wie zufällig verfolgen.
1. Die K r e u z i g u n g s g r u p p e aus Trechtingshausen
im Pr o v in zia 1 museum zu Bonn
Im Bonner Provinzialmuseum befindet sich eine Kreuzigungsgruppe aus T. 28, 29a
Trechtingshausen, die in dem Bericht über den Ankauf für mittelrheinisch
gehalten wurde102), in dem Führer des Bonner Museums glaubt man sie
unter dem mittelbaren Einfluß von Veit Stoß oder Riemenschneider entstan-
den192 193). Schmitt wies zum erstenmal auf ihren oberrheinischen Charakter
hin194). Mittelrheinischer Art entspricht die schöne Gruppe in der Tat nicht.
Schmerzvolles Pathos und aufgewühlte Leidenschaft sind mit reichsten Mo-
tiven auf elegante, fast höfische Art zum Ausdruck gebracht. Christi Körper
biegt sich in geschmeidiger Kurve zur Seite und bäumt sich zugleich nach
vorne. Nur die langgestreckten, gekreuzten Füße halten ihn am Kreuzes-
stamm fest, während das hochgerichtete Haupt in die straffe Spannung ein-
bezogen ist. Die Arme folgen der Bewegung des Körpers, so sinken der Kopf
und die schmalen Schultern ein. Einzig der herabfallende rechte Locken-
büschel gibt zur Orientierung eine Vertikale. Rippen und Muskeln wölben
den Oberkörper mächtig heraus, fast zierlich ist dieTaille eingezogen. Scheibe
192) Ber. Denkmalpfl. Rheinprov., V, S. 109.
193) Führer Prov. Mus. Bonn, S. 30.
19<) Schmitt, Oberrhein, Anm. S. 10.

63
 
Annotationen