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I. Kapitel: Begriff und Wesen der Kunstgeschichte.
I. Thematische Einteilung.
A. Allgemeine Kunstgeschichte.
B. Spezialisierte Kunstgeschichte.
1. Spezialisiert in bezug auf die qualitative Ausdehnung des Stoffes,
d. h. die Geschichte bestimmter künstlerischer Probleme oder
Aufgaben durch den ganzen Verlauf der Kunstentwicklung oder
durch einen Teil ohne Rücksicht auf die quantitative Unter-
teilung.
2. Spezialisiert in bezug auf die quantitative Ausdehnung des
Stoffes.
a) Systematische Einteilung; Geschichte einzelner Kunstgebiete,
ihrer Unterabteilungen oder aber einer Technik.
b) Lokale Einteilung; Geschichte der Kunst in lokalen Ge-
bieten, Ländern, Provinzen, Orten usw.
c) Zeitliche Einteilung; Geschichte der Kunst in zeitlichen Ab-
schnitten, Jahrhunderten, Regierungen usw.
In allen drei Gruppen endet eine fortgesetzte Spezialisierung bei der
Monographie über ein Einzelobjekt, das gewissermaßen die Einheit der
systematischen wie der lokalen und zeitlichen Einteilung bildet.
d) Geschichte von Gruppen solcher Personen, die für die Kunst-
entwicklung von Bedeutung sind, Biographien von Künstlern,
Kunstsammlern usw.
A. Eine Darstellung der gesamten Kunstentwicklung ist eigentlich
als das letzte Ziel der kunstgeschichtlichen Arbeit anzusehen, da nur in ihr
eine sonst immer unnatürliche und mehr oder weniger gewaltsame Aus-
sonderung eines engeren Arbeitsgebietes aus einer durch tausend Fäden zu
einer Einheit verknüpften Masse vermieden wird. Den ersten Versuch,
den ganzen Stoff der nachantiken Entwicklung zu überblicken, machte
Fiorillo in seiner Geschichte der zeichnenden Künste; in sein kompilato-
risches Werk sind sehr bedeutende Kenntnisse verarbeitet, ohne daß ein
geistiger Zusammenhang hergestellt wäre1). Weit bedeutender ist Seroux
d'Agincourt's Histoire de l'art par les monuments depuis sa decadence jusqu'au
XVIeme siecle, das als Fortsetzung von Winckelmanns antiker Kunstge-
schichte gedacht, den gewaltigen, mit überraschend vielseitiger Sachkenntnis
gemeisterten Stoff auch gedanklich zu beherrschen und durch eine eingehende
und sehr durchdachte Periodisierung zu gliedern versucht2). In den nächsten
Jahrzehnten stehen die Darstellungen des gesamten Kunstgebietes auf dem
Boden der Herderschen Erkenntnis vom organischen Wachstum und Zu-
9 Göttingen 1798; vgl. über die früheren Ansätze kunstgeschichtlicher Zusammenfas-
sung bei Justi, Winckelmann, III, S. 70 ff.
2) 1809 (1811)—1823 erschienen; vgl. Philippi, Begriff der Renaissance, S. 90 ff.
I. Kapitel: Begriff und Wesen der Kunstgeschichte.
I. Thematische Einteilung.
A. Allgemeine Kunstgeschichte.
B. Spezialisierte Kunstgeschichte.
1. Spezialisiert in bezug auf die qualitative Ausdehnung des Stoffes,
d. h. die Geschichte bestimmter künstlerischer Probleme oder
Aufgaben durch den ganzen Verlauf der Kunstentwicklung oder
durch einen Teil ohne Rücksicht auf die quantitative Unter-
teilung.
2. Spezialisiert in bezug auf die quantitative Ausdehnung des
Stoffes.
a) Systematische Einteilung; Geschichte einzelner Kunstgebiete,
ihrer Unterabteilungen oder aber einer Technik.
b) Lokale Einteilung; Geschichte der Kunst in lokalen Ge-
bieten, Ländern, Provinzen, Orten usw.
c) Zeitliche Einteilung; Geschichte der Kunst in zeitlichen Ab-
schnitten, Jahrhunderten, Regierungen usw.
In allen drei Gruppen endet eine fortgesetzte Spezialisierung bei der
Monographie über ein Einzelobjekt, das gewissermaßen die Einheit der
systematischen wie der lokalen und zeitlichen Einteilung bildet.
d) Geschichte von Gruppen solcher Personen, die für die Kunst-
entwicklung von Bedeutung sind, Biographien von Künstlern,
Kunstsammlern usw.
A. Eine Darstellung der gesamten Kunstentwicklung ist eigentlich
als das letzte Ziel der kunstgeschichtlichen Arbeit anzusehen, da nur in ihr
eine sonst immer unnatürliche und mehr oder weniger gewaltsame Aus-
sonderung eines engeren Arbeitsgebietes aus einer durch tausend Fäden zu
einer Einheit verknüpften Masse vermieden wird. Den ersten Versuch,
den ganzen Stoff der nachantiken Entwicklung zu überblicken, machte
Fiorillo in seiner Geschichte der zeichnenden Künste; in sein kompilato-
risches Werk sind sehr bedeutende Kenntnisse verarbeitet, ohne daß ein
geistiger Zusammenhang hergestellt wäre1). Weit bedeutender ist Seroux
d'Agincourt's Histoire de l'art par les monuments depuis sa decadence jusqu'au
XVIeme siecle, das als Fortsetzung von Winckelmanns antiker Kunstge-
schichte gedacht, den gewaltigen, mit überraschend vielseitiger Sachkenntnis
gemeisterten Stoff auch gedanklich zu beherrschen und durch eine eingehende
und sehr durchdachte Periodisierung zu gliedern versucht2). In den nächsten
Jahrzehnten stehen die Darstellungen des gesamten Kunstgebietes auf dem
Boden der Herderschen Erkenntnis vom organischen Wachstum und Zu-
9 Göttingen 1798; vgl. über die früheren Ansätze kunstgeschichtlicher Zusammenfas-
sung bei Justi, Winckelmann, III, S. 70 ff.
2) 1809 (1811)—1823 erschienen; vgl. Philippi, Begriff der Renaissance, S. 90 ff.