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Tietze, Hans
Die Methode der Kunstgeschichte: ein Versuch — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.70845#0103

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§ 4. Einteilung der Kunstgeschichte.

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mit unregelmäßig (Roland de Virloys), mit lächerlich (Encyclopedie) gleich1).
Nahezu gleichbedeutend wird der noch verächtlichere, im Kreise Schinkels
aufgekommene Ausdruck Zopf verwendet, der sich als Bezeichnung der
ganzen aus der Renaissance herausgewachsenen Periode mit Barock ursprüng-
lich deckt2), das auch bei Burckhardt den „Beigeschmack der Schmähung"
behält; dieser läßt die in den gemeinsamen Verfallszügen nur graduell
unterschiedene Periode schon mit den Bauten Michelangelos (Laurenziana)
beginnen und stellt Bernini an die Spitze einer zweiten schlimmeren Phase.
Die Ausscheidung des durch das Rocaille-Ornament charakterisierten Stil-
abschnitts als Rokoko soll zuerst im Atelier Davids aufgekommen sein;
die Bezeichnung hat durchaus den Charakter der qualifizierten Mißbilli-
gung. Während sich in Frankreich die Gleichstellung dieses Rocaillestils
— als dessen Bezeichnung Rokoko dort nicht existiert — mit der Zeit
Ludwigs XV. leicht und mechanisch vollzogen hat3), erfolgt eine solche Um-
wandlung in Periodenbezeichnungen in Deutschland zunächst auf kulturhisto-
rischer Basis; bahnbrechend war hier der Aufsatz Anton Springers „Der
Rokokostil"4), der dessen künstlerische Physiognomie aus der allgemeinen
Kulturlage erklärt. Der Ausbau erfolgte auf mehr formaler, vom Kunst-
handwerk gewonnener Basis durch A. v. Zahn, der einer Gleichsetzung
der Begriffe Barock, Rokoko, Zopf mit den französischen Stilbezeichnungen
Louis XIV, XV., XVI. das Wort redete5). Das erste Glied dieser Einteilung
stand im Widerspruch mit den von der italienischen Kunst herrührenden
Vorstellungen, so daß Dohme mit Recht dagegen Einspruch erhob6); immerhin
hat sich auf Grund all dieser Untersuchungen eine einigermaßen klare Praxis
entwickelt: Barock hieß jene Periode, die auf die italienische Hochrenaissance
folgt und, in den verschiedenen Ländern Europas mannigfach variiert,
bis in den Anfang des XVIII. Jahrhunderts dauert; ihr schließt sich der
Stil Louis XV., der Rocaillestil, das Rokoko, an, das dann von etwa 1770
vom Zopf, Louis XVI., Klassizismus, abgelöst wird. Trotz der formalistischen
Elemente überwiegen in dieser Einteilung die allgemein geschichtlichen
Gesichtspunkte; es sind die Stile der Gegenreformation oder der Jesuiten,

') Paul Schumann, Barock und Rokoko, Leipzig 1885, S. 2 f. Über die Ethymologie
der Termini vgl. A. v. Zahn, Barock, Rokoko und Zopf in Zeitschrift für bildende Kunst
VIII, S. I ff.

2) Corn. Gurlitt, Geschichte des Barockstils in Italien, Stuttgart 1887, S. 8. Dazu
eine bei Bruno Meyer vorkommende Einteilung in „anständigen", „bombastischen" und
„ausschweifenden" Zopf (Zahn, a. a. 0. S. 5).

3) Vgl. Dictionnaire de l'Academie frangaise, Nachtrag 1842, bei Schumann, a. a. O.
S. 3.

4) Bilder aus der neuen Kunstgeschichte, Bonn 1867.

5) Zahn, a. a. O.

6) Dohme, Studien zur Architekturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts in Zeit-
schrift für bildende Kunst 1878, S. 289 ff.
 
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