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Tietze, Hans; Pacher, Michael [Ill.]
Michael Pacher und sein Kreis — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 4: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.61187#0007
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Michael Pacher ist der Schöpfer des Hochaltars
von St. Wolfgang in Oberösterreich, des groß-
artigsten am Ort seiner Entstehung erhalten geblie-
benen jenei’ Flügelaltäre, in deren mit Bildtafeln
und Schnitzwerken ausgestatteten Aufbau das aus-
gehende nordische Mittelaltei’ seine ganze Kunst-
kraft zusammendrängte; mit dem Raum verwach-
sen, für den er entstand, noch heute von der glei-
chen Gläubigkeit umweht, in der er wurzelt, ist
dieser Altar ehrwürdig und lebendig zugleich. Ehr-
würdiger weil lebendig und lebendiger weil ehr-
würdig; das eine als ein in Stoff und Stimmung
fast unberührter Rest aus einer versunkenen Welt,
das andere als ein künstlerischer Organismus, der
aus seiner inneren Einheitlichkeit seine Überzeu-
gungskraft stets erneut. Widerspruchsvoll wie alles
Lebendige führt er uns in die Dunkelheiten einer
gärenden Zeitenwende, in die Rätsel eines Grenz-
gebietes zwischen den Rassen, in die Fremdartig-
keit eines mit alten Sitten dahingegangenen hand-
werklich-künstlerischen Betriebs; aber er löst die
Fragen, indem er sie stellt; vor der zwingenden
Geschlossenheit des St. Wolfganger Altars, in dem
ein großer Meister die Sehnsucht seiner Zeit, seines
Stammes, seiner Kultur zu persönlicher Form zu
gießen verstand, werden jene Fragen zu bloßer
kunsthistorischer Problematik, zu Hilfslinien des
konstruierenden Verstandes, die den Wesenskern
der künstlerischen Schöpfung umschreiben, nicht
berühren.

B.D.K.4

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