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F. Toebelmann : Römische Gebälke.

Lanzen des Gottes, die der Ops geheiligte die Opfergeräte der Staatspriester enthielt.
Wir gewinnen aus den Nachrichten im allgemeinen die Vorstellung, daß die Regia ein
Bau von mäßigen Dimensionen und wenig regelmäßiger Anlage gewesen ist; wenn für
das Gebäude gelegentlich der Ausdruck atrium regium gebraucht wird (Livius 26,
27, 2; 27, 11, 16), so deutet das wohl darauf hin, daß ein offener Hof einen bedeutenden
Teil desselben ausmachte1.

Über die Schicksale der Regia erfahren wir, daß sie im Jahre 210 v. Chr. (544 d. St.)
und wiederum 148 v. Chr. (606 d. St.) durch Brände beschädigt wurde. Noch bedeutender
war die Zerstörung durch eine Feuersbrunst in dem Jahrzehnt nach Casars Tode: diese
machte einen vollständigen Neubau notwendig, den Cn. Domitius Calvinus, der Besieger
Spaniens, nach seinem Triumph im Jahre 36 v. Chr. (718 d. St.) aus seinen reichen Beute-
geldern ausführte2. Dieser Bau, prächtiger, wenn auch vielleicht kleiner als der frühere,
wird noch im dritten Jahrhundert n. Chr. als bestehend erwähnt3; nur den Namen, leider
nicht den Grundriß, enthält ein Fragment des unter Septimius Severus (um 205 n. Chr.)
in Marmor gegrabenen Stadtplanes (Forma Urbis Romae fragm. 21 ed. Jordan). Über
die Zerstörung haben wir keine Nachrichten, doch zeigte der Befund bei den Ausgrabungen
von 1546 (s. u.), daß einzelne Teile durch das Mittelalter hindurch stehen geblieben waren.

Die Lage der Regia ist lange streitig gewesen: erst durch die Untersuchungen von
F. M. Nichols und H. Jordan ist außer Zweifel'gesetzt worden, daß sie östlich vom Tempel
des Divus Julius, zwischen Vesta- und Faustina-Tempel gelegen hat4. Ausgrabungen,
welche Hülsen 1889 dort anstellen durfte, haben Grenzen und Grundriß des Baues des
Calvinus festgestellt; die unter Bonis Leitung 1901 an gleicher Stelle, aber bis in größere
Tiefe geführten Grabungen haben auch über die älteren, für unseren Zweck nicht in
Betracht kommenden Baulichkeiten Aufklärung gegeben5.

Die Regia des Calvinus bildete ein unregelmäßiges Fünfeck von etwa 340 qm Fläche.
Die kleinere südliche Hälfte dieses Areals war überbaut, die größere nördliche zumeist
durch einen offenen Hof eingenommen. Von der überbauten Hälfte können wir mit voller
Sicherheit die südliche Außenwand, und einen Teil der anstoßenden westlichen rekon-
struieren: das Material dazu liefern uns Funde aus dem 16. Jahrhundert, welche, wie sich
aus den gleichzeitigen Berichten erschließen läßt6, genau an der gleichen Stelle gemacht
wurden, wo das uns beschäftigende Gebälk zutage gekommen ist. Bei den Ausgrabungen,
welche im Jahre 1546 auf Veranlassung des Cardinais Farnese angestellt wurden, fand
man hier, außer mancherlei Architekturfragmenten, eine große Anzahl von Marmorblöcken,
welche mit langen Inschriften, Verzeichnissen der eponymen Magistrate und der Triumphe
von Gründung der Stadt bis etwa zum Jahre 34 v. Chr. (720 d. St.) bedeckt waren7. Die

1 Die Belegstellen s. bei Jordan a. a. 0. S. 302—304; 423—427.

2 Ansprechend ist die Vermutung Jordans (S. 427 A. 143), daß eine runde Marmorbasis mit der Inschrift: Cn. Domitius
M. f. Calvinus pontifex cos. iter. imper. de manibieis (CIL. VI, 1301), welche auf der dem Forum zugewandten Seite des Pala-
tins gefunden ist, ihren ursprünglichen Platz in der Regia gehabt habe. Daß Calvinus zum Schmuck seiner Regia Statuen
von Octavian erbat, erzählt Cassius Dio 48, 42.

3 Die Beschädigung durch den neronischen Brand (Tacitus ann. 15, 41) kann nicht sehr eingreifend gewesen sein.
Daß die großeFeuersbrunst unter Commodus (191 n. Chr.: Jordan S. 423 A. 138), welche den Tempel der Vesta zerstörte, auch
die Regia stark in Mitleidenschaft gezogen habe, ist nicht überliefert, sondern eine durch den Befund widerlegte Vermutung.

4 F. M. Nichols, La Regia (Rom. Mitteilungen 1886, 94—98); The Regia, the Atrium Vestae and the Fasti Capitolini
(Archaeologia vol. L, London 1887; auch in vermehrter Sonderausgabe); Jordan, Römische Mitteilungen, 1886, S. 99—in.

5 Hülsen, Die Regia, Jahrbuch des Instituts, 1889, S. 228—253, mit Aufnahmen von F. 0. Schulze. Ausgrabungen
I90iff.: Hülsen, Rom. Mitteilungen, 1902, 62—66; 1905, 77—80; Vaglieri bull, archeol. comunale, 1903, 40—55; Boni
Atti del Congresso internazionale di scienze storiche (1903) V, 518—525.

6 Sie sind zusammengestellt und erörtert bei Hülsen, Jahrbuch des Instituts, 1889, S. 231—234, und CIL. I2, p. 3 f.

7 Über das (ursprüngliche) Abschlußjahr der Magistrats- und Triumphalliste s. Hülsen, Hermes XXIV (1888), S. 185 f.;
CIL. I2, p. 11.
 
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