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V. Tempel der Concordia.

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Im ganzen späteren Mittelalter und in der Renaissance lagen die Reste des Concordien-
tempels tief begraben unter der Straße, welche vom CampoVaccino zum Senatorenpalast
auf dem Kapitol hinaufführte. So fehlen Zeichnungen nach Bauteilen aus dem 15. und
16. Jahrhundert fast gänzlich. Nur einige der schönen Säulenbasen, welche in ungewisser
Zeit aus den Ruinen zutage gekommen waren und sich dann in römischenPrivatsammlungen
befanden, sind gelegentlich von den Renaissancekünstlern gezeichnet worden1. Erst zu
Beginn des 19. Jahrhunderts 1811—1812, namentlich aber 1816—1817 sind Ausgrabungen
bis zum antiken Niveau vorgedrungen, haben den Grundriß des Heiligtums festgestellt
und die schönen, jetzt im kapitolinischen Tabularium aufbewahrten Stücke des Gebälkes
zutage gefördert, welche auf Taf. VI und VII aufgenommen sind2. H.

Von dem dreiteiligen Gebälk sind nur das Geison und der Architrav bekannt. Der Fries
fehlt. Das Kranzgesims ist aber seiner reichen Form wegen von ganz besonderer Bedeutung.

A. Ein vollsaftiges Simaprofil bildet die oberste Bekrönung. Die große Ausladung
und kräftige Form ist ein besonderes Kennzeichen der klassischen Periode am Anfang
der Kaiserzeit. Ähnlich ist die Sima am Mars Ultor und am Castor-Tempel. Die Profil-
fläche ist belegt mit einem Blattornament, das aus einer Reihe stehender, reich gezackter
siebenlappiger Akanthusblätter gebildet wird. Dahinter stehen in den Zwischenräumen
die lanzettförmigen sogenannten Schilfblätter. Ihre ungebrochene Umrißlinie bildet einen
absichtlichen Gegensatz zu der bewegten Zeichnung der Akanthusblätter; es zeigt sich
also eine ähnliche künstlerische Absicht wie an den Blattrosen des Mars-Ultor-Tempels
und noch früherer (s. o. S. 37), ein mehr zeichnerisches als plastisch gedachtes Motiv.
Wir beobachteten bereits anläßlich der etwas altertümlichen Pilasterkapitelle [vielleicht
vom Augustusbogen (s. o. S. 23)] stehend gereihte Blattformen. Hier erscheinen sie wieder,
und in dem Pfeifenornament der Corona werden wir ihnen nicht nur hier, sondern recht
häufig im ersten Jahrhundert begegnen. Man darf wohl sagen, daß überhaupt die primitive
Reihung von stehenden Blattformen in Italien auf lange Zeit hinaus eine Grundlage für
ornamentale Anordnung blieb, wohingegen Griechenland schon früh ein eigenes Gesetz
der Verbindung der Schmuckelemente entwickelte, das zu einer Reihung höherer Art
geführt hat. Der primitiven Reihung hingegen verdanken der Eierstab, das lesbische
Kyma, auch der Perlstab ihre Entstehung. Alle drei stammen nicht aus Griechenland
sondern aus Kleinasien. Und so mag denn dieses ornamentale Prinzip der primitiven
Reihung auch eine der unterirdischen Linien sein, die die altitalische (etrurische) Kunst
mit Kleinasien verbindet. Gegen die in der griechischen Kunst übliche Rankenverbindung
hat sich die altitalische ablehnend verhalten3. Beispiele von Akanthusblattreihe mit Schilf-
blättern sind im ersten Jahrhundert zahlreich, besonders aber in der claudischen und
flavischen Zeit beliebt4. Das ursprüngliche Motiv sind wohl die stehenden Blätter;
ihnen folgte erst bei der wachsenden Vorliebe für den Akanthos dieser nach. Die Ent-
für die karolingische Zeit sein könne, nimmt Jordan S. 335 A. 28 mit Unrecht an. Ebensowenig folgt aus den von ihm Bd. II
S. 444, 445 beigebrachten Stellen, daß der Tempel noch bis ins 14. Jahrhundert wohl erhalten gestanden habe und erst durch
die Bauten Nicolaus V (1447—1455) völlig beseitigt sei.

1 Ein Exemplar dieser Basen, in der Sammlung des Giovanni Ciampolini, ist gezeichnet im Codex Escurialensis
f. 51, 3; im sogen. Skizzenbuch des Andreas Coner f. 105dl von Sansovino Uffiz. 4337; im Berliner Codex Destailleur f. 39
(n. 3281), 44V (n. 3329), 56 (3342). Eine andere „in S. Caterina in via Giulia" im Skizzenbuch Destailleur-Poloffzoff II,
fol. 83, n. 1. S. Egger zum Escurialensis S. 129; Ashby z. Coner, S. 63f.

2 Aufnahmen bei Canina, Edifizj II tav. 36; Dutert, Le Forum, p. 35 u. Taf. XIV. S. auch Lanciani, Ruins and
Excavations, p. 288.

3 Zu vergleichen ist hier M. Schede, Antikes Traufleistenornament, Straßburg 1909, S. I04ff., wo zahlreiche Beispiele
zitiert werden.

4 Auch die Stuckierung der Sima des „Fortuna Virilis-Tempels" gehört frühestens erst in diese Zeit, nicht in die Zeit
der Gründung des Baues. Rom. Mitt. 21, 1906, Taf. XI, S. 274.

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