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Fiechter, Ernst Robert [Editor]; Toebelmann, Fritz [Bibliogr. antecedent]
Römische Gebälke (Band 1) — Heidelberg, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.8775#0065
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VI. Forum der Nerva.

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der Kaiser eingenommen wurde, blieb die Argiletumstraße noch lange geschont: ihr un-
terster Teil (imum Argiletum) wurde auf der einen Seite vom Forum Augusti, auf der
anderen Seite von den Hallen, die den Friedenstempel des Vespasian umgaben, eingefaßt.
Vespasians Sohn Domitian beschloß, diesen Teil der alten Straße gleichfalls in die um-
gebenden Prachtanlagen hineinzuziehen, indem er ihn zu einem vierten Forum (neben
dem Forum Romanum und denen des Caesar und Augustus) umgestaltete, als dessen
Schutzpatronin der Kaiser seine Lieblingsgöttin Minerva wählte. Der Grundplan des
Forums mußte infolge der Länge und Schmalheit des Areals ein eigentümlicher von den
anderen verschiedener werden: zwar wurde der Platz, ebenso wie das Forum Iulium und
das Forum Augusti, mit monumentalen Mauern umgeben, aber zur Anlage von Portiken
längs diesen Mauern reichte der Raum nicht, und so wurden die Mauern an den Langseiten
statt dessen mit vorgestellten Säulen dekoriert, die ein reich verziertes Gebälk mit figurier-
tem Fries trugen. Die dem großen Forum zugewandte Schmalseite, deren Grundriß ein
Kreissegment bildete, war von großen Portalen durchbrochen; an der entgegengesetzten,
gleichfalls ein Segment desselben Kreises bildenden Seite stand der Tempel der Minerva,
ein Peripteros hexastylos. Domitian erlebte die Vollendung des Baues nicht mehr: den
Minerventempel dedizierte sein Nachfolger Nerva, von dem das Forum in der Folgezeit
seinen Namen erhielt, im Jahre 97 n. Chr. Den Grundriß des Tempels samt der anstoßenden
Nordostecke des Forums zeigt das Fragment 116 der severischen Forma Urbis Romae1.

Der Tempel und bedeutende Teile der Umfassungsmauer blieben durch das ganze
Mittelalter wohl erhalten, zum Teil dadurch, daß in die Cella des Tempels ein festes Haus
eingebaut war. Seit dem 15. Jahrhundert wurde der malerische Ruinenkomplex von
Künstlern häufig gezeichnet und in seinen Einzelheiten studiert. Unter den Gesamt-
ansichten verdienen besonders genannt zu werden: die Vedute im Codex Escurialensis
f. 57 v., die schönen Blätter Marten van Heemskercks cod. Berolin.vol. II f. 37. 50. 82 V.+ 84
und Giannantonio Dosio's Uffizj 2513. 2514. 2583, Windsor 10787. 107912. Von Stichen
aus dem 16. und dem Anfange des 17. Jahrhunderts seien hervorgehoben: Hieronymus
Cock, Praecipua aliquot antiquitatis monumenta (1551) tav. V. X; Gio. Battista dei Cava-
lieri, Urbis Romae aedificiorum .... reliquiae (1569) tav. 14, 15 (nach Dosio); Etienne
Duperac, Vestigj dell'antichitä di Roma (1575) tav. 5; Alö Giovannoli (1619)3. Auf-
nahmen im Grundriß haben wir u. a. von Antonio da Sangallo dem Jüngeren Uffizj 1123,
von Salvestro Peruzzi Uffizj 687 (vgl. Lanciani Memorie dellAccademia dei Lincei ser. III
vol. XI, 1883, tav. III und p. 22—26), von Andrea Palladio Samml. Devonshire vol. XI
f. 26 (danach die Publikation in seiner Architettura 1. IV p. 23ff.). Einzelaufnahmen
nach dem Gebälk finden sich schon in Giuliano da Sangallo's Codex Barberin. f. 9 V. (s.
Hülsen p. 17), ferner im sogenannten Skizzenbuch des Andreas Coner f. 89b und 90b
(s. Ashby p. 46L).

Die Reste des Tempels wurden unter Paul V. 1606 zerstört, die Säulen und Steine
für Neubauten verwendet; der anstoßende Straßenbogen wurde Mitte des 17. Jahrhunderts
demoliert, so daß jetzt von der Prachtanlage Domitians und Nervas nur das nördlichste
Stück der östlichen Umfassungsmauer mit den zwei vorgestellten Säulen (le Colonnacce)
übrig geblieben ist. H.

1 Über die Geschichle des Nervafonims vgl. Jordan, Topogr. I, 2, S. 448—453. Daß der Bau schon von Vespasian
(also vor 79) begonnen sei, folgert Jordan mit Unrecht aus der schlecht überlieferten Stelle Victor Caes. 9, wo er seine frühere
Konjektur ad forum (statt ac forum) nicht hätte zurücknehmen sollen. — Inschrift des Minervatempels: CIL. VI, 31213
(besser als VI, 953): Imp. Nerva Caesar Aug[ustus Germanicus] pont. max. trib. polest. II imp. ii cos. [iii p. p. aedem
Mi\nervae fecil.

- Vgl. Egger zu Codex Escurialensis S. 142; Hülsen zu Heemskerck II, S. 26. 30. 31. 45. 52. 54; Ausonia VII, p. 13. ~oi.
3 Giovannolis Werk ist zwar 1615 zur Ausgabe fertig gewesen, aber die Zeichnungen sind weit älter. Vgl. Hülsen,
Römische Antikengärten, S. 46 (Abhandlungen der Heidelberger Akademie, 1917); Ashby in Olschki's Bibliofilia 1922 p. ioiff.
 
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