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A. SCHÜLLER
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weit ergiebigeren Unterhalt finden können, folglich diesen Posten dein Schuldienste
vorziehen“. Der oberste Schulbeamte meldet noch zur Zeit der Aufklärung, nach
langjähriger Reformarbeit, in einem Jahresberichte an den Kurfürsten (1786 oder 87),
„dass unsere Schulmeister wie Hirten und geringer gehalten werden“. Als demütigend
z. B. fand der Lehrer es, dass er in vielen Dörfern als solcher bei Prozessionen das
Kreuz tragen musste. Auch beschweren sich manche darüber (z. B. Dek. Kyllburg),
dass ihnen „bei ihrem geringen salario die Kirchenwäsche, Beschaffung von Hostien,
Messwein, das Kertzenwirken, die Wicke zu den Kerzen und den Ampeln etc. auf-
gebürdet werden“. Auch zu den „niederträchtigsten Arbeiten“ (Frondienste) würden
sie angehalten; z. B.: der Lehrer von Wetteidorf wurde noch zur Zeit der Schul-
besserung gerade an dem Tag zu Wegereparationsarbeiten von der Gemeinde nach
Prüm kommandiert, an dem Schulvisitation seitens des Spezialkommissars sein sollte.
Einigemal kommt auch die Bemerkung vor: „muss bey dem Herrn Pastor den Haus-
knecht machen.“ (z. B. Hinzert.)
Wie stand es mit dem Einkommen des Lehrers? Damals wurde das Wort
vom „hungrigen Schulmeister“ geprägt; nicht umsonst wird er in der Karikatur aus
dieser Zeit her als ein hagerer Mann gezeichnet, dem die Knochen vorstehen. Aus
dieser Zeit datieren die Witze, welche die Lüsternheit des Lehrers nach der Wurst
oder dem Schinken des Bauern zum Gegenstand haben. Der Ausdruck „am Hunger-
tuche nagen“ kommt in den Akten tatsächlich vor. Wenn es auch gerade so schlimm
nicht war, so sind doch unsere Archivalien von den bittersten Klagen der Lehrer
angefüllt, und oft wird es uneingeschränkt von den Behörden zugegeben, dass die wirt-
schaftliche Lage des Lehrers die denkbar jammervollste sei.
Clemens Wenzeslaus schreibt z. B. an sein Gen.-Vikariat (30. VIII. 1776), dass
der Unterhalt der Lehrer, „dieser in allen betracht nützlichen und unentbehrlichen
Leuthen“, „bishero in den mehresten Gemeinheiten leider! ungewiss, unbestimmt und
unhinlänglich“ gewesen. Maybaum berichtet (an Sch.-Com. 6. V. 1785), dass die
meisten Win ter schulmeister auf dem Lande „nicht leicht mehr als 4 oder 5 Rthr.,
dann die Kost bey den Bauern umwechselnd, die andern glücklicheren (meistens Pfarr-
schulmeister) aber eine solche. Besoldung haben, bey der sie ohne die Landwirtschaft
unmöglich leben können“. Diese „glücklicheren“ hatten aus der Schule als solcher
in den besten Fällen, wie unsere Einzelaufstellungen nachweisen werden, ein Ein-
kommen von 20 - 30 Reichstalern27), in manchen reicheren Gemeinden des Niederstiftes,
besonders auf dem Maifeld und in der Rheingegend, mochten einzelne auf 40 — 50 Rtr.
kommen. Das Küstereinkommen war gewöhnlich bedeutend höher als das des Lehrers.
Wie etwa die Hälfte aller Lehrer „unanständig und herabwürdigend . . . die Kost
von Hause zu Hause28) gleich einem Hirten“ (Sch.-Com. 13. X. 1793) nahmen, so
mussten viele unter häufiger Beschimpfung und Gezänk das spärliche Schulgeld selbst
einsammeln. Der Dechant Hofmann von Montabaur z. B. spricht deshalb von dem
„verdrüsslichen und unanständigen Betteln der Schulmeister“. Diese nennen daher
in einer vom Dechanten des Burdekanates abgefassten Eingabe die Naturalien „pretium
sanguinis“. Grosse Mengen der schulbaren Kinder, pft über die Hälfte, besuchten
die Schule überhaupt nicht oder nur sehr selten. Dann fiel bei diesen das Schulgeld
ganz weg oder es wurde heruntergehandelt. In Nachtsheim war eine Schulstiftung;
deshalb gab es hier kein Schulgeld. Es war nun üblich: dem Lehrer pro Kind am
Neujahrstage 3 alb. zu schenken. Aber manche Eltern schickten regelmässig, um
daran vorbei zu kommen, die Kinder erst nach dem Geschenktage zur Schule. Dies
27) Eines aus den hundert. Beispielen: 1 lietkirchen : „Dieser Schulmeister ist der geringste
in der Besoldung und die best in der neuen Lehrart unterrichtete Jugend bey ihm ange-
troffen worden: Vorhin stund er jährlich in allem kaum auf 25 rthr. Rührend wäre cs
anzuhören, als er klagte, dass er in letzten theuern Jahren Kleyen statt Brod habe essen müssen.“
28) Diese wurde pro Monat mit 2 rthr. veranschlagt. Im Dekante Daun z. B. war die1
Bevölkerung aber zu arm, diese Ablösungssumme zahlen zu können.
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weit ergiebigeren Unterhalt finden können, folglich diesen Posten dein Schuldienste
vorziehen“. Der oberste Schulbeamte meldet noch zur Zeit der Aufklärung, nach
langjähriger Reformarbeit, in einem Jahresberichte an den Kurfürsten (1786 oder 87),
„dass unsere Schulmeister wie Hirten und geringer gehalten werden“. Als demütigend
z. B. fand der Lehrer es, dass er in vielen Dörfern als solcher bei Prozessionen das
Kreuz tragen musste. Auch beschweren sich manche darüber (z. B. Dek. Kyllburg),
dass ihnen „bei ihrem geringen salario die Kirchenwäsche, Beschaffung von Hostien,
Messwein, das Kertzenwirken, die Wicke zu den Kerzen und den Ampeln etc. auf-
gebürdet werden“. Auch zu den „niederträchtigsten Arbeiten“ (Frondienste) würden
sie angehalten; z. B.: der Lehrer von Wetteidorf wurde noch zur Zeit der Schul-
besserung gerade an dem Tag zu Wegereparationsarbeiten von der Gemeinde nach
Prüm kommandiert, an dem Schulvisitation seitens des Spezialkommissars sein sollte.
Einigemal kommt auch die Bemerkung vor: „muss bey dem Herrn Pastor den Haus-
knecht machen.“ (z. B. Hinzert.)
Wie stand es mit dem Einkommen des Lehrers? Damals wurde das Wort
vom „hungrigen Schulmeister“ geprägt; nicht umsonst wird er in der Karikatur aus
dieser Zeit her als ein hagerer Mann gezeichnet, dem die Knochen vorstehen. Aus
dieser Zeit datieren die Witze, welche die Lüsternheit des Lehrers nach der Wurst
oder dem Schinken des Bauern zum Gegenstand haben. Der Ausdruck „am Hunger-
tuche nagen“ kommt in den Akten tatsächlich vor. Wenn es auch gerade so schlimm
nicht war, so sind doch unsere Archivalien von den bittersten Klagen der Lehrer
angefüllt, und oft wird es uneingeschränkt von den Behörden zugegeben, dass die wirt-
schaftliche Lage des Lehrers die denkbar jammervollste sei.
Clemens Wenzeslaus schreibt z. B. an sein Gen.-Vikariat (30. VIII. 1776), dass
der Unterhalt der Lehrer, „dieser in allen betracht nützlichen und unentbehrlichen
Leuthen“, „bishero in den mehresten Gemeinheiten leider! ungewiss, unbestimmt und
unhinlänglich“ gewesen. Maybaum berichtet (an Sch.-Com. 6. V. 1785), dass die
meisten Win ter schulmeister auf dem Lande „nicht leicht mehr als 4 oder 5 Rthr.,
dann die Kost bey den Bauern umwechselnd, die andern glücklicheren (meistens Pfarr-
schulmeister) aber eine solche. Besoldung haben, bey der sie ohne die Landwirtschaft
unmöglich leben können“. Diese „glücklicheren“ hatten aus der Schule als solcher
in den besten Fällen, wie unsere Einzelaufstellungen nachweisen werden, ein Ein-
kommen von 20 - 30 Reichstalern27), in manchen reicheren Gemeinden des Niederstiftes,
besonders auf dem Maifeld und in der Rheingegend, mochten einzelne auf 40 — 50 Rtr.
kommen. Das Küstereinkommen war gewöhnlich bedeutend höher als das des Lehrers.
Wie etwa die Hälfte aller Lehrer „unanständig und herabwürdigend . . . die Kost
von Hause zu Hause28) gleich einem Hirten“ (Sch.-Com. 13. X. 1793) nahmen, so
mussten viele unter häufiger Beschimpfung und Gezänk das spärliche Schulgeld selbst
einsammeln. Der Dechant Hofmann von Montabaur z. B. spricht deshalb von dem
„verdrüsslichen und unanständigen Betteln der Schulmeister“. Diese nennen daher
in einer vom Dechanten des Burdekanates abgefassten Eingabe die Naturalien „pretium
sanguinis“. Grosse Mengen der schulbaren Kinder, pft über die Hälfte, besuchten
die Schule überhaupt nicht oder nur sehr selten. Dann fiel bei diesen das Schulgeld
ganz weg oder es wurde heruntergehandelt. In Nachtsheim war eine Schulstiftung;
deshalb gab es hier kein Schulgeld. Es war nun üblich: dem Lehrer pro Kind am
Neujahrstage 3 alb. zu schenken. Aber manche Eltern schickten regelmässig, um
daran vorbei zu kommen, die Kinder erst nach dem Geschenktage zur Schule. Dies
27) Eines aus den hundert. Beispielen: 1 lietkirchen : „Dieser Schulmeister ist der geringste
in der Besoldung und die best in der neuen Lehrart unterrichtete Jugend bey ihm ange-
troffen worden: Vorhin stund er jährlich in allem kaum auf 25 rthr. Rührend wäre cs
anzuhören, als er klagte, dass er in letzten theuern Jahren Kleyen statt Brod habe essen müssen.“
28) Diese wurde pro Monat mit 2 rthr. veranschlagt. Im Dekante Daun z. B. war die1
Bevölkerung aber zu arm, diese Ablösungssumme zahlen zu können.