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A. SCHÜLLER

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Sorge. Dass Felbiger für die nun beginnende Reform massgebend wurde, ist, wie
wir bereits gehört haben, bei der allgemeinen pädagogischen Richtung im katholischen
Deutschland und bei dem Charakter der schon begonnenen Volksschulbestrebungen der
Nachbarstaaten selbstverständlich. Nicht eigenes Licht leuchtete im Trierer Lande,
sondern die allgemeine Felbigerische Aufklärungssonne. Doch wurde' das Licht hier
mit eigenen, selbständigen Augen aufgenommen. Fundament und Struktur des künf-
tigen Schulbaues waren zwar von dem Saganer Prälaten vorgezeichnet; manche Teile
des Verputzes und der Ausstattung sollten aber, um bei dem Bilde zu bleiben, auch
originelle, reizvolle Züge aufweisen.
In der Volksschulreform des letzten Trierer Kurfürsten haben wir drei Epochen
zu unterscheiden. 1) Die Zeit der ersten Versuche bis zum Anfang der 80er
Jahre unter dem Ministertriumvirate von Hornstein — von Hohenfeld — de la Roche.
Die Begeisterung allein tut es nicht; Geld gehört zu dem .Werke; und das fehlte.
Auch mangelte es an einer kenntnisreichen,"’ eifrigen, fortschrittlich gesinnten, eigenen,
weltlichen Schulbehörde. So geschah in dieser ersten Zeit eben nur das, was ohne
diese beiden notwendigen Requisiten erreichbar war. Es klärten sich damals nicht
nur Ziele und Richtlinien, es wurden nicht nur die ersten Schritte zur Wesens-
besserung nach Stoff und Form getan, auch zur Förderung der äussern Schulverhält-
nisse, namentlich zur materiellen und moralischen Hebung des Lehrerstandes geschah
schon einiges. Aber das ganze Reformwerk musste sich doch aus den angegebenen
Gründen in recht bescheidenen Grenzen halten. 2) Die Reformvolltätigkeit ent-
faltete sich in grossem Masstabe und mit stets wachsendem und dauerndem Erfolge
in den Jahren 1782 — 1789. Konferenzminister Duminique war i. J. 1782 nachdem
Sturz des alten Ministeriums ans Staatsruder ■ gelangt; dieser, sowie der geistliche Rat
Beck und nicht zuletzt der überaus eifrige und tüchtige Seminardirektor Mathie waren
in dieser zweiten Epoche die Triebfedern des Schulwerkes. Ein Schulfonds war
gesichert, eine eigene, energische, weltliche Zentralbehörde geschaffen, ein Lehrer-
seminar unterhielt die Flamme des heiligen Eifers und bildete Kern und Stern der
inneren Schulbesserung. So entfaltete sich die Blütezeit der Volksschulreform. 3) Als
i. J. 1789 der neue Schulbau bereits fast vollendet war, führten die aus dem schwarzen
Gewitterhimmel im Westen herüberzuckenden, unheildrohenden Blitze zu der törichten
Annahme: Die Volksbildung hat den Volksaufstand bewirkt. Die aus diesem Satze
gezogenen Konsequenzen beschworen seit dem Jahre 1789 im Trierer Lande eine
Reaktion gegen die Volksbildung herauf, welche die Aufklärungsschule wieder hin-
wegzufegen drohte. Die Hauptverfechter dieser dritten Epoche der Anti- oder Retro-
Reform von den Jahren 1789 —1794 (denn man wollte das Bildungswesen auf den
Stand vor 20 Jahren zurückschrauben) waren der Statthalter Domherr Freiherr von
Kerpen und der Weihbischof Cucliot d’Herbain („l’eveque d’Ascalon“).
Beginnen wir mit der Vorreform.
Das Ziel der inneren Volksschulreform des Kurfürsten war also die Verwirk-
lichung des Felbigerideals nach Stoff und Methode. Den Entwicklungsgang der modernen
Pädagogik skizziert das Koblenzer Intelligenzblatt (21. IN. 87) wie folgt: „Eine
Revoluzion“ im Schul- und Erziehungswesen habe „der grosse Loke“ herbeigeführt.
„Dieser betrat eine ganz neue Bahn und fing zuerst an, körperliche und geistige Er-
ziehung mit einander zu verbinden. Doch mit ungleich besserer Wirkung tliat dies
sein Nachfolger Rousseau . . . Die protestantische Deutsche waren die ersten, die sich
dessen Lehre zu Nutze machten und in Ausübung brachten . . . Die Katholischen
kamen etwas später. Nun fing man an, Schulverbesserungen, Erziehungsanstalten,
Schulpläne-u. dergl. zu entwerfen . . . Man schwebte lange ungewiss zwischen Ordnung
diene.“ (Blattau, 1. c. V, 90.) Diese Tendenzen, die sich in den ersten Studien-Verordnungen
aus dem Jahre des Regierungsantritts Clemens Wenzeslaus (1768) kundgeben, lassen erraten,
was wir betreffs der’ Volksschulreform von ihm hoffen dürfen.
 
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