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VOLKSBILDUNG IM KURFÜRSTENTUM TRIER.
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fung der Castörpfarr- und Stiftsschule und Armenschule in der Castorkirche persönlich bei.
Etwa 230 Kinder waren versammelt. Eine Episode aus der Prüfung: „Unser theuerster
Landesvater äusserte besonders sein gnädigstes Wohlgefallen, als ein U/äjähriges Kind in
höchstdero Händen verschiedene in dem ABC-Buche ihm angewiesene Stellen fertig herab-
lase und dessen Bruder, ein Knabe von 6V2 Jahren, mit munteren Zügen im Namen seiner
übrigen Mitschüler folgende kurze Dankesrede abstattete:
Durchlauchtigster, sieh, welche Triebe
Der Freude unser Herz durchglüh’n,
Da wir voll Huld und Väterliebe
Für unser Wohl Dich sehn bemüh’h.
Nimm die Begierde, Dir zu danken,
Anstatt des reinsten Opfers an:
Die Kindheit setzt den Wünschen Schranken,
Die Dir mein Mund nicht stammeln kann.
Doch würd’ge Dich, mit Deinem Segen,
Bevor Du gehest, uns zu weih’n.
So werden wir auf unsern Wegen,
Wie Jacob, immer glücklich sein.“
Der Kurfürst war von den Leistungen der Kinder so befriedigt, dass er „die Armen-
schüler mit einer huldreichsten Schenkung aufs neue begnadigte, nachdem er das Jahr durch
die Kinder mit allen nötigen Schulbüchern mildest hatte versehen lassen.“
Im Dezember desselben Jahres besuchte der Ländesvater mit seiner Schwester
die Schule und die Spinnstube im Arbeitshause selbst. Darüber ist uns folgender
sehr interessante Bericht erhalten, der zeigt, wie man sich bereits lebhaft mit dem Gedanken
trug, die neue Lehrart auf alle Schulen des Landes auszudehnen: „Hochstdieselbe bezeigten
den dabey angestellten Lehreren ein besonders gnädigstes Wohlgefallen, da Sie wahrgenom-
men, mit welcher bewundernisswürdiger Fertigkeit diejenigen, welche noch kaum sprechen
konnten, die grosse und kleinere Buchstaben, die man ihnen auf einer aufgestellten Tafel
vorzeigte, mit allen ihren Unterscheidungszeichen erklärten; die anderen aber nach den Stufen
ihres Alters regelmässig buchstabierten, lasen, schrieben und rechneten; und mit welcher
Pünktlichkeit sie die ihnen aus der Glaubenslehre und den biblischen Geschichten vor-
gehaltene Fragen beantworteten. Da dieses ein alle Vorurtheile überwindender Beweiss ist,
wie weit man es in kurzer Zeit mit der in den erwähnten Schulen angenommener Felbige-
rischen Lehrart bringen könne, so zweifelt man nunmehr nicht, dass dieselbe durch das
ganze hohe Erzstift werde eingeführet werden, zumal, da bereits viele unserer würdigen
Herrn Seelsorgeren, ohne den erzbischöflichen und landesherrlichen Befehl abzuwarten, die
ihrigen (Schulen) nach diesem Muster umgeschaffen haben. Am meisten schien unser
theuerster Landesvater dadurch gerühret zu seyn, dass die armen Kinder den übrigen nichts
nachgegeben haben, ob sie gleich die meiste Zeit in den Spinnstuben zubringen müssen und
täglich nur einige Stunden den Unterricht ihrer wackerer Lehrer geniesen können. Wer
nur zurück denken will, dass eben diese nun so christlich gebildete Jugend noch vor bey-
nahe 9 Monaten, sich und allen Inwohnern zur Last, wild und ungezogen auf den öffent-
lichen Gassen müssig- herumgeloffen ist, der müsste kein menschliches Gefülil haben, wenn
er für diese heilsamste Anstalten das Andenken unseres ruhmwürdigsten Regenten nicht
preisen sollte . . . .“
Derartige öffentliche Prüfungen, die besonders seit Basedows grossem Schul-
examen (1776) allenthalben so beliebt wurden, fanden nun jeden1 Herbst statt. Die
tüchtigem Landschulen ahmten sie bald nach. Später wurden sie, um beim Volke
dauerndes Interesse für die Schule zu erhalten, für jede Pfarrei befohlen. „Hiebey
sollen nebst dem Pfarrer die Gemeindevorsteher und, wo Beamten sind, diese gegen-
wärtig seyn, auch wohl benachbarte Seelsorger eingeladen werden.“ So finden wir
z. B. i. J. 1778 bei der Prüfung der Stiftsschüler von St. Florin in Koblenz unter
den Zuhörern: „hohe Adliche, hochwürdige Consistorialräthe und viele andere geist-
und weltliche Standespersonen.“ Ganz abgesehen von dem behördlichen Druck, der
dahinter wirkte, fing die Schulpflege auch im Trierischen bereits an, modern zu werden.
In den Städten und später auch zuweilen in den reicheren Dörfern wurden zu den
Prüfungen eigene Programme gedruckt50). Als Prämien wurden Kleidungsstücke, aber
30) Äusser der in den Zeitungen abgedruckten sind einige Originalexemplare erhalten,
z. B. die Trierer Stadtbibliothek besitzt deren von „sämmtlicher Normalschulen bey den
Vätern Augustiner und Karmeliten“ in Trier (1779) und von Euren (1791). Die Druck-
legung der Programme auf dem platten Lande wurde dem Kurfürsten schliesslich zu arg.
Als i. J. 1790 der Schulmeister Willems in Detzem seinem Landesvater das gedruckte Schul-
VOLKSBILDUNG IM KURFÜRSTENTUM TRIER.
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fung der Castörpfarr- und Stiftsschule und Armenschule in der Castorkirche persönlich bei.
Etwa 230 Kinder waren versammelt. Eine Episode aus der Prüfung: „Unser theuerster
Landesvater äusserte besonders sein gnädigstes Wohlgefallen, als ein U/äjähriges Kind in
höchstdero Händen verschiedene in dem ABC-Buche ihm angewiesene Stellen fertig herab-
lase und dessen Bruder, ein Knabe von 6V2 Jahren, mit munteren Zügen im Namen seiner
übrigen Mitschüler folgende kurze Dankesrede abstattete:
Durchlauchtigster, sieh, welche Triebe
Der Freude unser Herz durchglüh’n,
Da wir voll Huld und Väterliebe
Für unser Wohl Dich sehn bemüh’h.
Nimm die Begierde, Dir zu danken,
Anstatt des reinsten Opfers an:
Die Kindheit setzt den Wünschen Schranken,
Die Dir mein Mund nicht stammeln kann.
Doch würd’ge Dich, mit Deinem Segen,
Bevor Du gehest, uns zu weih’n.
So werden wir auf unsern Wegen,
Wie Jacob, immer glücklich sein.“
Der Kurfürst war von den Leistungen der Kinder so befriedigt, dass er „die Armen-
schüler mit einer huldreichsten Schenkung aufs neue begnadigte, nachdem er das Jahr durch
die Kinder mit allen nötigen Schulbüchern mildest hatte versehen lassen.“
Im Dezember desselben Jahres besuchte der Ländesvater mit seiner Schwester
die Schule und die Spinnstube im Arbeitshause selbst. Darüber ist uns folgender
sehr interessante Bericht erhalten, der zeigt, wie man sich bereits lebhaft mit dem Gedanken
trug, die neue Lehrart auf alle Schulen des Landes auszudehnen: „Hochstdieselbe bezeigten
den dabey angestellten Lehreren ein besonders gnädigstes Wohlgefallen, da Sie wahrgenom-
men, mit welcher bewundernisswürdiger Fertigkeit diejenigen, welche noch kaum sprechen
konnten, die grosse und kleinere Buchstaben, die man ihnen auf einer aufgestellten Tafel
vorzeigte, mit allen ihren Unterscheidungszeichen erklärten; die anderen aber nach den Stufen
ihres Alters regelmässig buchstabierten, lasen, schrieben und rechneten; und mit welcher
Pünktlichkeit sie die ihnen aus der Glaubenslehre und den biblischen Geschichten vor-
gehaltene Fragen beantworteten. Da dieses ein alle Vorurtheile überwindender Beweiss ist,
wie weit man es in kurzer Zeit mit der in den erwähnten Schulen angenommener Felbige-
rischen Lehrart bringen könne, so zweifelt man nunmehr nicht, dass dieselbe durch das
ganze hohe Erzstift werde eingeführet werden, zumal, da bereits viele unserer würdigen
Herrn Seelsorgeren, ohne den erzbischöflichen und landesherrlichen Befehl abzuwarten, die
ihrigen (Schulen) nach diesem Muster umgeschaffen haben. Am meisten schien unser
theuerster Landesvater dadurch gerühret zu seyn, dass die armen Kinder den übrigen nichts
nachgegeben haben, ob sie gleich die meiste Zeit in den Spinnstuben zubringen müssen und
täglich nur einige Stunden den Unterricht ihrer wackerer Lehrer geniesen können. Wer
nur zurück denken will, dass eben diese nun so christlich gebildete Jugend noch vor bey-
nahe 9 Monaten, sich und allen Inwohnern zur Last, wild und ungezogen auf den öffent-
lichen Gassen müssig- herumgeloffen ist, der müsste kein menschliches Gefülil haben, wenn
er für diese heilsamste Anstalten das Andenken unseres ruhmwürdigsten Regenten nicht
preisen sollte . . . .“
Derartige öffentliche Prüfungen, die besonders seit Basedows grossem Schul-
examen (1776) allenthalben so beliebt wurden, fanden nun jeden1 Herbst statt. Die
tüchtigem Landschulen ahmten sie bald nach. Später wurden sie, um beim Volke
dauerndes Interesse für die Schule zu erhalten, für jede Pfarrei befohlen. „Hiebey
sollen nebst dem Pfarrer die Gemeindevorsteher und, wo Beamten sind, diese gegen-
wärtig seyn, auch wohl benachbarte Seelsorger eingeladen werden.“ So finden wir
z. B. i. J. 1778 bei der Prüfung der Stiftsschüler von St. Florin in Koblenz unter
den Zuhörern: „hohe Adliche, hochwürdige Consistorialräthe und viele andere geist-
und weltliche Standespersonen.“ Ganz abgesehen von dem behördlichen Druck, der
dahinter wirkte, fing die Schulpflege auch im Trierischen bereits an, modern zu werden.
In den Städten und später auch zuweilen in den reicheren Dörfern wurden zu den
Prüfungen eigene Programme gedruckt50). Als Prämien wurden Kleidungsstücke, aber
30) Äusser der in den Zeitungen abgedruckten sind einige Originalexemplare erhalten,
z. B. die Trierer Stadtbibliothek besitzt deren von „sämmtlicher Normalschulen bey den
Vätern Augustiner und Karmeliten“ in Trier (1779) und von Euren (1791). Die Druck-
legung der Programme auf dem platten Lande wurde dem Kurfürsten schliesslich zu arg.
Als i. J. 1790 der Schulmeister Willems in Detzem seinem Landesvater das gedruckte Schul-