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Gesellschaft für Nützliche Forschungen zu Trier [Editor]
Trierer Jahresberichte: Vereinsgabe d. Gesellschaft für Nützliche Forschungen zu Trier — NF 6.1913(1916)

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Die Volksbildung im Kurfürstentum Trier zur Zeit der Aufklärung
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https://doi.org/10.11588/diglit.63227#0052
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A. SCHÜLLER

[90»

Die Volksbildung im Kurfürstentum Trier zur Zeit der
Aufklärung.
(Die Anfänge der modernen Volksschule.)
Von Andreas Schüller,
Pfarrer a. D., Oberlehrer zu Boppard.
(Schl u ß.)

XL Das Lehrerseminar.
„So notwendig der Kirche die Priesterseminare, so notwendig sind
dem Staate die Lehrerseminare.“ „Ohne Errichtung einer Lehrerpflanz-
stätte wird man stets ein mangelhaftes, elendes und hinfällige« Wesen
haben.“ Georg Josef Lang*), Mitbegründer des Koblenzer Seminars. —
„Das Volksschullehrerseminar ist das Herz des ganzen Schulltibes.“
A. Diesterweg.
Das erste geschichtlich bekannte Lehrerseminar finden wir im Mutterhause
der französischen Schulbrüder zu Reims (1684). Etwa ein Jahrzehnt später (1696) gründete
August Hermann Franke in seinem grossartigen Anstaltenkomplex zu Halle das erste
deutsche Seminarium praeceptorum. Der Gedanke der Lehrervorbildung in einem
Seminarium, den übrigens auch Comenius bereits.gefasst und Ernst der Fromme von Gotha
sogar testamentarisch festgelegt und von seinem Nachfolger realisiert wissen wollte, wurde
von hier aus durch Schüler der Franke’schen Stiftung verbreitet. Schiemann, der 1732 in
einer Vorstadt Stettins ein Seminar gründete, war ein Schüler Frankes; Abt Steinmetz,
dessen Anstalt im Kloster Bergen bei Magdeburg i. J. 1735 entstand, war von Schiemann
beeinflusst. Johann Julius Hecker, der i. J. 1747 die Mutterschule aller Realanstalten, die
„Ökonomisch-Mathematische Realschule“ in Berlin^ gründete und 1748 mit derselben ein
Lehrerseminar verband, hat noch die letzwVörlesung Frankes in Halle gehört und war
Lehrer an dessen Seminar gewesen. „Vornehmlich Handwerksburschen • nahm Hecker in sein
Berliner Seminar auf; besonderen Wert legte er auf Seidenbau; die Anstalt sollte nach Friedrichs
des_Grossen_ Anordnung die Ortschaften im Umkreis von 8—10 Meilen um Berlin mit Lehrern
versehen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es dazu hier und da noch einige
wenige ähnliche Veranstaltungen. Es kommen aber in dieser Zeit die Seminarien noch
äusserst sporadisch vor, dazu unselbständig, weil immer verbunden mit einer fremd-
artigen Anstalt (z. B. Waisenhaus), ferner äusserst primitiv, was Ausstattung, Stoff, Anfor-
derung, Schülermaterial angeht. Diesen vorn Orthodoxismus gefassten, von dem recht rea-
listisch durchwehten Pietismus verwirklichten Seminargedanken machte sich besonders nach
Rochows Auftreten der Philanthropinismus mit dem ibn charakterisierenden Feuereifer zu
eigen. Seminare entstanden nun allenthalben im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. In
katholischen Ländern geht die Anregung ihrer Gründung fast überall auf Felbiger zurück.
Felbiger hat die Heckersche Anstalt aus eigener Anschauung kennen gelernt. Er gründete
allein in Schlesien 11 Normalschulen, wie er seine Seminare nannte; nach 1774 plante er
für Österreich eine solche Anstalt in jeder Provinz. Seine Seminare (Norm al schulen) sind
doch von den früheren protestantischen sehr verschieden und tragen durchaus das Gepräge
seines Geistes. Sie sind selbständig, nicht mit einer andern Anstalt als nur mit ihrer
Ubungsschule verbunden, sie sollten sein pädagogisch-methodisches System streng durch-
führen und allenthalben ausbreiten. In Felbigers Schulstruktur sind die Seminare die festen
und unerlässlichen Säulen.

*) Von demselben aus seinem Vorberichte: „Nichts ist heiliger als das Lehramt.“ —
„Man untersuche, warum dei- Prediger immer mit so wenig Nutzen gegen das freche Laster
prediget, warum die Befehle des Regenten oft ungern befolget, oft nur insoweit erfüllt
werden, als sie mit Zwang begleitet sind, warum der Staatsmann, der redliche Beamte, der
Patriot ihre nützliche Plane nicht durchsetzen können, und man wird die Ursache immer
in der allgemein schlechten Erziehung finden.“ (Erinnert stark an Rochow). — „Die ersten
Eindrücke, welche die in dem jungen Körper aufwachende Seele erhält, sind die stärksten
und für das ganze Leben unauslöschlich.“
 
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