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Tylor, Edward Burnett; Sprengel, J.W. [Übers.]; Poske, Fr. [Übers.]
Die Anfänge der Cultur: Untersuchungen über die Entwicklung der Mythologie, Philosophie, Religion, Kunst und Sitte (1. Band) — Leipzig: C. F. Winter'sche Verlagshandlung, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.61304#0041
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Die Entwicklung der Cultur.

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Entwicklung der industriellen Künste, namentlich der Metallver-
arbeitung, der Verfertigung von Gerätlien und Gefässen, des Acker-
baues, der Architektur u. s. w., der Umfang wissenschaftlicher
Kenntnisse, die Bestimmtheit sittlicher Grundsätze, der Zustand
religiösen Glaubens und Ceremoniells, der Grad der gesellschaft-
lichen und staatlichen Organisation, und so fort. In dieser Weise
sind die Ethnographen im Stande auf Grundlage von Vergleichun-
gen wenigstens eine ungefähre Entwicklungsskala der Civilisation
zu construiren. Nur wenige Menschen dürften in Abrede stellen,
dass die folgenden Rassen hier in der richtigen Reihenfolge der
Culturentwicklung stehen: Australier, Tahitier, Azteken, Chinesen,
Italiener. Behandeln wir die Entwicklung der Civilisation von die-
ser ethnographischen Basis aus, so werden sich viele Schwierig-
keiten vermeiden lassen, welche bisher die Untersuchung gehemmt
haben. Dies zeigt ein Blick auf die Beziehung, in welcher die theo-
retischen Principien der Civilisation und die Uebergänge, welche
uns thatsächlich zwischen den Extremen des Natur- und des Cul-
turlebens entgegentreten, zu einander stehen.
Von einem idealen Gesichtspunkt betrachtet, erscheint die Civili-
sation als eine allgemeine Veredlung der Menschheit durch höhere
Organisation des Individuums oder der Gesellschaft, und zwar
so, dass zugleich die Güte, die Stärke und das .Glück des Men-
schen wächst. Diese theoretische Civilisation entspricht in nicht
geringem Maass der thatsächlichen Civilisation, wie sie sich durch
Vergleichung der Wildheit mit der Barbarei und der Barbarei mit
dem modernen gebildeten Leben ergiebt. Soweit wir nur mate-
rielle und intellectuelle Cultur in Betracht ziehen, gilt dies beson-
ders. Kenntniss der Naturgesetze und daneben die Fähigkeiten,
die Natur den Zwecken des Menschen selbst anzupassen, stehen
im Ganzen am niedrigsten bei wilden, auf einer Mittelstufe bei bar-
barischen und am höchsten bei modernen gebildeten Nationen. So
dürfte ein Uebergang von dem Zustande der Wildheit zu dem
unsrigen in Wirklichkeit eben jener Fortschritt der Kunst und
Wissenschaft sein, welcher ein Haupt-Bestandtheil in der Entwick-
lung'der Cultur ist.
Aber selbst solche Forscher, welche aufs Entschiedenste der
Ansicht huldigen, dass der allgemeine Gang der Civilisation, wie
er uns in der Skala der Rassen von Wilden bis zu uns herauf
entgegen tritt, ein Fortschritt zum Vortheil der Menschheit ist, müs-
sen viele und mancherlei Ausnahmen anerkennen. Weder die in-
 
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