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Tylor, Edward Burnett; Sprengel, J.W. [Übers.]; Poske, Fr. [Übers.]
Die Anfänge der Cultur: Untersuchungen über die Entwicklung der Mythologie, Philosophie, Religion, Kunst und Sitte (1. Band) — Leipzig: C. F. Winter'sche Verlagshandlung, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.61304#0214
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Sechstes Kapitel.

der Erde vor uns sehen, scheinen etwa folgende gewesen zu sein.
Die Menschen haben ihre eigenen Gefühlsäusserungen oder Inter-
jectionen, die Rufe der Thiere, die Klänge musikalischer Instrumente,
die Laute des Jauchzens, Heulens, Stampfens, Brechens, Reissens,
Kratzens und so fort, welche täglich an ihr Ohr treffen, nach-
geahmt, und in diesen Nachahmungen haben unbestreitbar viele
Wörter der Sprache ihre Quelle. Aber diese Wörter weichen in
der Form, wie wir sie finden, oft weit, ja oft so weit, dass wir
sie nicht mehr erkennen können, von den ursprünglichen Lauten,
aus denen sie entstanden sind, ab. An erster Stelle kann die
menschliche Stimme die Laute, welche das Ohr vernimmt, nur
sehr ungenau wiedergeben; die Zahl der möglichen Vokale ist im
Vergleich mit den Naturlauten sehr beschränkt, und die Consonanten
sind als Mittel zur Nachahmung von Naturgeräuschen noch unbe-
holfener. Ausserdem gestattet die Stimme dem Menschen selbst
nur den Gebrauch eines Theiles dieser unvollkommenen Nach-
ahmungsgabe; denn wir sehen ja, dass jede Sprache in ihrem
eigenen Verkehr sich auf eine kleine Anzahl gegebener Vokale
beschränkt, denen sich die Nachahmungslaute anzupassen haben;
und indem sie so zu conventionellen articulirten Wörtern werden,
geht natürlich zum Theil die Genauigkeit der Nachahmung ver-
loren. Keine Klasse von Wörtern hat ihren Ursprung vollständiger
in der Nachahmung als jene, welche einfach als Stimmnachahmungen
von Naturlauten gelten sollen. Einige Beispiele mögen zeigen, wie
gewöhnliche Alphabete in gewissem Grade mit Geschick, in
manchen Beziehungen aber auch recht ungeschickt diese Naturlaute
niederschrieben. So bezeichnet der Australier das Aufschlagen
eines Speeres oder einer Kugel mit tup; der Sulu sagt, wenn eine
Kalabasse getroffen wird, es sage bu: die Karenen hören die
flatternden Geister der Verstorbenen in der klagenden Stimme des
Windes re re, ro ro rufen; der alte Reisende Pietro della Valle
erzählt uns, wie der Schah von Persien über Timur und seine
Tataren spöttelte, mit ihren Pfeilen, welche ter ter machten; gewisse
buddhistische Ketzer behaupteten, das Wasser sei lebendig, denn,
wenn es koche, sage es clwhxtä clütichita, ein Lebenszeichen, welches
zu manchen theologischen Streitigkeiten über das Trinken von
warmem und kaltem Wasser Anlass gegeben hat. Wenn schliess-
lich Lautwörter in das allgemeine Inventar der Sprache aufge-
nommen sind, so müssen sie deren organischen Umwandlungen
folgen und im Laufe des phonetischen Ueberganges, der Com-
 
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