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Verein für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben [Editor]
Ulm, Oberschwaben: Korrespondenzblatt des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben — 1.1876

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Nr. 12
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Ulmische Häuser
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Caspart, Pf.: Nachträge zu Klemm, Beschreibung der Geislinger Stadtkirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.52608#0103
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97

langen, dass die Hausmeister der evangelischen
Confession angehören sollten, an dem energi-
schen Protest der vereinigten geistlichen Höfe
und an einem von ihnen ausgewirkten kaiser-
lichen Machtspruch.
Im Jahr 1709 wurde die Reichspost in den
Elchingerhof verlegt, woselbst sie verblieb bis
zum Jahr 1812, wo ihre Verlegung in den
vormaligen Salmansweilerhof, Lit. A 300, dem
heutigen Kronprinzen, gegenüber, erfolgte.

Nachträge zu Klemm, Beschreibung der
Geislinger Stadtkirche. Corresp.-Bl. I, 8.
i.
Das von einem Engel gehaltene Wappen-
schild mit dem Doppelkreuze, worunter eine
Krone und Lilie sich findet, ist sicher nicht das
des Spitals, sondern des Königreichs Ungarn.
Genauer weist auf König Ludwig von Ungarn
und Polen aus dem neapolitanischen Hause
Anjou der Schild mit 10 Lilien hin und der
(polnische) Adler.
König Ludwig von Ungarn, zuvor Schwa-
ger Kaiser Karls IV, war seit 1353 durch seine
Heirath mit einer altern Tochter des Fürsten
Stephan von Bosnien der Schwager der Gräfin
Maria von Helfenstein, geb. Herzogin von
Bosnien, und Taufpathe ihres ältesten Sohnes
Ludwig, der später in den JJ. 1383—94 Erz-
bischof von Colocza in Ungarn war. Das Wap-
pen mag schon vor Erbauung des Chors ir-
gendwo in der Kirche oder auch in der Schloss-
kapelle auf Burg Helfenstein angebracht und
erst nach Vollendung des neuen Chors in dem-
selben angebracht worden sein.
Zu dem in den Versen des Chorgestühls
genannten Geislinger Stadtpfarrer G. Osswaldt,
„bifidi juris Doctor“, habe ich zu bemerken,
dass die Geislingei' Familie, der er angehörte,
noch heute in Stubersheim blüht (wo sie min-
destens seit 1565 auf einem Geislinger Spital-
hofe sitzt) und über Bräunisheim, wo der
älteste derselben im vorigen Jahre- 85 J. alt
starb, einen Zweig nach Geislingen und einen

nach Ulm getrieben hat. Ein Verwandtei’ dieses
letzten kath. Stadtpfarrers kam wohl mit dem
genannten Grafen Ludwig oder mit seiner
Schwester Maria nach Ungarn, wo er zu Kö-
nigsberg am Granfluss das letzte mittelalterliche
Hohenstaufenepos schrieb, den verlorenen Kai-
ser Friedrich (cf. Uhlands Sehr. Bd. 7, S. 590 f.).
Uhland versetzt den Verfasser, den „Schreiber
Osswalt“, noch in das 14. Jahrhundert, also
wohl gegen den Schluss desselben. Es ist diess
die Zeit, wo die bosnische Maria auf ihrer Burg
oberhalb Ueberkingen, die (O.-A.-B. S. 243) auf
einem majestätischen Felsenvorsprunge des Alb-
randes nahe bei Türkheim lag und im Bauern-
kriege zerstört wurde, zu wohnen pflegte, ihr
Sohn Ludwig aber als Erzbischof von Colocza,
und ihre Tochter Maria, an einen ungarischen
Edelmann verheirathet, in Ungarn lebten.
Dass der Schreiber Osswalt zu Königsberg
in Ungarn ein Sprössling' der Geislinger Fa-
milie Osswaldt möchte gewesen sein, wird
durch den eigenthümlichen Umstand noch
wahrscheinlicher, dass die Heidelberger Papier-
handschrift 844, welche das Gedicht Osswalts
enthält, die gleiche Jahreszahl 1478 als Zeit
der Abschrift trägt, wie die Papierhandschrift
der königl. Handbibliothek zu Stuttgart, welche
die gleichfalls im 14. Jahrh. gedichtete Hohen-
staufensage Friedrich von Schwaben enthält
und im Jahre 1478 von Johannes Lebzelter,
Gegenschreiber am Zoll zu Geislingen, ge-
schrieben wurde. (Uhlands Schriften Bd. 7,
S. 482.) Dieser Mann könnte sehr wohl als
ein Freund der alten Dichtung und Sage beide
Dichtungen abgeschrieben haben, vielleicht da-
durch veranlasst, dass er die Dichtung Oss-
walds bei dem Stadtpfarrer, dem gelehrten
Haupte dei' Familie Osswald in Geislingen, fand.
So scheint mir das königl. ungarische Wap-
pen an dem Chorfenster der Geislinger Stadt-
kirche ein weiterer Hinweis darauf zu sein,
dass jener Dichter Osswalt, der zu Königs-
berg (an dem Granflusse) in Ungarn von dem
verschwundenen Staufenkaiser sang, ein Geis-
linger war.
Sülzbach bei Weinsberg.
Pf. Caspart.
 
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