Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Frankfurter Zeitung — 1886

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17444#0002
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Morgrnblall der Frankfurter Irltung.

2. Srtte Klr. 2is.

Zum Schluß gibt der Herr Staatssekretär dem Wunsch
einer gütlichen Verständigung zwischen Aerztevereinen und
Krankenkassen Ausdruck und glanbt, daß die Geneigtheit zu
einsr solchcn Verständigung zunehmen wird, wenn sich in ärzt-
lichen Kreisen die Ueberzeugung Bahu brichh daß das Krauken-
versicherungsgesetz ksineswegs nur Gefahren für die wirthschast-
liche Lage dcs ärzllichen Standes in sich birgh vielmehr auch
zur nachhaltigen Verbesserung dieser Lage beizutragen geeignet
ist. Die sortschreitende Durchführung des Gesetzes werde eiue
erhebliche Vermehruug der ärztlichen Kräste erforderlich machen
und ebenso werde die völlig unentgeltliche Hülseleistung. welche
bisher in zahlreichen Fällen thatsächlich für die Aerzte unver-
meidlich war, mehr und mehr beseitigt werden. Hierdurch
dürfie der Nachtheil einer geringeren Vergütung der ärztlichen
Leistungen bei der Kassenpraxis als bei der Eiuzelprnxis min-
desteus aufgehoben werden.

Berlin, I.August. Jn der „Halle'schenZeitung" befür-
wmtet Herr v. Rauchhaupt eiue Branntweinsteuer
von 80 Pfg. pro Liter, bei gleichzeitigem Erlaß vou 10 pCt. der
Maischramnsteuer. Der produzirte Spiritus unterliegk in den
Bremiereien steueramtlichem Verschluß; das Reich stellt den
SpirituSproduzenten steuerfreie Lager zur Verfügung, in welche
dieselben deu Spiritus unter Rundung der Maifchraumsieiier
eintagern können. Herr von Rauchhaupt bemerkt dabei: „Man
hat diesem Vorschlage deu Vorwurf gemacht, daß der Rohspiritus-
Produzent dadurch völlig in die Händs des Spiriiushändlers
komme, man hat hierbei von Händler-Monopol gesprochen. Der
Vorwurf kann nur anerkannt werden für diejeuigen Breimer,
welche fich jeht fchou so weit im Debet bei den Händlern be-
finden, daß sie von denselben nicht loskommen können. Sonst
bietet das steuerfreie Lager den Spiritus-Produzenten gerade im
Gegentheil den cminenten Vortheil, daß er einerseits die
Maischraumsteiiec uicht sofort zu bezahlen Lraucht, andererssits
daß er sich vom Händler loszumachen im Stande ist, indem er
auf deu Depotschein soviel Kredit erhalten kann, als er zur
Führung seiner Wirthschaft braucht. Die Neichsbank, welche
leider ihre Aufgabe dem Grundbesitze gegenüber nur sehr unge-
nügend erfüllt, würde die betreffendcn Lombard-Darlehne jeden-
falls billiger gewähren, als der Händler die Vorschüsse
dem Brenner gegenwäriig gibt. Hier liegt grade der
Hauptkrebsschaden des Brennerei-Gewerbes, daß die Vrenner
in dieses Abhättgigkeits - Verhältniß von den Händleru uiid
Nektifikatcuren gerathen siud. Darum ist der Eedanke, welchen
viele Brenner jetzt verfolgen, der Errichtuug eigencr Lagerhäuser,
ein an sich richtiger, die Errichtung ist aber Sache des Reichs,
wenn lehteres die Konsumstcuer einführen will. Diese Steusr
würde sonsi auf den Produzenten abgewälzt werden, wns vollends
zur Vernichtung dieses landwirthschaftlichen Gewerbes führen
würde. Man fieht, es liegt eine Möglichkeit vor, zu einer Ver-
ständigung zu gelnngen, weun man nur den guten Willen hat.
Seither haben aber die Vertreter des Reichs und die Vertreter
der Landwirthschaft uncrfüllbars Forderungcn gestellt und die
Bertreter der Konsumenten habcn übertriebene Befürchtungen in
das Publikum geworfen. So ist die ganze Reform seither ge-
fcheitert. Die einschlagenden Jnteressen sind aber gegenwürtig so
weit geklärt, daß sich niit dem Neichstage selbst in seiner jetzigeu
Zusammensctziiiig ein brauchbares Gesetz wird zu Stande bringen
lassen." Wir uehmen von dieseu Auslasfimgen vorläufig Notiz
und bemerken dabei, daß diese Vorschläge schon um deßwillen fo
lange nur theoretischen Werth haben, bis audere Konservative
dieselben aufnehmen, weil Herr v. Rauchhaupt derzeit überhaupt
nicht Reichstagsmitglied ist.

!»-' Berkin, I. August. Bei der Nevision des Pa-
teut-Gesetzes wird auch die Frage zur Beantwortung ge-
langen müssen, ob, wenn der wesentliche Jnhalt einer Patent-
anmeldung den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Eeräth-
fchasten oder Einrichtiingen eines Anderen oder einem von diesem
angewendeten Verfahreu ohne Einwilligung eutnommen ist, dem
Verletzten wie bisher (nach Z 8 des Patentgesetzes) nur das Recht
zustehen soll, durch seinen Einspruch die Ertheilnng des Patents
zu verhindern, oder ob er befugt sein soll, auf Grund der er-
solgten Anmeldung die Ertheilung des Patents für sich zu ver-
langen. Der Verein deutscher Jngenieure und der Verein zur
Wahrung der Jnteressen der chemischen Jndustrie Deutschlands,
deren Beschlüsse der Revisionskommisfion vorliegen werden, haben
übereinstimmend beantragt, dem Z3 den Zusatz zu geben: „Der
Anspruch auf Ertheilung des Patents geht alsdann auf diescn
über, unbeschadet der Wirkung inzwischen eingetretener Veröffent-
lichungen oder offenkimdiger Benntzungen." JmFalle, daß dieser
Zusatz zur Annahme gelangen sollte, würde aber die weitere
^Frage fich anreiheu, ob die Verhandlung und Entscheidung über
einen solchen Anspruch dem Patentamt zu übertragen, oder, als
dem civilrechtlichen Gebiete angehörig, an den ordentlichen
Nichter zu verweisen sein würde. Jst auf Grund einer Anmel-
dung, deren wesentlicher Jnhalt dem Eigenthum eines Nnderen
unbefugt entlehnt ist, ein Patent endgültig ertheilt, nachdem der
Geschädigte die rechtzsitige Einlegung des Einsprnchs versäumt
hat, so ist derselbe nach Z 10 Absatz 2 des Gesetzes nur berech-
tigt, auf die Nichtigkeitserklärung des Patents anzutragen. Jn
Konsequenz der aiigeregten Abänderung des § 3 würde dann
ferner auch noch die Fräge zu stellen sein, ob dem Eeschädigten
daneben noch ein Anspruch auf Uebertragung des Pantents bei-
zulegen, und eventuell, vor welchem Forum ein solcher Ansprnch
geltend zn machen wäre.

—II. Dresden, I.August. Herrn v. Puttkamer's Aus-
jegung desSozialistengesetzes begegnet, er darf sich desscu sreuen,
auch anderwärts feinem Verständniß, die Berliner Handhnbuug
hat bereits Schule gemacht. Am So.nnabend sprach der aus
Berlin ausgewiesene sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete
Paul Singer iu der hiesigen Centralhalle vor einer circa
1500 Köpfen zählenden Versammlung über „die sozial-
politische Lage Dcutschlands", indem er die Stellung
und das thatsächliche Verhalten der einzelnen Parteien vor den
Wahlen und bei der Abstimmung im Reichstage zur Sozial-
reform kritisch beleuchtete und aus das bisherige geringe Er-
gebniß des in dieser Beziehung wirklich Erreichten hinwies.
Man müsse nach den geniachten Erfahrungen zu der Ueber-
zeugung kommen, daß es weder den herrschmden Parteien uoch

zelheilen von entschiedmerSchönheit uud ist durch jene gewisse
stille Vornehmheit charakterisirt, die ztvar kalt läßt, aber auch
nicht heraussordert; eine Stimmuug, die der feierlichcn Be-
stimmuug solcher Aula wenigstens nicht widerstrebt. Von der
kassetirten Decke grüßm aus vier Mcdaillons die allegorischen
Verkörperungen der vier Fakultäten mit mtschiedmer Lmchtkraft
hernieder, währmd rmgSum an der Galleriebrüsiuug aufkleinm
Schildern die Namen von zweiunddreißig Professoren, die als
besondere Lmchtm dcr Wissenschast gewirkt habm, mit goldmen
Lettern aufgezeichnet stehen: tch nerme aus alterZeit den ersten
Rektor dcr Universität Marsilius von Jnghm, die Verfasser
des Heidelberger Katechismus, Olevianus und Ursinus, und
Sebastian Münster, dm Geographen; aus neuer und neuester
Zeit die Juristen Thibaut, Mitlermaier, Vangerow, R. von
Mohl und die Historiker Schlosser und Häusser. Die vor
einigen Tagen in dieser neuausgestatteten prächtigen Aula von
Frauen und Jungfrauen Heidelbergs der Studentenschast ge-
stiftete Fcchue hat auf der Gallerie eine passende Aufstellung
gefuiiden, so daß das reich gestickte Ehrenzeichen jetzt frei zum
Saal herniederflaggt. Am Dienstag wird hier, Morgens
11 Uhr, der sestliche Empfaug der Deputationm durch Rektor
uud Senat in feierlicher Sitzung stattfinden.

Wie die Umversität sind auch die sonstigm wissenschaftlichen
Jnstitute, das Rathhaus und die anderen ösfentlichen Gebäude
reich mit Fahnen, Guirlanden uud Draperien geschmückt; ebenso
verschiedene Brimneu. Der alte Herkules auf dem großen
Bruiinm vorfin Rathhaus mag fich nicht tvenig gewundert
haben, als er neulich Morgcns unter sich statt der ihn spiegeln-
deu Wasserfläche üppige Schilsgewächfe und aus diesm hervor
vier Wassernixen in Stellungen zu ihm emporgrüßen sah, wie
sie sonst nur die berusensten Darstellennnen vcm Moßhilde,
Wellguudc uud den andern Rheintöchtern in Wagner's „Rhein-
gold" einzunehmen im Stande sind, welche Aehnlichkeit noch
dadurch verstärkt ward, daß ihre romantische Unbekleidetheit
in der Farbe durchaus an diejenige der Theatertrkots in
ähnlichen Siluationm erinnerte. Zu Gunsten der Seelenruhe
des alten vielgeplagten Halbgottes hat mnu nachträglich ein
Einschen gehabt und den allzu uaturalistischen Reiz der ihm
bereitcten klasstschen Walpurgisnacht dadurch gemindert, daß
man die schmiegsamen Leiber der Neckarnixm etner abtönenden
Brouzirung nachträglich uoch miterwarf. Etwas humoristisch
wie diese Brunnenverzieruiig wirkt auch ein sehr ecust und
rhrlich gemeintes Transpareut an einsm der ersten Hüuser der
Hauptstraße; derSpruch lautet; „Die Jntelligmz hat gesiegt."
Bssonders reich sind natürlich die Schaufenster der Geschästs-

der Regiermig Ernst sei mit einer wahrhaften sozialen Reform.
Als der Redner hierbei sich in einer Kritik des Bundesraths
erging und demselben unter Hinweis auf den Einfluß des
Reichskanzlers die Selbstständigkeit der Entschließungen sowie
Verständniß sür die sozialeu Aufgaben absprach, erfolgte die
Auflösung der Versammluug durch den überwachenden
Polizeikommissar, nachdem derselbe zuvor dem den Vorsitz
führenden Abg. August Bebel bedeutet hatte, daß Singer's
Ausführungen geeignet seien, den Bundesrath veröchtlich zu
machen. Jn Wahrheit war der betreffende Passus eine Kritik,
wie man sie täglich auch in liberaleu Blättern lesen kann.

fifi Leipzig, 3l. Juli. Eine Versammlung der Buch-
drucker, welche für gestern Abend nach dem Krystallpalast be-
rufeu war, mochte von etwa 1000 Gehilfen besucht sein. Herr
Rosen, Vorsitzender der Tarifrevisionskommiision für Deutsch-
lands Buchdrucker, erstattete Bericht über diejallgemeiue Lage und
die Resultate einer Sitzmig der zu jener Kommission gehörenden
Gehilfen. Der Tarifentwurf erstrebe Verminderung derArbeits-
zeit um 1L Stunde, Erhöhimg dei Grundpofitionen um 10 pCt.,
Aufstellung einer Lehrlingsskala, Umwandlung der Tarifrevisions-
kommission in eine Tarifüberwachungsbehörde, Feststellung über
bessere Bezahlung solcher Arbeiten, die ein größeres Wissen vor-
aussetzen, und speziellere Detailliruug der komplizrrteren Arbeiten.
Zur eudgiltigen Vereinbarung über alle disse Punkte sollen am
17., 18. und 19. August im kleinen Saale der Buchhändlerbörse
Berathungeu zwischen Prinzipalen und Gehilsen stattfmden. Jn
der an Herrn Rosen's Vortrag sich anschließenden Debatte, die
zuweileu eineu äußerst lebhaften Charakter annahm, gab mau im
Allgemeiuen seine Befriedigung uber die geschaffene Lage zu
erkeimen, uud namentlich betonte man, daß soweit nur irgend
möglich mit den Prinzipalen gemeinschaftlich verhandelt werden
solle. Eine von dem Neferenten vorgeschlagene Resolution: „Die
Gehilfenschaft Leipzigs spricht zwar ihr Bedauern darüber aus,
daß die Lage der dentschm Buchdruckergehilfen ein vollständiges
Eingehen auf dle Leipziger Forderungen nicht gestattet, erkennt
aber vn, dnß die Forderungm der Minderheit sich den Jnteressm
der Gesammtheit unterzuordnm haben; ferner erklärt die Gehilfen-
schaft Leipzigs nicht nur ihr volles Einverstäiidnitz mit dem ge-
schaffenen Entwnrfe, sondern sie macht fich auch verbindlich, erfor-
derlichmfalls in mergischer Weise für die Durchführung desfelbm
einzntreten", wurde einstimmig angenommen. Ebenso wurde eine
Erklärung, welche Herr Nosm vorfchlug, in welcher Beseitigimg
des Haders unter den Gehilfen gefordert wurde, nach kurzer Dis-
knfsion eiiistimmig aiigenomnieii. Der friedliche Geist, welcher
die Verfammlung beseelte nnd auf den das Referat des Herrn
Rosm nicht unwesmilich eingewirkt zu habm scheint, läßt einen
guten Berlauf der Berhandlungen mit den Prinzipalen mit
Sicherheit erwartsn.

4: Frankfurt, 2. Aug. Die „Köln. Z t g.", welche mit
ihrem Angriff auf uns in Sachen ihres Korrespondenien Mar-
quardsm so wenig Glück gehabt hat, macht nunmehr eine Diver-
sion auf ein anderes Eebiet, indem ste sich darüber beklagt, daß
wir in einem Artikel „Paris 28. Juli" in Nr. 211 Abmdblatt
sie nicht „wenigstens mit einer leisen Andentung als
Fundstatte Lezeichnet hätten." Die „Kölnerin" weiß wohl, wnr-
um ste sich mit einer „leisen Andentimg" begnügen sollte. Es
handelt sich nämlich nicht um irgend eine Originalnachricht der
„K. Z-", sondern um Notizen, welche sie selbst anderen Blättern
und zwar theilweise mit („Jntransigmt"), theilweise ohne Quel-
lenangabe („Journal de Bruxelles) entnommm hatte. Jn der
Regel ist es nicht Gebrauch bei kurzeii Nachrichten, die aus einem
auderm Blatte übersetzt sind, auch die übersetzende Zeitnng als
Quelle anzugeben. Kein Blatt ist gewissenhafter im Citiren sei-
ner Quellen als die „Frankf. Ztg." Jn dem vorliegmdm Falle
aber hat die „K. Ztg." gewiß kein Recht, sich über uns zu be-
schwerm. Geradezn unverschämt nber versährt das „Frankfurter
Journal", indem eZ dm Angriff der „Köln. Ztg." übernimmt
und aus Eigenem noch eine bewußte Unwahrheit hiuzufügt,
obgleich das „ Frankfurter Journal" in seinem Morgen-
blatt Nr. 386 einen Theil des nämlichen Artikels der
„Köln. Ztg." derselben ebenfalls ohne Ouellmangabe entnommen
nnd sogar niit deni Zeichm einer Pariser Originalkorrespondenz
versehen hat. Wer wie das „Fr. Journal' wiederholt des unbe-
fugten Nachdrucks von Telegrammen und der Telegrammsabri-
kation überführt ist, sollte sich doch hüten, fich selbst in der
Anderen gelegten Schlinge zu fangen.

Kefjvrreich-NngM. n°

4: Die „P. C." erhült folgsnde offiziöse Auslassnngen aus
Pest: „Dm wichtigsten Gegenstand der im September zn er-
ösfnenden letzten Session des ungarischen Reichs-
tags werden selbstverständlich die Ausgleichsvorlagen bilden.
Die verschiedmen Parteim dcs Abgeordnetenhanses werdm im
Hinblick auf die im nächsten Jahre staitfindenden allgemeinm
Neuwahlen bemüht sein, rechtzeitig für fich Stimmimg zu machsn,
so daß sich ein bewegter, vielleicht stürmischer Verlaus der Ses-
fion voraussehm läßt. Trotzdem ist es kaum zu besorgm, daß
die Ausgleichsvorlagm auf besondere Hindernisse stoßen werden
nnd es ist mit Wahrschsinlichkeit anzuiishmen, daß dic Opposition
an Stelle der Ausgleichsvorlagen, wslche stch für eine parlnmcn-
tarische Kampagne nicht besonders ausbeutm lassen, andere
Fragm zur Zielschcibe ihrer Angriffe machen werde, wie die
neuerdings anfgetaiichte sogenaniite Heeresfrage. Die gemäßigte
Oppofition hält sich hierbei nicht so sehr an das Wesen dieser
Sache, sondcrn es ist ihr hauptsächlich nur nm einen Anhalts-
punkt sür Angriffe gegen die Regierung zu thun. Es ist auf-
fällig, daß das Organ der genannten Partei, welches anfänglich
in Betreff der „Armeefrage" selbst die extremstm Blätter an
Heftigkeit der Sprache übertraf, mit einem Male andere
Saiten anzuschlagm begann und nunmehr erklärt, daß
der Hauptredner der gemäßigtm Opposition in der ge-
plantcn Volksversammlung aus dem Erunde nicht erscheinm
werde, weil das Programm dieser Versammlung keinen direkten
Angriff gegen die Regierung enthaltc. Wenn man sich an die
Rede erinnert, mit welcher der gegmwürtig einzige Führer der
gemüßigtm Opposition seinen Standpunkt in der Armeefrage im
Reichstag gekmnzeichnet hat und damit die gegenwäriige Taktik
dieser Pariei vergleicht, ist es unmöglich, zu verkmnm, daß die
gemäßigte Opposition einer offenm Stellungnahme in der Frage
selbst aus dem Wege gehen und sich lediglich auf persönliche
Angriffe gegm die Regierung beschränkm möchte. Die üußerste
Linke nimmt entschiedmste Stcllnng in der Armeefrage und ver-

läden dekorirt, deren bunte Auslage oft den Beweis liefert,
daß Heidelberg nicht nnr ingmiöse, sondern auch industriöse
Köpse unter seinen Einwohnern zählt. Die sehr bedeutende
mannigfaltige JnbiläumÄiteratnr, zu welcher die Winter'sche
Universitäts-Buchhaiidliing nnd die von Bangel u. Schmitt
(O. Petters) sehr gehaltvolle und schön ausgestattste Werke
geliefert haben, habe ich dabei nicht im Ange; vielmehr eine
umfängliche Spekulation in anderen Jubiläumsgegenständm,
wie Denkmünzen, Schleifen, Spitzen, Bierseideln, Tischdecken
u. s. w„ sogar ein Jubiläums-Bier und eine Jubiläums-Fest-
cigarre wird feilgeboten.

BcsonderS liebevoll und reich stnd natürlich diejenigen
Wirthschaften dekorirt, in denen eine der akademischcn Verbin-
dungm ihre Stammkneipe hat, und die dazu gehörigen Gär-
ten, in welchen vielfach für das seuchtfröhliche Treiben der
Verbindungsgenossen nnd ihrer „alten Herren" eigens größere
Festlichkeiten erbaut worden sind, die natürlich in den Farben
der betreffenden Verbindung prangm. Heidelberg hat zur
Zeit fünf Corps, die Sueven mit gelben Mützm, die Guest-
phalen mit grünen Mützen, die Saxoborussm mit weißm
Stürniern, die Vandalen mit carmoisinrothen Mühen, die
Rhenanen mit dunkelblauen Mützm, ferner zwei Burschen-
schaften, von denen die Allemanm in rothen Mützen, die
Frankonen tn carnwisinrothen Stürmern einherziehm; die
frommen Wingolfiten bedecken ihr Haupt mit der Farbe der
Unschuld. Nebm diesen eigmtlichen Farbenverbindungen gibt
es noch 8 gesellige Vereine, deren Mitglieder in sester Ge-
schloffenheit ihre Mußestnndm gemeinsam verbringen; unter
ihnen ist die „Hamburger Gesellschaft" die älteste, welche ebenso
wie die „RupeAia" viele Franksurter unter ihren alten Herren
zählt. Außerdem gibt es noch sechs wissenschastliche Vereine
und drei akademische Gesellsckmften, die keinen korporativen
Charakter haben. Die Gesammtheit der Heidelberger Studentm
findet ihren korporativen Ausdruck in dem „Ausschuß der Slu-
dmtenschaft", welcherdie gemeinsamm Jnteressen nach außm zn
vertreten hat und der sich zusammensetzt aus je einem Vertreter
sämmtlicher beim akademischen Senat angemeldcten Korpora-
tionen und aus acht Vertretern der „Finkmschaft", der nicht
korporativm Studenten. Fast alle die genanntm Vereine haben
ihre Stammlokale mit eigener, ost sehr reicher Ausstattung;
die Korps haben sogar eigene wohleingerichtete HLuser, von
dmen zwet, nämlich diejenigm der Susvia und der Guest-
phalia, bsi der Jubelseier ihre Weihe erhalten. Das erstere
ist in d«n Anlogen, nahe der gothischen UniversitätSkirche schön

biiidet damit selbstverständlich die heftiqste Oppofitivn geqen die
Regierung; sie bemüht sich, die Bevölkerung für ihre Anschau-
ungen betreffs der gemeinsamen Armee zu gewinnen und sucht
gleichzeitig diese Frage in jeder Richtimg gegen die Regierung
auszubeuten. Jn der ganzen mit der Armeefrage zusammen-
hängenden Vewegnng fällt somit die Hauptrolle der äußersten
Linken zu, unter dcren Führern übrigens, wie dies in verschiede-
nen Erscheinungen zu Tage tritt, betreffs der Leituiig imd der
Richtung der Aklion wesentliche Meinungsverschiedcnhelten be-
stehen."

Urankreich.

Paris, 1. Augusi. Der Ministcr des Unter-
richts nnd der Schönen Künste hat an dm Pariser
Gemeinderath folgendes Schreiben gerichtet:

„Paris. 27. Jnli 1886. Herr Prästdent! Wie Sie mich
darum ersucht hatten, unierbreitete ich heute dem Ministerrathe
den Entwurf, betr. *dis Errichtung eines Denkmals
der frnnzösischen Revolution in Paris. Der Mi-
nisterrath erachtet, es sei nicht möglich, über die Betheilignng
des Staates nn einem solchen Denkmale schlüssig zu werdeu, so
lange der Plan nicht reiflich sowohl im Hinblick anf die
Kosten, als auch insbesondere anf den Charakter erwogen
worden ist, welchen mnn dem Denkmnl geben will, und auf die
Erimierungen, die es zu verewigen bestimmt ist. Was den Platz
betrifft, den Sie bezeichnet hatten, nämlich die Siätte des ehe-
maligen Tuilerienpalastes, so ist bcmerkt worden, er scheine für
den Gegenstand, den Sie verfolgen, allzu beirächtlich und es
seien schcn oft Vorschläge gemacht worden, ihm eine andere Be-
stimmnng zu geben. Der Staat wäre olso nicht geneigt, ihn zu
Eunsten des Projekts, das Sie beschäftigt, zn vcräußein. Jhrem
Wunsche gemäß beeile ich mich, Jhnen diese Antwort zn über-
mitteln, nnd bitie Sie, die Versichernng meiner Hochachtimg zu
genehmigen. gez.: Goblet."

Dieser Brief, welcher gestern im Pariser Gemeinderathe
zur Verlesimg kam, wurde mit Murren ausgenommen und
man beschloß, bei dem Plane zu verharren.

* Ptlkis, 1. August. Der bereits mehrfach envühnte
Brief des KriegsministersBoulanger an den
Herzog von Aumale lautet nach dem „Journal des
Debats" vollständig folgendermaßen:

„7. Armee-Corps

13. Division Belleh, 8, Mai 1880.

25. Brigade

133. Jiifanterie-Regiment.

Der Oberst.

Monseigneur!

Sis sind es, der meine Veförderung znm Eeneral vorge-
schlagen hat; Zhiien verdanke ich meine Enieimniig. Daher bitte
ich Sie, Lis es mir vergönnt sein wird, Jhnen mimdlich Lei
meiner nächsten Reise nach Paris meinen lebhafien Dnnk darzu-
bringen, den Ausdriick desselben genehmigen zn wollen. Jch
werde jederzeit stolz sein, u n t e r e i n e m F ü h r e r,
wieSieessind,gedientzilhaLen, und geseg-
net wäre der Tag, der mich unter JhrKom-
mnndo zurnckriefe,

Geruhen Sie, Monseigneur, die Versicherung meiner tiefsten
und ehrerbietigsten Hiiigebniig entgegennehmeii zn wollen.

Gcneral Bonlanger.

An Monseigneur den Herzog von Aumale
in Paris."

Jn der Kammersitzuiig vom 13. Jnli hatte dagegen Bou-
lnnger erklärt, daß er znm General ernaniit worden sei, als
der General Wolff das 7. Armce-Korps kommandirte nnd
General Farre Kriegsminister war. „Jch sehe daher nicht",
schloß Bonlangcr, „was der Herzog von Aumale bei meiner
Ernennung zu thun gehnbt haben soll."

Aer Aufstnnd in Tiree.

XX LonSon, 3l. Juli.

Jm hohen Norden Schotllands, auf der Jnsel Tiree,
sind, wie schon genieldet wnrde, die Streitkräste Jhrer britan-
nischcn Majestät damit beschäftigt, eine lokale Anflehnung der
gesammten Einwohnerschaft gcgen die Majestät des Gesetzes
mederzuwerfm nnd dieselben dnrften — hoffentlich ohne Blut-
vergießen — schon in dm nächsten Tagen einen Sieg über
die Aufstäildischm crringen. Dieser an sich unbedcutende Vor-
sall ist ein ueuer Beweis dafür, daß die agrarische Frage, sei
es Min in Jrland, Schottland oder in England, nicht
zu Gnnsten der Großgrundbesitzcr allein gelöst werdm darf.
Diejenigen, welche glaublen, daß die im letzten Parlammt
znm Gesetz gewordcne Croftcr-Bill die Kleinbanern in Schott-
land und auf den Jnseln befriedigen werde, haben sich geirrt.
Die den Kleinbauern gemachten Zngeständnisse warcn zu Le-
schränkt und die Bestimmnngen zur Aussühning dersclbcn so
verwickelt und ungemüthlich, daß die armen Leule in ihrer
Einfalt stch einbildeten, das briiische Parlamcnt wolle sie zum
Besten haltm. Der chronisch gewordene Nothstand in den
Hochlanddistrikten hat eben seinen Urspnmg dnrtn, daß weite
Streckkii Landes theils zu komiiierziellcii Zweckm, theils zum
Sport für die Landlords den Crosters weggenonimen wordm
sind, dencn in Folgc davon kaum Land genng gelassen ist,
um ein elendes Dasein zn sristen. Natürlich behanptcn die
Landlords, daß das zu Rehgehegen verwendcte Land zum Anban
nichts taugt — obschon erwiesen ist, daß die zähen Bergschafeder
Crosler und ihr schwarzes Hornvieh früher gar wohl leben
konnten, da, wo jetzt die Rche umherschweifm. Außerdem
haben die schotiischen Landlords die britischen Großgrund-
besitzer sich zum Muster genommen nnd ziehen es vor, das
Land in größerm Komplexen zu verpachten. Dicses hai vieler-
orts zur Folge gehabt, daß die Kleinbauern von dm Triften
weg an das Meecesufer gcdrüngt worden sind, wo natürlich
der Boden weniger srnchtbar und das Leben womöglich noch
kümmerlicher rmd harter ist, als im Jnnern.

Einem solchen Vorsall verdankt die kriegerische Expcdition

anf einem Termffenbau gelegen, auf wrlchem stch anch ein
Garten befindet. Noch günstiger liegt das neue Westphalen-
Haus, das, ebenfalls von Garten umgeben, aus einem Bor-
sprnnge des Schloßabhangs mit Erkern, Wimpcrgen, Strebe-
pfcilern und hohen Giebcldüchem sich stölz emporrcckt. Jn
diesen Häusern wie in dc» Stammkneipen fast aller älteren
Verbindungen fehlt es nicht an dekorativem Schmnck und schö-
nen dem Kneipleben entsprechenden knnstgewerblichen Schau-
stücken und Grand-Carteret, jener Pariser Schriftsteller, der
jüngst in seinem Bnche „ktspksal st 6»mbririus" so viel
Rühmlichcs über das Verhältniß der Kunst zur dentschen
Kneipe geschrieben hat, würde seine helle Freude haben, wenn
er eine „Bierreise" dnrch alle diese „Trinkkemenaten" mit ihren
Ehrenpokalen, alten Krügen, schönen Holzvertäfelnngen, be-
malten Butzenscheiben in diesen festlichen Tagen unternehmm
dürfte, wo sich gerade hier ein geselliges Leben enifalten wird,
wie es nur auf deutschen Hochschulen in solcher Mischung von
Humor nnd Würde, Freiheit u»d Geschlossenheit zur Blüthe
gclangt; jenes Leben, von dem Wilhelm Hanff in seinen
„Phantasien ausdemBremer Rathskeller" sagt: „Deine lücherliche
Außenseite liegt offen, die sieht der Laie, die kann man ihm
beschreiben; aber deinen inneren, lieblichen Schmelz kemit nur
der Bergmann, der singend mit seinen Brüdern hinabfnhr in
den tiefen Schacht. Gold bringt er heranf, reines lauleres
Gold, viel oder wenig gilt gleich viel." Auch der studentische
Frohsinn hat, wie jede Goltheit, verschiedene Cnltusformen
und verschiedene Confessionen zur Entwickelnng gebracht; aber
wie verschieden ihm auch gchnldigt werde, seinen Segen ver-
breitet der freundliche Gott hier überall und seine Spncen sind
es vor allen, was die „alten Herren" Alt-Heidelbergs, die
zum Theile von weit her gestern und heute als Gäste ihrer
alten nlmn rnator herbeikanien, am Neckarstrand suchen und
was sie auch bestimmt finden werden. Dieser Sonnmschein
im Herzen kann den Theilnehmcrn am Feste nicht geraubt
werden, selbst wenn der so glänzend vorbereitete Festzug am
Freitag — was der Himmel verhütcn möge — nicht der
Sonne Gunst erfahren sollte. Selbst das „älteste Hans" wird
im Verkehr mit den jüngeren Commilitonen, nnter der Auf-
frischung froher Jugmdermnerungen in den Jubelrns einstim-
men: „Noch sind die Tage der Rosen!" und Grillen und
Sorgen darüber vergessen. Und es wird hente Abend Keiner
sein, dem es im Herzen nicht srendig widerhallte, wenn in
oer Festhalle die sämmtlichen Gesangvereine Heidelberg's unter
Lachner's Leitung den Schluß des Scheffel'schen Iubiläums-
lieds bransend in's Neckarthal Hinansjnbeln wecden:

3. Altst'lst 1838.

nach Tiree ihren 'Ursprnng. Tiree ist eine tieme, von den
Wellen des atlantischen Meeres gepeitschte Jnsel, die dem
Herzog von Argyll gehört. Eimge hundert Familien'
fcisten dort ein kümmerliches Leben. Vor einem halben Jahr-
hundert zählten die Einwohner 4000 Seelen, die seither auf
2700 vermindert wordm sind. Viclleicht wäre 2000 diejmige
Zahl, fnr wclche die Jnsel Unterhalt hcrvorbringt. Wie dem
auch sei, der Herzog von Argyll, oder sein Faktor, hat die
Wohlfahrt dieser Jnselbewohner am Herzen mid glaubt ihre Jn-
teressen dadurch am Besten zu sördern, daß er die Grimdstücke zn
größern Farmm konsolidirt. Das ist in England der Ge-
brauch, erZo laugt es auch für Tiree. Eines dcr größlcn
Pachtgüter ist die Greenhill Farm, die seit mehreren 'Jahren
im Äesitz eincs Farmers war, dcr kürzlich starb. Sein Sohn
bewarb sich nm das Grundstück mid bot sogar einen größeren
Pachlzins, ivenn man ihm emige Verbesserungen mache. Das
Anerbieten wurde abgelehnt und der Faktor lud audere Be-
werber ein. Aber Tiree hnt eine Lnndliga und diese faßte den
Beschluß, daß das Grundstück, salls es nicht dem Sohn des
früherm Pächters zugesprochen wedre, nnter die Kleinbaueril
verlheilt werden solle. Diese in den Augen der armen Lente
vernünftige Lösmig fand aber keinc Gnnst in den Augm deS
Herzogs. Nnn wurde die Sache noch dadnrch verwickelter,
daß der Präsident dcr Landliga insgeheim mit dem Faktor
des Hcrzogs intriguirte, um die fragliche Farm für seinen
cigenen Brudcr zu erhalicn. Diese Verrätherei kam aber an's
Licht; die Mitglieder der Landliga sctzten ihrcn Vorstand ab
und beschlossen, die Einsetziiiig scines Brnders als Püchier
thällich zu verhindern. Sie marschirten am 27. Juni 400
Mann hoch und unter dem kriegerischen Klang der Sackpfeisen
auf die Farm, zwangen den Pächter, sein Vieh wegzutreiben
und machten sich dann sriedlich an die Aufgäbe, das Land
unter sich zn vertheilm.

Tiree ist ziemlich weit vom Festland entfernt und es ge-
brciilchte einige Zeit, bis die Behörden von der Exmission des
Pächters Kunde hatten. Jnzwischen lebtcn die einfachm Leute
im Wahn, die Sache sei mit der Znsage beigelegt, daß fie
regelmäßig für das in Besitz genommene Land den Pachtzins
entrichten wollten. Die Anknnft einer starren Polizeimacht
klärie sie jedoch über ihreu Fehler auf. Doch wenn die Po-
lizeimacht glaubte, sie könne ohne Weiteres die Jnselbewohner
bczwingcn, so täuschle sie sich arg. Zum Kampf mid Hand-
gcmenge kam es zwar nicht, nber die Haltung der Kleinbauern
war so entschlvsscn, ihre Zahl den Konstablcrn so überlegen,
daß dicse in Begleitung des Messenger-at-Arms, welcher die
Exmissionen hätte vornehmen sollen, in allcr Eile wieder ab-
zogen. Die Majestät des Gesetzes wnr jcdoch mit diesem Akt
der Widersctzlichkeit beleidigt und dem Lord-Ndvokate nnd dem
schottischm Sekrctür blieb nichts übrig, als durch ein Aufgebot
von Marinesoldaten und die Absenvung von Kanonenbooien
dem in seinem Eigenthnm geschmälerten Herzog von Argyll
Recht zu verschaffen. Natiirlich werden die Kleinbauern nach-
geben; sie sind im Unrecht und haben außerdem einen nicht
sehr günstigm Fall gewühlt, um ihre Rechte gcltend zu machen.
Es ist jedoch zu bedauern, daß die friedliche Bevölkerung einer
Jnsel durch eine durchaus verfehlte und den lokalen Bedürs-
nissen nicht angepaßte agrnrische Politik znr Begehung von
Handlmigm getrieben worden ist, welche das Einschreiten der
Militärmacht nöthig gemacht haben.

Irankfnrter Angrlegenhetten.

Frinikfurt, 2. August.

Vom Tage.

* Die „Frankf. Schulzeitimg" schreibt: „Die städtischen
Gärtner" scheincn niisers schönen Anlagen mehr mid mehr aks
Selbstzweck aufziifassen und das Publikum als elne lästige Zu-
gabe nur Widerwillig in densrlben zn dulden, wenigflcns hat der
neuerdings duich die ganze Länge der Anlage gezog'ene Stachel-
draht diesen Eindrnck auf niis gemacht. Eine Stadt wie
Frankfurt sollte stch so kleinlicher nnd dabei höchst gefährlicher
Schutzmittel nicht bedienen. Wir wollen gar nicht von der Ee-
sahr für die in harmlosem Geplauder die Anlagen durchwandeln-
den Erwachsenen reden, aber auf die beständige Gefahr, welche
diese Stacheldrühte für unsere Schuljugeiid bilden, wollen wir
aufmerksain machen. Kam doch erst wenige Tags vor den Ferien
ein hiesiger Bürger zu dsm Rektor einer hiesigen Schnle mit dem
total zerrissenen und vollständig nnbraiichbargewordenen nagelneuen
Anzug scines Knaben, der anf dem Heimweg aus derSchule in eben
jenen Draht gefallen war. Es hing d'och nnr an einem Haar,
dasz er sich nicht ein Auge ansgefallcn oder sonst eine ernstliche
Verletzung zngezogen hätte. Ilnd der Fall steht ficher nicht ver-
einzelt da. Aber es fcheini erst ein größeres Unglück passiren
zu uiüssen, ehe man an diese Gesahr für nnsere Schiiliugend glaubt."

— Der Jnhaber des Waaren - AbzahlungsgeschäfteS auf der
großcn Bockeiiheimerstraße Nr. 21, Hugo H e u s ch e l, ist
unter Zurücklassnng bedeutender Schnlden durchgegangen. Eine
Mcnge Leute kommen durch ihn zu Schaden.

— Die Jngenieur - Kommission der Stadtverordneten (Ve-
richtcrstatter Mack) schlägt vor, die Anlage eines Druck»
wasserwerks für den Betrieb der Hafeneinrichtungen zu
genehmigen und dafür 146,000 Mark zn bewilligen. Der Ab-
schluß eineS Vertrags wegen des WafferbezugS aus der Hoch»
drnckleitung des Centralbahnhofs ist vorbehalten.

Rermischtes.

1? Wiesbaden, 1. Aug. Ueber die Lösung der Trink-
h a l l e n f r a g e, worüber ich Jhnen vor Kurzem berichtet, und
das damit iu Verbindung gebrachte Projekt des Gemeinderaths
der Durchführung einer Straße vom Kranzplatze nach der Tau-
imsstraße find in unseren Lokalblättern vielerlei Änschanungen
zu Tage getreten. Einzelne dersclben waren so ungeheuerlicher
Art, daß man stch des Gedankens nicht erwehren konnte, die
hinter uns liegenden Tage der Hnndstagshitze müsse Einfluß aus
den Eedaiikengang der Versaffer gehabt haben. Aus den Wahr-
nchmimgen, die man in letzterer Zeit machen konnte, läßtstch

»Ja, Hsil der Stadt, wo Schöpfungspracht
Mit Weisheit im Vcreine:

Ein brausend Hoch sei Dir gebracht:

Altheidelberg, du Feine!"

Johannes Proelß. "

A«S Kunst nnd Lebe,^

Frankfurt a. M., I. Aiigust 1886. >

— sA u s W i e s b a d e ns, vom 3I.Juli schreibt man uns!
Nach längerer Pause hattm wir gestern wieder einmal das Ver-
gnügen eines Kirchen - Concerts, schade daß dcffen Besuch ein so
schwacher gewesm ist, die gebotmm Geiiüssewaren jedenfalls ge-
eignet ein zahlreiches, kuiistverstäiidiges Publiknm heranznlockrtt
nnd daS Programm sowie die Solisten rechtfertigten selbst be-
deutcnde Erwartungm der Zuhörer. Wir warm erfreut Frau
Amelie Wnlff cms Stockholm einmal hier zu hören, dicselbe
sang mit sympathischer Sopranstimme die Kirchmarie „Dieser
ist mein lieber Sohn" von Stenhammar und „Ave Maria" von
Luigni Luzzi". Herr Julius Müller brachte vier Lieder, „O
laß mich nicht schuldig werden" von G. Kunkel, „Litanei" von
F. Schubert, „Sei still" von Naff und „Die Thräns" (letztes
mit Cellvbegleitnng) von Goltermann mit seiner schönen Bariton-
stimme zur vollen Geltung. Herr Cellist Oskar Brückner
spielte mit bekannter Trefflichkeit „blootnrno rsliZiosa" mit
Harfe und Orgelbegleitung von R. Lehmann, „Melodie" von
L. B. Christiani und ^.uckauts aus dem 3. Concert von Golter«
mann (die beiden letztm Stücke mit Orgelbegleitimg). Dsr Con-
certgsber eröffnete ois Veranstaltung mit dem Präludium nnd
Fuge (6-ckur) von I. S. Bach. gab sodann den zweitm und
dritten Satz (KarZbstto und Lcklsxro) der v-iuoli-Sonate von
Chr. Finck und endlich das sehr schwierige „kassaoabU^" vott
I. Rheinberger. Die Meistcrschaft dcs Herrn A. Wald als
Organist ist allgemein bekannt und bewahrte sich auch dieses
Mal. Schließlich müssen wir noch der virtuosm Harfenbeglei-
tung des Herrn Arnold gedenken.

— sS ch l u ß b e m e r k u n g e n über den briti-
schen Schachkongreß.j Aus London, 30. Juli
schreibt man uns: Nachdem Blackburne am Mittwoch mit
seinem brillanten Sieg überBurn seine Ueberlcgenheit dargethan
hatte, konnte man mit Bestimmtheit daranf rechnsn, daß er in
seiner letzten Partie den e r st e n Prei 8 gewinnen würde.
Er hatte den crsten Zug und spielte den schottischm Gcimbit,
währmd sein Gegnsr die von Steinih empfohlcne Vertheidigung
(tz lL8) wählte, die zwar einm vorübergehmden Borlheil sichert,
aber den zweiten Spieler der Attake aussetzt. Das geschah such;
in der That hätte Blackburne nach dem 14. Zng das Spiel ganz
in seinm Hünden gehabt, doch zog er es Yor, Nichts zu riskiren
und die Partie wurde beim 29. Zug als unsntschiedm aufge-
geben. Denselbm Vexlauf nahm die vvn EnnZberg yqh
 
Annotationen