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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Königlich privilegiert Berlinische Zeitung / Vossische Zeitung — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.17462#0004
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^ 3KZ.

S o n n t a g.

Grste Beilage znr VofstfchM Zsttung.

»88«

8. Auguft.

aufzuhellcn qchofft llatte. Mit Necht trägt Graefe auf dcm Sieme-
riug'fcheu Standbilde deu Augenipiegel in feiner Rechten.
Echon 1850 hatte Graefe in Wien von eiucm Schulfreunde,
dem Buchhändler Jeaurenand, als Gerücht von der Erfinduug
deS Augenspiegels geyört. Jeanreuaud cröffucte fein Verlags-
gefchäft in Berlin mit Hclmholtz' Schrift „Beschreibuug eines
Nugeuspicgels zur Untersuchuug der Netzhaut im lcbcnden Auge."
Hcute ist das Heft eine Seltcnbeit. Sogar die königlichc Di-
bliothek besiht kcin Excmplar davou. Einer der crstcn Augen-
spicgel, die H-lmholtz in Königsberg (cr war dort Professor'der
Physiologie) anfertigcn ließ, giug an Graefe uach Berlin.
Graefe hatte kurz zuvor dort, 22jährig, seiue Lhätigkeit als
Augenarzt Legonnen. Zn eincm unscheinbarcn Hause in
dcr Behrenstraße, im zweiten Stockwerk, waren zwci
Zimmcr zn einer Polikliuik hergerichtet. Für Kranke,
welche das Bett hütcn mußtcn, wurdcn Lei eincm Schncider
in der Zohannisstraße zwei Stübchen gemiethet. Anfänglich
hatte Graefc zumeist uur Zlrme als Patieuten. Ein nenes Leben
Lcgann in dcm Gracfe'schen Kreise, als 1851 dcr Augcnspiegel
znerst angcwandt wnrde. „NlS Gracfc", fo erzählt sein Biograph
und Zugcndfreund E. Michaelis, „zum ersten Male nicht nur den
rothen Schein dcs Augcnhintergrnndes wahrnahm, sondern anch
Eiuzelhcitcn auf dcmsclbcn unterschied, glänzten scinc Augen, feinc
Wangcn röthcten sich, er rief Legeistert aus: „Helmholtz hat uus
eiuc ncne Welt crschlossen", und „was wird da zn cntdccken sein"
fügte er sinnend hinzu." Und eutdcckt hat Gräfe von nnn
an vollauf. Dic ganze Lehre von dcn Krankbeitcn dcs Augen-
hintergrundes ist fcither ucu erstaudeu. Rüstig wurde von
Graefe uzid seinen Gcnossen die Handhabnug dcs Augenspiegels
geübt. Dic erste von Hclmholtz konstruirtc Vorrichtuug erhcischte
vicle Fcrtigkeit. Ueber Tag wurden alle gecignctcn Patienteu
mit dcm Äugenspiegcl untersucht, und bis in die späte Nacht
prüften die jüugcn Äerzte einer die Angen des anderen, um sich
zu übcn. Hclmholtz und Graefe verband fortan Frcnndschaft,
Graefe schätzte von feinen Fachgenossen Hclmholtz am höchsten.
„Helmholtz ist der erste der jetzt lebendcn Gelehrten",
pflcgte er häufig zu sagcn. Bci dcm zweiten Kongrcß
dcr Augcnärzte im Jahrc 1858 in Heidelberg bcreitete
Graefe Hclmholtz eiue Ovation. Er überreichte ihm einen
Ecschenk dcr dentschcn Nugeu-
wclche hente Helmholtz übcrreicht
Sie wurde von Prof. Hartzer iu
Stempel hat der königliche Münz-
medailleur E. Wcigand hicr geschnittcn. Sie zcigt anf dcr Vorder-
seite das Bniftbild Eraefc's mit Nanien, Gcburts- und Todcs-
tag als Umschrift. Die Rückscite enthält die Widmuug an
Helmholtz: ^kiLemium 6rsskinnum llsrrnsuuo cks Llolmlioltri
«I. cl. societus ophtbsIuioloMcs HoickelbsrAss s. 1886." Der
Sprechcr dcr Nugenärzte wird Prof. Donders aus Utrecht seiu.
Von Hanse ans Phpsiologe, ist er jctzt auch Nugcnarzt. Er zählt
fowohl ,zsu Grjwfe's als Helmholtz' Frcundeskreise. Er half
GracfSbie AMcuheilknude ausbauen und zn eincr selbständigen
isschafh/zn machcn. Ecmeiusam mit Nrlt in Wicu bcthei-
fiM an der Rcdaktion von Graefe'S „Archiv für Ophihab
>!ogie"/Las 1854 ins Lcben trat und heute nech fortbesteht.

filbcruen Pokal, cin
arzte. Die Medaille,
wird, ist von Gold.
Bcrlin modcllirt. Den

Das Hciöelberger Fest.

(Original - Bericht der „Voss. Ztg.")

VI.

Der historische Festzug.

Untcr allen fcicrlichcn Vorgängcn, wclche scit Dieustag so
Lerwältigend auf cinaudcr drängcu, daß kaum ein rnhigcs
Athemholcn möglich wird, ist cs der historische Festzug, welcher
die wcitcste und allgemcinste Thcilnahme crrcgt hat. Für
die Hcidclbcrgcr Stadtbevölkcrung sind Fcst und Festzug dci
nahe ein Ding gcwesen. Wer vom Fcste sprach, fpracki immer
aucki vom Zuge. Noch früher als Häuscrschmuck und Ehren
pfortcn standcn die großen zahlreichcn Tribüncn fertig aufgczim
mcrt da. Ucberall las man das Angcbot von Plätzen an Len
Zcnstern und in dcn Thürcn. Nur die Universität hielt sich von
dicser Feicrlichkcit mchr zurück, obwohl im Zuge sclbst auch ein
zclue durch Schönheit und Kraft ausgczcichnete Professoren
fraucn und Prosesforcutöchter hoch zu Roß mitten nnter den
Bürgcrmädchcn, Arbeitcrn uud Arbeitcriuncn dahcr gczcgcn
kamen.

Die Stadt Heidclberg nnd ihre Bcwohner hatten sich eine
schwcrc Aufgabe gestellt und sie mit tüchtiger Kraft gelöst. Jeder
war hilfbcrcit dabci. Dort sah man eincn altcn Herrn in
der Kardinaltracht barhäuptig uud in seiner Natnrglatze
daherschrciten, hier chrsamc Bürgerfrauen schwere Sainmck
fchlcppen durch dcn Straßenstaüb tragen. Knabcn nud
Mätchen jedcn Alters hattcn ibrcn Platz gcfunden,
und imposantc Bilder wcchscltcn mit lieblicheu. Die kostbarcu
Koftüme aus durchwcg cchten Stoffen, vor allcm die blcndend
schöncn uud farbcnrci'chen, böchst geschmackvollen Franengcwäudcr
veriiehcn dem Ganzcn cine Pracht und cincn Schimmer, die den
Eindruck bcdcutend machten und zn vollcr Anerkcunuug desscn
zwangen, was bicr untcrnommcn und ausgeführt worden ist.

Proscssor Karl Hoff in Karlsruhe, der sziiritus reetor des
ZngcS, hat sich selbst übcr das gcäußcrt, waS sciüem gebildctcu
ErffudungSgciste vorschwebtc. Er wclltc ungcfähr dic Zllnstration
zn Kuno Fischcr's Festredc liefcrn. Er wollte die Zcitperiode des
Besteheus dcr Ilnivcrsität Hcidclbcrg malerisch darstcllcn. Dcr Fest-
zug sollte ein Zeitbild gebcn aus jcdem dcr füuf zurückgelcgtcn Jahr-
huüdcrte. So sahcn wir am Frcitag Vormittag durch die Straßen
Hcidclbergs in ihrcr leibhaftigen Klcidnng icnc Fürstcn reitcn,
wclche dicser Tage von crlanchtcn nnd von gelehrtcn Znngen
lav.t und viclfältig gcpricscn worden sind: den Knrfürstcn Rnpreckit I.
von der Pfalz, Ott Hcinrich den Pfalzgraf bei Nheine (1556
Lis 1559), dcn Knrfürsten Karl Theodor (1742—1799) und —
frcilich nnr im Neliefportrait auf eiuem sinubildlichen Obcliskcn —
Karl Friedrich von Baden.

Mit Nnprccht mußte die Stiftung, mit KarlFricdrich die Wic-
öcrhersicllung der -Nuperta zur Darstellnng gebracht wcrden, jene
wurde in Form eiucr mittclaltcrlichen kirchlichcn Prozession, dicse
viit ctwas kaltcr und kahlcr Allcgorie in Gcstalt eincs vicrspän-
nigcn Fcstwagcns gczcigt, auf welchcm der pfälzische Löwe thront
nnd dahinter zwci weibiiche Friedensgenien jenen Obcliskcu yüten.
Für taS Zeitalter Otto Heinrichs wurde als Charakteristiknin die
Pflege dcr Kunst und Wisseuschafl zu vcranschaulichcn vcrsncht,
so ztvar, daß man im Gefolge des beriltcnen Kurfürsten
einc große Ncibc von Grafen nnd Nittcrn mit ihren Gemah-
linnen hoch zu Nosse erblickte, bis cudlich dcr Prosessor Pcter
Woquin im Gcspräch mit Mclanchton cincn mächtigcn Magcn
gelcitetc, auf dem der bebrillte Profcfsor Jacob MicyllnS den
malerisch sich räkelndcn Scholaren (der gelchrte Hcrr halts uur
zwei Znhörer) eiu Kollcg licst. Eiuwohner HeidelbcrgS folgcn
diesem Wagcn und lassen hinter fich cin andcres mächtigcs
Gefährt erschcinen, welches in dem illustrirten Programm üls
„Banwagen" Lczcichnet wird. Man iagt nnS, daß hicrmit dcr
Schloßaüsban vcrsiunlicht werdcn sollte. Allerdings sieht man
Handwcrkslcutc und hoch obcn auf dem Gerüst cinen hiibfchen
Lehrbnrschcn an Hcbcbaum uud Leiter und allcrlei Wcrkzeugcn
sich zu schaffcu machcn.

Es schciut als ob die Phantasie des giuppirenden Malers durch
die Erhabcnlieit jcncr meist gcpricscncü Fürsten ctwaS gezügclt
worden ist. Er hat sich Larauf bcschränkt, die Größe und Be-
Lcutung dcr von ihnen vertrctenen Epochen fast ausschliehlich
durch den Glanz nud Prunk des Kostüms vorzuführcn. Ganz
gewiß giugen Nnprecht uud Otto Hcinrich bci fcstlichcn Gc-
l'gcnhciten so geklcidct. Ob sie sich aber so Lcwegt und
Lenoinmen haben, ist zwcifelhaft. Der sinncnde Zug, den wir
ouf tLtandbildcrn Nuprechts wahrnehmcn, bcweist, daß dicscr
Hcrr cin tiefcres Gcistes- und Seclenlebcn führte, als man uns
am Frcitag glanben machcn woll.te, und vor allem OLt Hcinrich
hat gcwiß üjcht ausgeschcn, als bnbe cr ieincn rcgelmäßigen

Stammtifch bei Gulden in der Kettergaffe gehabt und dort einige
Schoppen Pschorr gehoben.

Freiere Bewegnng ist in diejenigen Gruppen gebracht wordcn,
bei dcncn der regierende Fürst kcine Jubiläumsnothwendigkeit,
sondern uur ein wüuschenswcrthcr Mittelpunkt dcs Ganzen war.
Hicr batte der Künstler eine Form gewählt, in der schlicht
historisch geschildert worden war, ohüc daß man sich mit
allegorischcn Vorstellnngcn abzucjuälen brauchte: es ist die
für eincn Festzug bcqucmste Form dcs Einzuges. Zwischeu Ru-
precht und Otto Heinrich zicht 1462Friedrich der Siegreiche nach
der Schlacht von Scckenheim ein, hinter Otto Heinrich zicht 1613
der unglückliche Winterkönig, KurfürstFriedrich V., mit seiner Ge-
mahlinElisabetb Stuartein. Don jcncmEiuzuge eiupfiug man mchr
cin kricgerischcSBild, vondiescmmehrciuhöfischcs. DortLandskncckite
und bewaffnete Stndcnten, Bürgcrslcnte nnd Rittcr, hier Heroldc
mit Standartcn, Hartschiere, RathSherrcn, Rcktor und Pedelle,
Ehrcndamcn und anch sonst vicl Weiblichcs zu Fuß, zu Noß
und zn Wagcn, bcsonders cnglischc Baronessen. Die Lnft am
Prnnk kouute sich hier gaüz bcsouders gütlich thuu. Kur-
fürstin Elisabcth ritt unter eiuem kostbaren Baldachin und
ihre Darstclleriu, eine Miß Brown, trug ein Gcwaud,
von welchcm 240 Mark dcr Ouadratmetcr gekostet haben soll.
Anch die 1619, hintcr Fricdrich V. einrückcnde Böhmische Ge-
saudtschaft bot mauch schiinmcrudcS Bild, und mcine Nachbarin
auf der Tribüne, cine nalionalgesinute Wienerin meinte: wcnn
die Böhmcn hentzutaae nocki so licbe Kcrle wären, wie damals,
so licße sich's bcsser liiit ihncn anskommcn.

Professor Hoff hat den guten Willcn gchabt, die nm Fürstlich-
kciten grnppirten Haupt- und StaatSakiionen durch anheimcln.
dcre und vor allcm von Humor bclebte Volkssceneu shakespearisch
zu unterbrcchcu. Er gedachte auch dcr jucnncku ValLti», der fröh-
lickicn Pfalz, ihr Necht zn gebeu; er hat dahcr zwischeu Otto Heiurich
nnd Fricdrich V. das Volksleben zu Ende dcs I6.Jahrhundcrts in
einem Winzerzuge vorgesübrt uud vor das gemesscne Erscheincn
Karl Thcodors einen Jagdzng dcs KurfürsienKarl Philipp gcstellt.
Eröffuct wird jcuer Winzerzug durch dia AdclSlaube nud die
Dolkslaubc, die bcide eiue kcrrliche Pracht cntfaltelcn, bcschlossen
wird cr dnrch das großc Faß, welchcs das höchste Jntcrcsse
dcr Auschauer crrcgt. Der Wagcn des Bacchus uud
der Ecrcs umgiebt „5röllengepösel", auch der Zwerg
Perkeo war da, und uoch ein andcrcr Zwerg, den dcr
allen Hcidelbcrgcr Stndenten wohlbckanute kleine weiß-
lockige Zcituugskolporteur Franz darstellte, wclcher in seinen
frischern Tagcn gelcgeutlich auf Kneiptische sticg und den Franz
Moor dcklamirtc. Ten Cchlnß des ganzen Zuges bildcte die
farbentragcnde Studentenschaft des 19. Jahrhundcrts. Die alte
Burschenschaft läßt sich auch uach Scite des Kostüms malerischer
denken; die nene Burschenschaft uud die Korps crschicncn in
ihrem üblichen Wichs zn Pfcrdc.

Dcr ganze Zng ist lcdigkich auf Kostüm angelegt gcwcscn.
Wedcr die Tragik noch Komik des meuschlichen und gcschicht-
lichen Lebens kiat den entsprechenden Ausdruck darin gefnuden.
Es ist uicht das Werk eiues Poctcn, sondern eiues ausgezcich-
neten Kostümmalers gewescn, der mit opferwilligen, für die Sache
cnthusiaSmirten Kräften schalten dnrftc. Frauenschönheit offeu-
barte sich in vercinzclten diescr Kräfte, aber niehr durch Liebrciz
uud volksthümliche Anmnth als durch aristokratische Erscheiunng.

Die absonderlichstc Erscheinung im ganzen Zugc ist cin Datcr
Nhcin gcwcsen, welcher auf dem 'Wagen der Palatia hintcn ans-
saß nnd die Warnuuq Simrock's „An den Nhcin, an dcn Rhein,
zich' nicht an dcn Rheiu" plausibel machte. Man deuke sich
splittcruackt einen jener Greise, welche sonst nur in der großen
Scestadt Leipzig sich nicht zu helfcu wisseu.

Der Zng war vom schönsten Wetter begünstigt. Die groß-
herzoglickien Herrschaften, in Begleitung dcs Erbgroßherzogs von
Sachscn-Weimar, sahen ihn von einem Fürstenpavillon aus in
der Sophienstraße, gcgcnüber dem Darmstädter Hof, zweimal an
stch vorübergehen. P. S.

Tbenter, Mufik, Konrerre rc.

— Zm Kroll'schen Tbeatcr verabschiedcn sich heute, wie
bereits augezeigt, Earlotta Grossi alS „Köuigin dcr Nacht" nnd
Herr David Ney als „Sarastro" in Mozart's „Zaubcrflöte".
Uebermorgen begiuut das Gastspiel dcr Fran Josephine von Ma-
Icczki, vou der Oper in Budapest, in „Traviata". — Am28. d. Al.
wird das R e s i d e n zt b ea t er zuni letzteu Male uuter Antou
Anno's Direktion seine Pforten öffnen. Für den bevorstehenden
Wintcr wcrden bcreits umfasseude Vorbereitungcn gctroffen und
cin bedentcndcr Znwachs an Kräften rciht sich dcm erprobtcn
Pcrfonal dicscr Bühne an. So werden nus als ueuengagirt
Jrcue Arnim-Woltig vom Mciniuger Hoftheater, Tbea Wolf
vom Danzigcr Stadttheater, Agncs Nichter vom Karlthcater in
Wien, Marlba Zipscr vom Stadttheater in Rcval, Carola Joß
aus Wicn, Minnic Wiclson aus Brcmcn, Kaihi Dodcnhoff vom
Sommcrthcater in Stuttgart, sowie die bercits vor Schluh dcs
vorigcn Jahrcs am Nesidcnzthcatcr thätig gcwcscnc Hclcne Schüle
genannt. Fräulein Jolanta Piamazctta, wclchc Hcrr Dircktor
Änno ebenfalls eugagirt hattc, ist dnrch schwere Erkrankung vor-
läufig außcr Stande ikr Engagcmcut anzutreteu. An Herren
wurdcn Nichard Alexander vom Wallncrthcatcr und Ludwig
Würzburg vom Dcutschcn Theater in Moskau eugagirt. — Jm
W a lln erth e ater bcginnt am 23. Augnst ein fiebentägiges
Gastspicl der cnglischen Schauspielertrupvc des Hcrrn Daly aus
Ncw-Aork. Das Programm umfaßt meist ältere deutsche Stücke
iu cnglischcr Bearbcitung: „Jhrc Jdeale" von Stobitzcr, ,.Der
Niaub' dcr Sabiuerinucu" der Brüder Schönthan, „Halbe Dich
tcr" von Julins Noscn, ^ IVomsn's rvon't", nach einem unge-
nanutcn deutschcn Schwankbcarbeitet, außerdem ^8lls woulä snck
sbs ivoulck not" von Collcy Cibber nnd „ll'lis 6ountr^ 6irl"
von Wythcrlv. — Jm F r i c d r i ch - W i l h e l m st ä d t i s ch e n
Theater haben die Dcbnts bcgouncn. Zn der 150. Vorstel
Inug deS Zigcuncrbarons sang Frl. Wenzel znm crstcn Male dic!
Safst. Auch Frl. Enrici (Czipra) uud ein ncuer Tenorist Her
Grcve habcn debütirt. Nach dcr biSherigen Annahme dürfte
Zigcuncrbaron die ganzc Vorsaison dcs Friedrich-Wilhelmstäd
tischen Theaters beherrsckien, so daß die Proben zu den Ncuig>^
kcitcu um so eifriger abgchalten werden könuen. Die eigentliche
Saison bcginnt am 3. Septcmbcr mit den drei iLNpps'scher
Einaktern: „Die schöue Galathöe", „Flotte Bursche" uud „Zchn
Mädchen nnd kein Mann". Snpps wird an den erstcn drci
Abendcn seine mnsikalischcn Bluettcn pcrsonlich dirigircn. — Jm
B c I l c a > l i a n cc - Th e a ter ist heute am lctzten'Sountag der
Schnlfcricn das Entrec sür deu Sonimcrgartcn auSnahmsivcise
anf 50 Pi. ermäßigt wordcn. Zm Theatcr ffndct dic 65. Auf-
führnng dcr EcsangSpossc „Das Paradies" mit sciucm „klassischcn
Dreicck" statt. — Z»i K ö n i g st ä d t i s ch e n Thenter gclangt
hcntc das Schauspicl: „Drci Tage ans dcm Lcbcn cincs Spiclcrs"
zur Nufführung; die Hanptrollen bcsinden sich in den Händcn
des Fränlcius Waldhcim sowic der Herren Vcck, Löfflcr, Gerickc
und Ncutcr.

— Nachdem das O s! c n d - T h e a t er auS dcm Bcsih dcr
Hamburger Hupotbckcn-Vank in dcn dcS Hcrrn Werthcim über-
gcgangen ist, wird dassclbe mit dem 1. Oktobcr auch unter andere
Tirektion komnicn. Dcr bishcrigc Direktor Hr. Panl Strewe,
dcfsen Vertrag noch aus cin Jabr läuft, hat von sciucm ihm bis
znin Ablanf dcs Vcrtragcs cinseilig znstehendcn KündigungLrechtc
Gebrauch gemacht nnd ivird das Theater mit dcm 30. Septcmber
schließen. Doch hat sich bcrcitS ein andercr Pächter in dcr Per-
son des Hrn. Lan 1 cnbnrg gcfnndcn, der züuächst anf cin
Zahr Vertrag acmacht hat, biö er das Residcnz-Thcater übcr-
nchmcn kaun.

Vercrne unS Dcrsammkungen.

— Bchnfs Bcgrnndnng eincs Vrrbandes der deut-
schen Schwi m m vereine sind gcstcrn Nachmittag im Kaiscr-
Wilhelm-Bad Dclcgirte ans acht deutl'chcn Städtcn zn Verhand-

lungenzusammengetreten. Vertreten waren derBerlinerSchwimm-
vercin, dcr Bcrliner Schwimmklub „Poseidon", dcr Hamburger
Schwiiumverein von 1879, der Hamburger Schwimmklub „Triton",
dcr Magdcburger Schwimmklub, der Dresdcner Schwimmklub
„Neptun", dcr Breslaucr Schwimmvcrein von 1885, außerdem
Bcrgedorf, Hanuovcr und Dessau. Zu Vorsitzcnden wurdcn die
Herrcn Otto Kühn-Derlin, W. Werres-Bcrliu uud M.
Hille - Magdeburg crwählt. Es gclangteu sodann die Satznngcn
und Wettbcstinimungen, sowie die hierzu eingegangenen Antrage
zur Kenntnißnahme. Die Hauptvcrsammlungen, sowie alle Bc-
fchlußfassungen werden erst heute Vormittag stattfinden.

— Jn der Arbeiterbewegun g 'hcrrscht angenblicklich
wieder rcgcrcs Lcbcn. Gestern hicltcn die Lackirermcister nnd
Gescllen bci Nieft in der Kommandautenstruße eine öffcntliche
Versammlung behufs Einrichtung eincs ArbeitcrnachweiseS ab.
Bci OZratwcii tagien zu glcichcr Zeit die Fachvereine dcr Sattler,
Schlosscr und d'ie Vcrcinigung dcr dcutschen Schmiede, bei'
Jordan, Neue Grünstraßc 28., der Fachvcrein Ler Tischler, dessen
Versammlnugen mehrmals die polizeiliche Gcnehmigung nicht ci»
hicltcn, und'dcr Vcrein znr Wahruug der Jntercsscn dcr Tischler
bei Praditz, Michaclkirchstraße 39. Änßerdem eine Krankenkass.n-
Versammlung dcr Mctallaracitcr. Die Verhandlungcn betrafcn
allerdings in fämiutlichcn Versammlnugen schr interne Vcreius-
augelegenheiten, fachliche Vorträge, Wahlcn, Abrechnnngen u. s. w.

— Morgen, Montag, 9. August, Nbcnds: Berliner Hand»
wcrkerverein, Sophicnstr. 15., vr. Gravelius: „Mcteorologischs
Mitthcilungen". — Verein ehem. Kamcradcn deS Jnfant.-
Rcgts. No. 19., 8^ Uhr Krausenstraße 41. — Zitherklnb
„Ninphiou", 8—11 Uhr Uebungsstunde im Kurfürstcnkcllcr,
Poststr. 5. Gäste willkommen.

StcidtischeS. ^

— Das Navenä'sche Erben-Kuratorium, vertrcten durch den'
Gehcimen Kommerzicnrath v. Hanscmaun, hat sich nach dem
„Bcrl. Tgbl." mit dem EisciMhufiskus über bie Änlegnng dcr
ncn proje'ktirtcn Strahe gccinigt, welche vom Treffpunkt dcr
Werft- und Lüneburgcr Straße nach dcr Paulstraße in der Nähe
dcs ncuen Packhofes geführt wcrdeu soll und mit dcm südlichen
Bürgersteig auf das Wiesenterrain des Fiskns uabe Lcr Wulwe-
Lauke zu licgen kommt. Durch diese noch unbcuannte, vorläufig
mit Siraße 15ck., Abtheilung VII. dcs Bebanungsplanes bezcich-
nete Verbindnng wird das seincr Zeit so berühmte Villcngrund-
stück des vcrstor'bencn Geheimen Kommcrzienraths Lonis Navcnäi
der Bebauung und dem öffcuüichen Verkehr überwieseu. Dns
Planum der iieuen Straße ist nahezu angeschüttet nnd von dem
kostbarcn Baumbcstande der Villa, unter welchcm die Künstlcr-
welt als Gast dcs kuustsinnigen Bcsitzcrs zu lnstwandcln Pflcgte,
fo gut wie uichts mehr vorhandcn. ,

— Jm Anschluß an unscre' gcstrige Mittheilung über das
vorqussichtliche Schicksal dcr jungcn Mördcrin M arieSchnei -
der werdcn wir hente daranf hingcwiescn, daß die gerichtliche
Vcrhandlnng gegen dicselbe unicr alleu Umständen wird stait-
haben müssen. Weun auch die Strafkammer auf Grund dcr
gerichtsärztlichen Gutachtcn voraussichtlich zu dcm Schlnsse kom-
men wird, die zur Strafbarkeit erforderliche Erkenntniß Lei der
Angeklagten zn vcrneinen, so wird Loch gegen dieselbe ein Urtheil-
fpruch erfolgen müssen, auf Grund dessen sie an eine Korrek-
tionSanstalt übcrwiescn wcrdcn kann.

— Eiue lehrreiche Vcrbaudluug eincr Anklage wcgen fahr -
läsfiger Körpervcrletznng fand gestcrn vor dcr drittcn
Fcrieustrafkammcr dcs Landgcrichts I. statt. Auf der Anklage-
bank befand sich die städtische ,Heba m m e Marie Rost, gc-
borene Lehmann. Diesclbe batte an cincm Märztage c. der Ehc-
frau eines Arbeiters Merten ihre Dicnste zu lcislcn. Einige
Tage daranf gewahrte die Nngcklagte, daß daS neugcborene Kind
an einer Angenentzündnng litt. Austatt ärztlichc'Hilfe in An-
sprnch zu nehinen, behandcltc sie das kranke Kind sclbst und zwar
auf homöopathischem Wegc; sie gab ihm Strcukügelchen ein. Das
Uebcl verschlimmcrte sich nnd als die bcsorgte Mntter schiießlich eincn
Arzt herbeiholte, kouute dieser nur feststcll'en, daß das Ängenlicht des-
Kindes nnwiderbringlich vcrlorcn sei. DicHcbamme wurde sür diescm
Unglücköfall verantwortlich gemacht. Sie behauptcte im Vcr-
handlungStcrmine, dah sie dcr Muttcr sofort die Hinzuziehnnz
eines Arztcs angerathen habe, währcnd diese beknndete, daß die
Hebamme ihr im Gegcntheil abrieth ciuen Nrzt, der fofort
schmerzhafte Beizungen vornchmcn würdc, herbciznholen. Das
crblindcte Kind ist vor cinigcn Tagen vcrstorbcn. Erwähucns-
werth ist das Gntachten des Gcrichts-Physikns Sanitäts»
rath vr. Long. Die meistcn Bliuden habcn danach ihr
Angcnlicht lediglich durch Lie Nachlässigkeit ihrcr Pflege-
riuncu iu dcn erstcn Lebcnstagcn verlo'rcn. Es sci ciue
sich täglich wicderholcnde Erschcinung, daß Ncugeborene vcu
cincr Auaeneutzündung bcfallcn würdcn. Wcnn bci dcm erstcn
Nnftrcten dcrsclbcn sofort die cntsprechenden Mittcl angewendct
würdcn, so beschränke sich die Entzündung auf die Bindehant dcs
Augcs nud vcrlaufe in der Negel mit baldiger Heilunq, rcttungs-
los verloren sci dagcgen das Äugcnflcht, weun die Entzündung,

auf welche dcr Gerichtshof anch crkannte.
Vcrsnchte Bcstcchung wurde dcm Jiistrnuienten-
cmachcr FrieLr. Adolf S ch midt zur Last gclcgt, der gcstern vor
dcr vicrten Fcrienstraskamincr des Landgcrichts 1. staud. Dcr
Hautboist Ruchlos vom dritten Gardc-Negiinent wnrdc im Früh-
jahr d. I. znm Kapcllmcister dcs zu Schwcidnitz garnisonircndcn
Schlcsischcn Füsilicr-Negimcnts No. 38. crnannt. Dic Miliiär-
kapellc zn Schwciduitz bcdmfte bald daranf eincs PaarS ucucr
Beckcn uud La dcren Dirigent wnßte, daß der Angcklagte diesc
Jnstrumente seincm frühercn Regiment znr Znfriedeuheit geliefert
hatte, so wandte er sich an denselbcn und bat um Aufstcllnugi
cincs AnschlagS. Schmidt bot die Bcckcu für dcn Preis voii
160 Mark an, woranf dcr Kapellmcistcr ihn bcauftragtc,
dieselbcn nebst Rcchnung an die Mnsik-Kommission des Regi-
mcnts zn Schwcidnitz nnd nicht an seine Adrcssc zu scndcn.
Dics geschah nnd dcr Kapellmcister glaubte hiermit die Ange-
legenhcit crlcdigt. Zn scincr Verwuudcrung erhiclt cr abcr nach
einigcr Zcit cin Schrciben vom Angeklagteii, in welchem dcrselbe
sich zu fcrnercn Liefcrungcn cmpfahl. 'Bcigcschlosseu war dcm
Bricse die Sumiue von 40 Mk. und dcr Abscndcr bczcichncte
diese alS die aus dcm Ankanfe der Becken cntsprungene Pro-
vision. Dcr Adrcssat übcrgab Brief uebstJnhalt dcm Ncgimcuts-

und dieses wie

auch

die Nnklagebehörde cr-

Kommando

blicktcn in dcr HandlnngSwcisc dcs Angcklagtcn die Mcrk-
male dcr versnchtcn Bestcchung. Der Angeklagte bestrilt
cutschicden scine Schnld und erbot sich 'zu 'dem fltacki-
wcisc, daß es cin bei allen Jnstruliicutenhandlungcn eingeführtcr
Ecbranch sci. bei Licferungcn an Militärkapellcn vo'n den im Pleis-i
 
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