Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt — 1886

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17428#0001
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bedaklion «nd Adminijlrakion

Heltanergasse 23.

Hrscheint mit Ausnalsmc der Sonn- und Ileier-
tage täglich.

Abonnement siir Hermannftndt:

monatlich 85 kr , vierteljührlich 2 fl. 50 kr . haldjährig
5 fl., ganzjührig 10 fl, ohne Zustclliing in's Ha»s,
niit Zustcllung 1 sl,, 3 sl,, 6 sl,, 12 sl

Abonnemeni mit postversrndung:
Iiür das Anland:

vierteljührig 3 fl, 50 kr,, halbjührig 7 sl,, ganzjühiig
14 fl.

Aür das Ausland:

viertelsührig 7 RM, oder 10 Frcs,, halbjührig
14 RM, odcr 20 Frcs,, ganzjährig 28 RM, odcr
40 Frcs.

Unsrankirte Priefe lvcrden nicht nngenomincu,
Manuskripte nicht zurückgestellt.

??ränttmcralionen unk» Znseratö

nberuchiueu anßcr deni Hauptbureau, Heltauergaffe
Nr, 23: in Xronstsilt Ilcinricli 2sicknsr, II, Orese-
nauckt's Xselitolgsr, dtktliaseli ckoliann ttöckrieli's
I'dbeii, Lot.ässdurg 6arl Ilerrmann, Listritr Or,
^Vselismaiiu Xr, 187, 8äolis.-ktegen Larl Oronius,
dtülilbseli ckosot >Vsgnsr, Kaufmann, kroos I'anl
Latiioiii, Lehrer, VOen Otto Vlaas (Ilaasonztsiii
L Voglsr), kuckolt dlosso, .4, Opvlilc, VI. Onlcos,
Vloiiü 8teru, Iloinrieli 8e>ia!vlc, ,l, vannodorg,
Lest V, V. OolckliorZor, krunklurt s. dt, 6. L,
Oaiilio L Lo.

Inscrtionspreis:

Der Naum einer cinjpal t > geu Garmondzeilc kostet
beim einmaligcn Einrücken 7 kr,, das zweitemal je
6 kr-, das drittemal je 5 kr, v. W, vxelirsivo dcr
Stempelgebühr von je 30 kr.

3846. X»!. Iahrgang

Isermannstadt, Montag 2. August

1886.

Per

Lschschttle Seiöekkerg.

Heute begiimt die Festwoche zur Feier dcs fiiiishuiidertjährigeii Be-
standes der Hochschule Heidelberg. Aus allen Teilen der gebildeten Welt
werden Männer dort zusammen sein, um in gehobenerStimmung der Segnungen
zu gedenken, die von jener Stätte aus in erster Reihe der deutschen Wissen-
schaft, dem deutschen Volke, der deutschen Bildung und mittelbar allen
Kulturbestrebungen der Menschheit in so reichem Maße zu Teil geworden.
Das heilrliche Lied:

Alt-Heidelberg, du feine,

Du Stadt an Ehren reich,

Am Neckar und am Rheine
Kein' andre kommt dir gleich,

bildet in diesen Tagcn das Zeichen, unter dem tausend nnd tausend Herzen
nicht nur „am Neckar und am Rheine" höher schlagen werden.

Die Hochschule Heidelberg, die älteste des gegenwärtigen deutschen
Reichs, gegründet 1386, im Jahr der Sempacher Schlacht, vom Kurfnrsten
Ruprecht I. von der Pfalz, ist bei ihrer Gründung schon von den edelsten
Hofsnungen begleitet worden. Jn einem hochpoetischen Bilde begrüßte der
fürstliche Griinder i» ihr, wie eine der sechs Stiftungsurkunden es aus-
spricht, „noch der Nacht die leuchtende Mvrgenrvte, nach wolkeuduiikler
Zeit den heiter» Himmel, »ach starren Winterfrösten die lichtschimmeriide
Lenzblume", und Papst Urban VI., in der Ermächtigungsurkunde zur
Gründung der Hochschule, rühmt freudig an dem körperlich und geistig
gleich erfrischenden Sitz der Musen „die Milde der Luft, der Nahrungs-
mittcl Fülle und den Ueberfluß aller Dinge, deren das menschliche Leben be-
darf". Das sürstliche und das päpstliche Wort, sie sind wie ein Vorklaug
des Schefsel'schen Meisterlieds: Alt-Heidelberg, du feine!

Die neue Hochschule, deren Bedeutung sortan auch der Eid bei dem
Negicrungsantritt der Kursürsten bezeugte, hat die schweren Zeiten des
deutschen Neichs im 15. Jahrhundert mittragen helfe». Als die wieder-
erwachten klassischen Studien den Zugang nach Deutschland sanden, bildete
bald Heidelberg den Mittelpuukt für ihre Jünger am Rheiu. Auch Me-
lanchthons Studien dort (1509—12) haben einen Glorienschein um ihren
Namen geschlungen. Jhr Eintritt in die Reformation in der Mitte des
16. Jahrhunderts rief eine neue Blütezeit für die Hochschule herauf, die
erst der dreißigjährige Keieg endigte. Schwerercs nvch brachtcn nach ihm
die Mordbrennerscharen Ludwigs XIV. übcr das unglückliche Land, das
außerdem die Verwüstungen der Gegenresormation ertragen mußte. Das
ganze 18. Jahrhundert sah nicht einmal einen Schatlen der alten Herr-
lichkeit von Heidelberg.

Sie ging erst und zwar leuchtender wieder auf, als am Anfang dieses
Jahihunderts nach dem Fall des alten Reichs diese Teile der Psalz zum
(spätern) Großherzogtum Baden kamen. Der hochsinnige Fürst Karl Friedrich
wurde ihr neuer Begründcr; „Rotör der Universität", sprach er in der
neuen Gründungsurkuiide, „wollen wir selbst sein und unsern Nachfolgern
diese Würde hinterlasfen." Er habe den Entschluß, die Hochschule am
Neckar, die Perle seiner Krone, wie zur hohen Warte der Wissenschast, so

Is e » i l s e t <» «.

S s o n i ä.

Roman von Henry G r 6 v i l l e.

Autorisierte Uebersetzung aus dem Frauzösischen.
s4. Fortsctznng.I j

„Ob mir das Vergiiügen macht! — Wenn ein alter Freund zurück-
kehrt — das hcißt, cigentlich sein verstorbener Vater war mein Freund —,
und noch dazn ein so hübscher und reicher Bursche! Eine gute Aussicht für
die heiratsfähigen Töchter der Umgegend," fügte er mit geheimnisvoller Miene
und gesenkter Stinime hinzu.

„Eine gute Aussicht?" wiederholte Boris.

„Nun natürlich! Die Mütter haben es sehr gern, daß ihre Töchter
Prinzessinncn werden nnd rcich obcndrein. Mir freilich, mir wäre das egal:
ein guter General der Artillerie, der durch redlichen Dienst zu seinem Rang
gekommen, ist wcnigstens cbenso viel wert als eine Exzellenz, die weiter kein
Verdienst hat, als die vornehme Geburt."

„Sie haben, wie cs scheint, keine aristokratischen Vorurteile?" fragte

Boris.

„Jch ganz und gar nicht. Aber Sie müssen Ivissen, daß Julia Alexejewna
(das war der Name seiner Frau) in diesen Vorurteilen versteinert ist. llnd
Sie verstehen ..."

„Dann" — Boris wagte sich nicht weiter vor — „würden Sie also
Jhrem Sohne gestatten, ein junges Mädchen von bescheidener Herkiinft zu
heiraten, wenn sein Herz ihn zu ihr zöge?"

„karblsii!" sagte der General auf französisch. (Dies Wort zusammen
mit IVIoroi und Lonjour bildete seine ganze Philologische Ausrüstung.)

Jn diesem Augenblick erschien am Ende der Terrasse die gefällige, aber
in Lumpen gehüllte Gestalt eines jungen Bauernmädchens. Es lief anf seinen
nackten Füßcn herbei, in der Hand eine der Pfeifen des Generals, die fast
so lang war, wie es selbst.

auch zur Pflanzschule der Sittlichkeit und Wohlanständigkeit zu machen.
Eine entsprrchende Ausstattiing hob die Anstalt über die gemeine Not des
Tages hinaus; neue Lehrerberufungen zeigten die Höhe und den Ernst der
wissenschaftlichen Ziele; nian darf nur die Namen Thibaut, Schlosser, Voß
nenneii, um solort den gewaltigen Geist einer neuen großen Zeit zu em-
pfinden: die Musenstadt am untern Neckar wurde in der That mit einem
Schlag eine Hochwarte deutscher Wissenschaft an der bedrohten Westgrenze
deutschen Lebens.

Und das ist sie geblieben von da an bis auf den heutigen Tag: in
einer langen, langen Reihe ausgezeichneter Lehrer und Meister eine Stätte
geistiger, wissenschaftlicher Arbeit, wie wenige neben ihr in den doch an
Wissenschaft und Lehre so reichen deutschen Landen; Jahrzehnte lang die
Lieblingsuniversität aller Nationen, insbesondere die Vermittlerin deutschen
Geistes für Frankreich, England und Nordamerika; i» der unbeschreiblichen
Fülle der landschaftlichen Schönheil, die doppelt ergreifend wirkt unter
dem Hauch der ernsten geschichtlichen Eruinerungen, welche dort allüberall,
und insbesonders machtvoll in den erhabenen Trümmern des so reizend
in das dunkle Waldesgrün gebetteten Schlosses zum denkenden Geist
sprechen, wie geschaffen zu einer Heimat der Jdeale sür die Jugend, zu
einer Ruhstatt der Erholnng für das Alter!

Die Namen und Arbeiten der Männer, die dort während dreier
Menschenalter Tauseude vou Jünglingen in das Reich der Wissenschaft
eingeführt, fnllen allein ganze Litteraturgeschichteu. Es giebt kein Gebiet
menschlicher Erkenntnis, dem ihre rastlose Geistesarbeit nicht zn neuer
fröhlicher Blüte geholfe», kein großes Ziel deutschen Lebens, sür das sie
nicht bahnbrechend thätig gewesen. Wer anch nnr die Heimgegangeneu
neniien wollte — den Lebeuden senden wir nusern ehrerbietigen Gruß —
fäude den Raum nicht: zu den Obeiierwähnteu Mittermaier, Zichariä,
Vangerov, Zöpfl, Renand, Roßhirt, Blunschli, Hermann, Mohl, Rau,
Creuzer, Böckh, Fries, Chelins, Gmelin, "canhard, Jolly, Bvnseii, Pfenfer,
Heule, Holtzmann, Wilcken, Gervinns, Kortüm, Hänffer, Hnndeshagen,
Ullmann, Umbreit, Schenkel, Rothe . . . Stern an Stern, wer nennt all'
ihre Namen!

Und die Geistesstralen der sernen Hochschnle in der schönen Neckar-
stadt sind erleuchtend und erwärmend auch in die Berge nnd Thäler
Siebenbürgens gedrnnge». Schon 1502 ist der süchsische Benedikiiiiermönch
Bruder Andreas dort immatriknlicrt worden; die Reformation brachte die
Siebenbürger Sachsen der Hochschule noch näher. Als die Synode von
Mediasch 1561 der Kirche ihre Beschlüsse über das Abendmahl darlegen
wollte, that sie es in dem Bekenntnis vo» Tilemann Heßhusen, der
1557—59 Professor i» Hcidelberg war. Seitdes sind die Söhne des sieben-
bürgischen Sachsenlandes Menschenalter für Menschenalter zahlreich zu den
Lehrstühlen jener großen Meister hingezogen und haben sich der teilnahm-
vollen Fördernng derselben erfrent; die Macht und Begeisterung der Wissen-
schast, die von dort zu der ganzen gebildeten Welt sprach, hat auch hier
die Seelen gehoben. Selbst aus der Mitte des ungarischen Volkes ist die
ferne berühmte Hochschule immerdar besncht gewesen und die vaterländischen
Geschichtschreiber rühmen, wie der gcistvolle und politisch weitestsehende
siebenbürgische Nationalfürst Gabriel Bethlen oft mehr als zwanzig Zöglinge
auf eigene Kosten in Heidelberg habe studieren lasse».

„Hier, Stepan Petrowitsch. Jch habe sie am Ausgange des Gartens
gefunden."

„Jm Pavillon?"

„Nein, Stepan Petrowitsch, sie stand hinter der Hecke, dicht bei
dem Loch."

„Ah, ich erinnere mich. Jch habe ausgemessen, wie viel von dem
Stacket erneuert werden muß, und da habe ich sie stehen lassen. Es fehlt mir
noch eine."

„Jch weiß, ich habe sie gefnnden. Es ist die kleine; sie hat hinten bei
der rnnden Bank gestanden."

„Nein, noch eine andere. Jch muß sie irgendwo beim Stall gelassen
haben."

Das kleine Mädchen nickte mit dem Kopfe und lief pfeilschnell davon.
Seine zicrlichen Füße bewegten sich anmutig unter dem zerrissenen Röckchen
und die Hände waren braun und mager, mitgenommen durch die harten
Feldarbeiten, aber wohlgebildet.

„Das ist meine kleine Pfeifensucherin," sagte Stepan Petrowitsch. „Bis-
her hat sie sich ausschließlich meinem Dienste gewidmet; jetzt aber mnß sie ctwas
Besonderes an Jhnen gefnnden haben, denn sie hat Dnniä gebeten, Jhr
Zimmer ihr anzuvertrauen. Es ist ein wunderliches kleines Ding, das sich
nicht mit jedermann verlragen kann. Zum Beispiel," setzte er ieise hinzu,
„mit meiner Frau steht sie sich durchaus nicht gut."

„Wie kommt das?"

„Wenn ich das wüßte! Meine Frau setzt ihr auch gut zu. Sie ist
eigentlich in meinem Dienst, nämlich ich bezahle sie," fuhr der gute Mann
fort, wobei er lachte, daß er sich die Seiten halten mußte; so viel Lächer-
liches und Außerordentliches lag für ihn in der Jdee, daß er einen Dienst-
boten selber bezahle.

„Und wie viel zahlen Sie ihr?" fragte Boris, den das Lachen des
alten Herrn angesteckt hatte.

„Dreißig Kopeken pro Monat," erwiderte der Gefragte, halb tot vor
Lachen. „Sie ist eine Waise; einen Vater hat sie niemals gehabt nnd ihre
Mutter ist seit neun oder zehn Jahren 106"

So erhebt die fünfhundertjührige Jubelfeier der Heidelberger Hoch-
schnle auch unsere Herzen in Dankbarkeit und Fceude. Wir fühlen es tief,
was sie unserer Schule, nnserer Wissenschast, unserer Kirche — gewiß zum
Heil des gesamten Vaterlandes — anch nur im letzten Menschenalter ge-
wesen und freuen uns herzlich, daß, wie wir hören, ihre Schüler ihres
Dankes Ausdruck der fernen alina ii>a.t«r zn ihrem Jubeltag nicht znrllck-
gehalten und unsere Landeskirche ihr gleichfalls ehrerbieligen Gruß und
warmen Segenswunsch zu dem seltenen Feste gesandt hat. Von denselben
Gefühlen gehoben rufen auch wir der treuen Bildungsstätte herzlichst zu:
Vivat, tlorsat, orsspat univsrsitas Hviäslllsr^siisis in ssösula sWSuIoruin!

A ü r st e n w o r t e.

Jm Anschluß an unsere obigen Zeilen teilen wir den Wortlaut des
von Se. k. Hoh dem Großherzog Friedrich von Baden an Se. Ma-
jestät den Deutschen Kaiser Wilhelm aus Anlaß der bevorstehenden
Jubelfeier des fünfhundertjährigen Bestehens der Universitüt Heidelberg
gerichteten Schreibens und der darauf von Sr. Majestät dem Kaiser er-
gangenen Antwort im folgenden mit:

Durchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und König, Hochgeehrtester
Herr Vetter, Bruder und Schwiegervater! Die Universität Heidelberg gedenkt
in der ersten Augustwoche des laufenden Jahres die Jubelfeier ihres fünf-
hundertjährigen Bestehens in festlicher Weise zu begehen. Es ist das erste
fünshundertjährige Jnbelfest einer deutschen Hochschule — einer Hochschule,
welche sich stets auch dcr hohen Aufgabe bewußt war, eine Pflanzstätte deutschen
Geistes, eine Pflegerin des Gefühles geistiger Zusammcngehörigkelt in den
deutschen Stämmen, ein Hort der Einheit deutschen Wesens in gemeinsamer
Fördcrung deutscher Wissenschaft zu sein. So ist es gewiß nur natürlich, daß
die Blicke der zur Jubelfeier bereiten Carola-Ruperta Euerer Kaiserlichen
nnd Königlichen Majestät sich zuwenden, daß sie mit allen Teilnehmern am
Feste freudigst dem Gedanken sich hingcben möchte, mit Allerhöchstdenselben
in der Feier ihres halbtausendjährigen Bestandcs sich vereinigt zu fühlen und
dem erhabenen Begründer des Deutschen Reiches, dem mächtigen Schirmherrn
deutscher Wissenschaft, ihre ehrfurchtsvolle Huldigung darzubringen. Wcnn
ich als Rektor der altehrwürdigen Hochschule auch nicht wagen kann, Euerer
Kaiserlichen und Königlichen Majestät eine Einladung zur Allerhöchsteigenen
Gegenwart bei der Jubelfeier zu unterbreiten, so möge es mir doch gestattet
scin, Allerhöchstem Ermessen zu unterstellen, ob Euere Majestät nicht geruhen
wollen, durch Entsendung eines Vertreters bci dem bevorstehenden Feste
Allerhöchstsich zn beteiligen und damit demselben die schönste Weihe zu ver-
leihen. Eine gütige Anfnahme dieser Anregung wird mich mit besonders freu-
diger und dankbarcr Stiinmung erfüllen. Mit Vergnügen ergreife ich den
Anlaß zur Versicherung der höchsten Verehrung, womit ich unwandelbar zu
sein die Ehre habe Euercr Kaiserlichen und Kvniglichen Majestät gehorsamster
Vetter, Bruder und Schwiegersohn (qez.) Friedrich. Schloß Baden, dcn
23. Juni 1886.

Hierauf ist von Sr. Majestät dem Kaiser folgende Antwort an den
Großherzog ersolgt:

Durchlauchtigster Fürst, freundlich vielgeliebter Vetter, Bruder und
Schwiegersohn! Aus Eurer Königlichen Hoheit gefälligem Schreiben vom 23.
v. M. habc ich mit lebhaftem Jnteresse die Nachricht entnommen, daß die
Universität Heidelberg in der ersten Woche des Monats August die Jubel-
feier ihres fünshundertjährigen Bestchens in festlicher Weise begehen wird. Zu
Meinem aufrichtigen Bedauern bin ich durch die sür den Sommer getroffenen
Disposilionen vcrhindert, an dem Jubiläum persönlich teilzunehmen. Um aber
Meinen wohlwollenden Wünschen sür das fernere glückliche Blühen dieser
altehrwiirdigen Pflanzstätte deutschen Geistes Ausdruck zu geben, habe ich
Meinen Sohn, des Kronprinzen Kaiserliche und Königliche Hoheit, beauftragt,

„Aber wie alt ist sie denn?" fragte Boris überrascht. „Jch hätte ihr
noch nicht zehn Jahre zugetraut."

„Sie wird elf oder zwölf Jahre alt sein. Sehr verwöhnt ist sie hier
freilich nicht gewordcn; aber ich bin ihr im Grunde zugethan. Sie wohnt
in der Küche mit den andern Dienstboten."

Die kleine Sophie oder Ssoniä, wie sie gernfen wurde, kehrte in diesem
Augenblick in vollem Lauf zurück. Jn der Hand hielt sie die verlorene
Pfeife, welche sie dem Besitzer zurückgab. Stepa» Petrowitsch brachte den Tag
damit zu, seine Pfeifen in allen Ecken nnd Winkeln umherzustreuen nnd das
Amt des kleinen Mädchens war keine Sinecure, so viel steht fest.

„Nun, siehst du, Ssoniä, das ist hübsch, ich danke dir," sagte Gorelin,
indein er die Hand über die spiegelglatte, sonnenverbrannte Stirn des Kindes
gleiten ließ.

Die dunkelgrauen Angen der Kleinen lenchteten vor Freude. Sie er-
grisf die dicke, unschöne Hand des alten Mannes und führte sie in einem
Ausbrnch von Dankbarkeit an ihre Lippen.

„Sie ist schr hübsch," sagte Boris, ohne daran zu denken, daß sie ihn
hörte. Das Müdchcn heftete seinen vffenen Blick anf ihn.

„Du besorgst alle Tage meine Stube?" redete sie der junge Mann
gütig an. „Dn machst deine Sache sehr gnt, ich bin zufrieden mit dir, du
arbeitest wie eine crwachsene Person."

Nach rnssischer Manier legte Ssoniä ihren Arm über die Augen und
betrachtete Boris nnter diesem Schutzdache. Jhre Wangen röteten sich und sie
lief eiligst davon.

Zu gleicher Zeit crschien am Ende der Terrasse Lydia. Sie hatte
Blumen gesammelt und trug sie in ihrem aufgenommenen Kleide, unter dem
ein schmaler, wenn auch langer Fuß sichtbar wurde.

„Guten Tag, Papa!" sagte sie errötend.

Sie umarmte den Greis, der sich eine so ungewöhnliche Zärtlichkeit gar
nicht erklären konnte.

„Komm' zum Frühstück," sagte sie und hing sich an seinen Arm, ohne
auch nur einen Blick auf Boris zu werfen, der ihr entzückt folgte. Die
kräftigen Falten dieser lila Robe vor ihm schlossen für ihn den Horizont ein.
 
Annotationen