Eigentbnm. Drnck nnd Berlag von R. Graßmarm.
Aovahme vou Jnseraten Schnlzcnstraße 9 Md Kirchplatz 3.
Redaktio» nnd Expeditiou Kirchplatz 3.
Aboanemem stir Stettin monatlich 50 Pfg., mtt TrSgerlohn 70 Pfg..
auf ver Post vierteljährlich 2 Ml., mü LandbriestrSgergeld 2 M. 50 Pfg
Jnserate die Petttzeile 15 Pfemngr.
Morgen-Ausgabe. Mittwoch, den 4. August 1886. Nr. 357.
Dentfchtand.
Berlin, 3. August. Aus Bayreuth wtrd
ttlegraphisch gemeldet: Am Abend d«S gestiigen
TageS ist d«r Kronprinz mit der Prinjessin Vtk-
toria sofort nach Beendigung der Paisisal-Auf.
führung wieder abgereist. D«r Weg vom Theatrr
bis zum Bahnbof war elektrisch beleuchtet und
V0« einer zahlreiche« Menschenmenge brsetzt, welche
drm Arovprinzen «nthufiastischr Ovationen dar-
brachte. Beim Abschtedr sprach der Aronprtnz
dem Bürgermrister Muncker gegenüber s«ine große
Zufriedenheit über den ihm bereiteten Empfang,
sowi» über dt« vollendete Aufführung drs „Par-
fifal" aus.
— I« Heidelberg fand heute Vormittag in
der Hetligegeistktrch« zur Etnleitung der Jubi-
läumsfrier »tn feierlichtr FestgotteSdienst statt.
Daran schloß stch um 11 Uhr der Festakt in der
Aula der Univerfität. bet welchem der Großherzog
und der Kronprtn, Ansprachen hielte« Dte Rede
des Kronpriozen lautet:
„Se. Majrstät der deutsche Kaiser hat mir
de« Auftrag zu erthetlrn geruht, Ew. k. Hoheit
und d«n hter versammelte« Vertretern und GLsten
der Univerfität Hetdelberg Hetlgruß und Glück-
wunsch zur Jubtläumsfeier zu entbiete«. Es er-
füllt mtch mit Stolz und Freudr, Zeuge zu sein
von der Begristerung, mtt welcher in dieien fest-
lichen Tagen alte und jange Söhne der Ruperto-
Earola fich um ihren fürstlichen Rektor schaaren,
um mit thm zurückzuschauen auf di« ruhmrrichr
Geschtchte di«s«r Hochschulr und mit Dank ,u Gott
inne zu werdeu, daß ste in dem halben Jahrtau-
s«»d ihreS BestaudeS nie glückitchrre Zetten ge-
fchaut hat, alS die, tn denen wir leben. Be-
gründet in drr erste» Fiühe unseres KulturlebenS,
hat di« Heidelbrrger Univrrsttät alle die Schtckun-
ge« an stch erfahren, welche dem deutschen Wesen
im Ringrn nach seibsiständiger Ausprägung ver-
hängt gewesev stnd. Sie hat ««chselnd geblüht
und grwelkt, geduldet und grstritten um Glau-
bens- und Forschungsrecht, hat Trübsal nnd Exil
rrlrage», um «ndltch gehoben »on der starke« und
milden Hand ihrer erlauchten Beschützrr dt« «hrrn-
vollen Wunden mit dem Festkletde deS StegeS zu
drckeu.
Wi« dem deutschen Volke, um dessen höchste
Güter ste fich redlich »erdtent gemacht, so ist auch
tbr rrfüllt, was Jahrhuuderte ersehnten: Jhr
Ehrenschtld strahlt glänzendrr in der Sonne des
«tuigen BaterlandeS! Mit ttefrr Bewegung gr-
denke ich heute drr großen Stuude, da Ew. kgl.
Hoheit als der Erst« dem Führer unsereS sieghaf-
ten BolkeS mtt dem «hrwürdigrn Namen des Kat-
sers gehuldtgt. Diese Erinnerung tst mir brveut-
sam für dir Feier, die wir jetzt begehen. Devn
»oravzuschreiten mit großem und gutem Entschluß
ist «in Anrecht des erlauchten Zähringer HauseS
und di«ser ruhmvollen Uuiversttät.
Es ist di« schönfir Pflicht meiner Senduvg,
rühmend zu bekennen, wie treu dt«s Htidelberg
beflisien war, die getstigeN und stttltche» Bedin-
gungen der Wiedrrgeburt unsereS VolkSthumS zu
pflrgen. Lehrenden und Lrrnenden war von jeher
hter di« gastltche Stättr berettet. Aus allrn
Gauen strömten sie hrrzu und tn den ltebenden
Arwen der ^lma muter erkannten si« fich als
Söhne der größeren Mutter wiedrr.
So hat flch hier in der Stille drS Studten-
lebrvS vorberettet, was uvs Deutsch«» nach lan-
gen Jrrung«» die Grschichte offenbart. Jm Süd
westen deS Reiches, nahe der ehemaligen Grenze
und nah» der Gefahr, lerntr der Sohn des Nor-
drns den Sohn des Südens alS Bruder lieben,
um heimgekehrt, den schönen Glauben der Volks-
gemetnschaft auszubreiten, drr uvser Hort und
unsere Stärke ist.
Nun wird «S wieder besttzen das Glück der
Vereinigung, strömt aus dem Ganzen etn kräf-
tigender Odem znrück in die alt« traute Heimath
unserer Btldung. Größer geworden stnd dte
Zwecke d«s Forschens und Strebens, davkbarer
und folgenretcher der Beruf, fie lehrend zu ver-
kündigen und lernrnd zu verstehen. Vaterland
uvd akademtsches Bürgerthum werden aber nur
dann wahrhaft segensreich auf einander wtrken,
wenu sie i» ihrer Lebensthätigkeit dte gleichen
Tugenden bewahreu.
I« höhere Gipfel iv Wtssenschaft und im
geschichtlichen Leben rrstiegen stnd, j, stolzere Zielr
wivken, desto größerer Besonnenhett und Selbst
verleugnung bedarf eS.
Die Wüvsche und die Zuverflcht, tie ich
heute der Ruperto Carola entgegrndring«, um-
schließt der Zuruf an Lehrrr und Schüler, ein-
gedenk zu bletben der Aufgabcn, die uuS geratr
im Hochgefühle d«S ErfolgeS am Etndrtngltchsten
die Seel« erfülle« sollen; in Wiffenschaft «ud
Lebe« fest zu halten an der Wahrhaftigkeit und
Strenge geistiger Zucht, a« der Förderung deS
Bruderfinnes untrr drn Genoffen, auf daß auS
dem Getstr d«s FreimutheS u»d der Friedferttgkett
dte Kraft zu der hetlsamen Arbeit wachsen möge,
dte LebenSformerr unseres Volksthums gedrthltch
auszubtlden. So mögr dieser Univerfltät, einer
der ältesten Pflavzstätte» deutscher Wiffenschaft,
beschieden seia, an Thatkraft die jkngste zu
bletben I"
— Dt, Rede d»S GroßherzogS vou Baden
in der Aula bei der Univrrfltäts-Jubtlfetrr in
Heidelberg lautet:
„Durchlauchtigster Kronprinz, höchst«, hohe,
verehrtr Gäste!
Als Mein erhabener Ahn, drr unvergrßliche
Karl Frtedrich, in den Tagen, da das Schwert
allrin zu gelten schien, in hohrr Grfinnung u»d
klarer Erkenntniß deffen, was dem Staatswesrn
daurrnd fiommt, der Universität neues Lebrn etn-
haucht«, etn wahrer zweiter Gründer derselben,
rrklärte er: Rektor der Untvrrsität wollen Wir
selbst seiu und unseren Nachfolgrr» in der Kur
dies« Würde hinterlaffen. Jn Metver Eigenschaft
als Rektor der Hochschule begrüßr Jch hrute, an
dem stolzen Tage, welchrr die fünfhundertjähnge
Jubelfeier der Lltesten Univrrsttät de« deutschen
ReichrS «inlettet, dte glänzende Versammlung, dte
uns die Ehre und die Freud« erweist, an dem br-
deutungsvollen Feste thrilzuvrhmen.
Jch freue Mich vor Allem der uns be-
glückenden Anwesenhett Sr. k. und k. Hoheit des
Kronprinzen des deutschrn RetcheS und von Preu-
ßen, drS erhabenen Vertreters unsereS KatserS
Wilhrlm, unter dessen glorreicher Regierung, un-
ter dessen gnädiger rrnd warmer Theilnahme wir
dieseS herrltche Friedensfest friern dürfen. Auch
gereicht uns zu hoher Genugthuung, daß Setne
Heiligkeit Papst Leo XIII. hierln ntcht wenigen
seinrr erhabenen Vorgävger folgend, der alten
Bildungsstätt« durch di, Widmuug einer kostbaren
wiffenschaftltchen Gabe sein freundliches Intrreffe
bekundet.
Jch tanke insbesonderr allen den Abgesand-
ten der drutschen Schwester - Anstalten, sowi« drr
vtrlrn Hochschulen und Akademtrn befreundeter
Nattonen, welche durch die Beglückwünschung der
Jubel-Univerfltät ei« so schönrs Zeuguiß abgeben
von der Einhett der Wiffenschaft.
Freuvdlich begrüße Jch die Männer auS
allen LtbenSkrrisen, denen die Föiderung der Wts-
senschaft und Kunst anvertraut ist, wtlcht unserem
Ruf sympathtsch gefolgt flnd.
Ein halbrs Jahrtausend deutscher Geschichte
hindurch hat stch diese große Anstalt allen politi-
schen Wechselu, allen äußeren Etnflüffen gegen-
über oft tn schwerrn Kämpfen behauptet und tm-
mer wieder erhoben 1» lehendiger Kraft, auf den
verschiedensten Wegen nach Wahrheit strebend, die
Jugrvd bild«»d. Sie hat das Kapttal mensch
lichen WiffenS gemehrt, str hat den Samen edler
Sitte und humaner Gesinnung in die Herzen der
Jugind gelegt. Ehre set darum dem Gründer
drr Univerfltät, Ruprecht I., und alleu derr «rha-
benen Fürsten geistlichen und wrltlichen StandrS,
welche dieser BilduvgSstätte tm Lauie der Jahr-
hunderte werkthätigr Thrtlnahme und mächtigen
Schutz gewährt haben. Jch nenne dankbar unter
Btelen Philtpp den Aufrtchttgen, Otto Heinrich,
den großrn Kenner und Freund von Kunst und
Wiffevfchaft, den unverzagten Regenerator Karl
Ludwig. Auch Johann Wilhe!« möchte tch nicht
vrrgrssen, welcher dteses Haus und diesen Saal,
den ausgezetchnet« Künstler uuserer Tage neu ge-
schmückt, der Hochschule hat erbauen laffen. Stolz
erfüllt Mich, wenn Jch der Verdienste MrineS
weisen Ahnhern gedenke, unter dessen freistnntger
und freter Regierung dte Univerfität, mit Recht
nun Ruprrto-Carola grnannt, wteder erstavden ist
und eiu« neur Blüthe gefunden hat. Wiederholt
hat die Hochschule schöpferisch etngegrtffen i» LaS
wissenschaftlich« Denken, neue Anregungen, neue
Richtungen flnd von diesem hrrrltchen Musenfltze
auSgrgangen. Auch der Kunst hat dieselb« Stätte
utcht »ur Motivr geltrfert, von der deutschen
christlichen Kunst dürfen wir wohl sagen, daß fi«
hter thrr Wiedergeburt gefrirrt.
Uud dir heutige Universttät ist threr großen
Geschichte «ürdig geblirben in Forschuvg und
Lehre. Jugendfrtsch strht fie tn lebendigem Wech-
srlverkehr mit de» Schwester - Anstalte», in der
ernsten GeisteSarbeit unserer Tagr. Bleibendr
Wrrkr tn de» GeisttSwtffenschaften, groß« Ent-
deckungen aus dem Gebtet« drr fich mächtig ent-
wickelnden Naturwifsenschaften, glänzende Beredt-
samkeit auSgezeichneter Lrhrer haben in den letz-
ten Dezennte» Hridelbergs Ruhm aufrrcht erhal-
ten, treu gemehrt.
Bei dem Etntritt iu das sechste Jahrhurrdert
ihrrr gesegnetr« Arbeit bringr ich der großen Kor-
poratiou meinen Glückwunsch dar bewrgterr freu-
digen HerzenS, in dankbarem Aufblick zu der
göttliche» Borsehung, dir so EdleS hat gelinge«
laffeu.
I» Erinnerung au das heutigr Jubelfrst
und als Zetchen Meines fürstlichen DankeS über-
geb« ich der Univerfität dirse Mrdatll« und Kett«,
welche der jeweiltgr Prorektor als Auszeichuung
tragen soll.
Jndem Jch in dieser feierltchen Stunde
Jhueu, Herr Prorektor, meine Jubelgabe anver-
traue, gebe ich gern« die Versicheruug, daß Jch,
hi-rtn unterstützt von der Weisheit und Ltberali-
tät Meiner getreuen Stände, auch in Zukunft
dtese große Bildungsanstalt hegen u»d pflegen,
ihr Schaffen mtt allen Mitteln fördern, ihr «in
treu geflrmter Rektvr setn werde.
Mögr der Ruperto-Carola uuter dem Schutze
Meines Hauses, der großen Vrrgangenheit wür-
dig, eiue herrliche Zukunft beschieden sein!
Das walte Gstt!"
— Der in hollävdischen Diensten stehrade
englisch« Dampfer „Hok Canton" aus Glasgow
wurde auf der Reise von Peuang nach Atchin von
200 Seeräubern angegriffen, die sich dem Schiffe
in 3 Bootrn genähert hatten. Es «ntspann sich
«in mörderischer Kampf in welchem drr Führrr
des SchiffeS, Kapitä» Havdson, der erste Jnge-
nieur und der «rste Steuermann getödtet wurden.
Dte r'brige Mannschaft wurd« überwälttgt und
sammt der Wittwe des KapitänS in di« Gefan-
gevschaft geschleppt. Dir Seeräuber verlangen ein
Lösegeld von 50,000 Dollars für die unglücklichr
Schiffsmaunschaft. Dte holländische« Behörden in
Atchin haben drei Kriegsschiffe und 400 Sol-
date» nach dem Schauplatzr der Ausschreitung ent-
sandt, um di« Seeräuber zu vrrfolgen. — Dtr
Affatre ist geeignet, aufs Neue Dtfferevzen zwi-
sche» England uvd Holland heraufzubeschwöre»,
devn schon früher hat zu wiederholten Malen wr-
gen Lhnlicher Vorgänge die «vglische Rrgirrung
energischr Rrklawationrn rrhoben, bezw. der hol-
ländische« Regierung die Aawenduvg vo« rnrrgt-
sche« Maßrrgrl» gegen dte dem Namrn nach un-
trr holländtschrr Oberhohrtt stehraden Atchinesen
angedroht.
— Das Resultat der am Sonntag in Frank-
rrich vollzogeneu Generalrathswahlen liegt nun-
mrhr ziewlich vollständig vor. Es flnd bts hrutr
1401 Gen«ralraths«ahltn bekannt ; von den Ge-
wählte« gehöre» 829 dr« Rrpublikanrr», 402
den Konservattvr« an. 170 Stichwahlrn haben
stattgrfunden. Dir Rcpubltkaner haben 69 Stß«
gewonnen und 83 verlorr». Dtr Monarchtste»
haben also btsher 14 Sitze gewovnrn.
— Di« Fragr hinsichtlich drr Anknüpfung
direkter dtplomatischer Bezirhungen zwischen dem
päpstlichen Stuhle und Chtna ist nunmehr end-
gültig rntschiedrn. Hterüber ltegt folgend« tele-
graphtschr Mttthrilung »or:
Rom , 2. August. Das diplomatisch« Korps
ist davon brnachrichtigt worden, daß der Papst
endgüitig beschloffen habe, untrr dem Tttel eineS
apostoltschen Delegatrn und Mtnisterrestdenten
einen diplomattjchen Vertreter vach Peking zu
entsendrn. Die chtnrfische Regirrung wir» den 1n
London beglaubigtea Gesandten auch beim Vatt-
kan akkredtttren.
— Ein« der vach allen Beziehungen folgen-
reichstrn Unternehmungen würde die Ausführung
einer telegraphischen Verbindung zwischen Chtua
mit Teutschland auf dem Landwege über Rußlaud
bilden. Der „Natioval - Zeitung" schretbt ma«
darüber: Eine solche Telegraphevlinie würd« außer
thren poltttsche« uvd wtrthschaftlichen Folgen auch
rine« großen Stoß i» dt» Maurr geben, mit der
fich China bts jetzt von der «uropätschrn Kultur
abgeschlofse» hat. NichtS steht «inrr Annäherurrg
zwischen China und dem Abendlandr mehr ent-
gegen, als dir chinestsche Zeichensprache mit ihrra
kaum überwindlichen Schwierigkettrn. Da ma«
aber ketne Zeichen telegraphire» kann, so ist Lie
Etnführung de- Telegraphtnwrsens in Chtna glrich-
bedeutend mit dem Brginn drr Etnführung der
Buchstabenschrtft. Es ltegt nah», anzuuehmen,
deß dtese Plänr auch von der deutschen Telegra-
phenverwaltung mtt größtem Jnterrss« verfolgt
werden. Der Londonrr „Standard" behauptrt,
daß dir Reisr deS MarquiS Tseng nach D«utsch-
land hauptsächlich deShalb veranlaßt sei, um «inr
Erleichterung in dem telegraphtschen Verkehr von
China durch Rußland und Deutschland nach West-
europa hrrbeizuführen. Für China soll dieselbr
Vergünstigung erzielt werden, dte durch den drutsch-
russtsche« Vertrag bewerkstrlligt wordru ist, und
zwar tm Anschluß an dte neu« Linie, welchr dtr
chtnestschr Regierung von Peking nach Ktakhta oder
Maimatschin ,u baurn beabfichttgt. Wenn ri»
dahtn ztelendes Abkommen zwischen Chtna, Ruß-
land und Deutschland getroffen werden jollte, so
würden fortan Depeschen zwischen Chtna und
Evgland nur halb so viel koste», wie biSher.
Wtr laffeu dahirrgestellt, ob «s gerade dieser
Gegrnstand tst, d«r bei der Reise dcS Marquis
Tseng einr Hauptrolle spitlt; die chinestjche Re-
girrung beschäftigt fich indtssen anscheinend srhr
rrnstlich mtt dteser Telegraphenverbindung, die
ihren Berkrhr mit Europa von dem «nglischea
und französtschen Kabel unabhängig machen soll.
— Nach «iner seitens deS KrtegSmtnisterS
an den Justizmintster «rgangenen Mitthetlung hat
sich seit einer Reihe von Jahren dir Zahl der
Fälle stettg vermehrt, tn denen die Militärgerichtr
Untersuchungen wegen svlcher strafbaren Handlun-
gen zu führen hatte», welche von de» betrrffe»-
den Mtlitärprrsonen vor drm Eintrttt in den
Dtenststand begangen und vor dtesem Zeitpunkt
auch schon bei den Ziviljusttzbehörden zur Anzetge
grdracht waren. Aug der Vermehrung der ge-
dachtrn Fälle erwachsr», vach AuSführun d«S ge-
dachten MinisterS, für di« mtlitärdtenstltchen Jn-
tereffen erhebliche Nachthetl«, da dtr AuSbildung
der Rekruten durch dir Untersuchung und Straf-
vollstreckung berinträchtigt wird. Außerdem abrr
muß, da di« zu vernehmenden Zeugen fast immer
stch nicht am Orte deS MilttärgerichtS, sonder»
in der Heimath des Beschuldigten befinden, die
Untersuchung regelmäßtg im Requiflttousweg« dem
betrrffrnden Zivtlgertcht übertragen werden, «nd
auch hteraus ergeben fich Uvzuträglichkeitrn, na-
weatltch dann, wenn Gegenüberstellungen d«s Be-
schuldtgten mit anderen Personen «rforderlich sind.
Mit Rückficht auf dtes« Mtßständ. hat, d.m
„Havn. Kour." zufolge, der Justizmiiristrr durch
eine allgemeinr Verfügung vom 23. Jult cr. den
Beamtrn drr Staatsanwaltschaft zur Pflicht gr-
macht, brt der Prüfung der eingehenden Anzei-
gen, wte auch bei ihrrn weiteren Maßnahmen
darauf zu achten, ob etwa der Beschuldtgte ta
mtlttärpflichtigem Alter (8 20 der Ersatzordnung)
steht, oder doch demselben nahr ist. Sofern dtrS
zutrifft, haben dte gedachten Beamten unverzüg-
ltch zu ermitteln, od und eventuell zu welchem
Zritpunkte dte Etnstelluvg deS Beschuldtgten tn
das Heer bevorsteht, und str haben gegebenen
FalleS sür die mögltchst« Beschleunigung deS Ver-
fahrens Sorg« zu tragen, damit, soweit thunlich,
dt« Untersuchung und die Strasvollstreckung noch
vor dem EinstellungStrrmtne zum Abschluß gr-
bracht wrrdr. Auch den Gerichten hat der Justiz-
minister dt« mögltchstr Beschlruniguvg drS Ber-
sahrenS in den gedachten Strafsachru und den
Vorsißende« ivSbesondrre dir Anbrraumung der
Hauptverhandlunge« auf nah« TerminStag« em-
Pfohlrn.
AmKlaud.
Amerika. Aus St. Iohvs (Neufuvd-
land) wtrd unterm 30. ». Mts. gemeldet, daß
dte jüngsten traurtgru Nachrichten über dir Hun-
gersnoth i« Labrador am 27. v. MtS. dorthin
von rivem Schooner gebracht wurdev, der von
Labrador via das nördliche Neufundland ange-
kommen war. Die Nachrtchten find noch ntcht
wtLerrufen, allei« es wird jetzt geglaubt, daß ste
sehr übertrieben sind. Jm nördlichen Theil« von
Aovahme vou Jnseraten Schnlzcnstraße 9 Md Kirchplatz 3.
Redaktio» nnd Expeditiou Kirchplatz 3.
Aboanemem stir Stettin monatlich 50 Pfg., mtt TrSgerlohn 70 Pfg..
auf ver Post vierteljährlich 2 Ml., mü LandbriestrSgergeld 2 M. 50 Pfg
Jnserate die Petttzeile 15 Pfemngr.
Morgen-Ausgabe. Mittwoch, den 4. August 1886. Nr. 357.
Dentfchtand.
Berlin, 3. August. Aus Bayreuth wtrd
ttlegraphisch gemeldet: Am Abend d«S gestiigen
TageS ist d«r Kronprinz mit der Prinjessin Vtk-
toria sofort nach Beendigung der Paisisal-Auf.
führung wieder abgereist. D«r Weg vom Theatrr
bis zum Bahnbof war elektrisch beleuchtet und
V0« einer zahlreiche« Menschenmenge brsetzt, welche
drm Arovprinzen «nthufiastischr Ovationen dar-
brachte. Beim Abschtedr sprach der Aronprtnz
dem Bürgermrister Muncker gegenüber s«ine große
Zufriedenheit über den ihm bereiteten Empfang,
sowi» über dt« vollendete Aufführung drs „Par-
fifal" aus.
— I« Heidelberg fand heute Vormittag in
der Hetligegeistktrch« zur Etnleitung der Jubi-
läumsfrier »tn feierlichtr FestgotteSdienst statt.
Daran schloß stch um 11 Uhr der Festakt in der
Aula der Univerfität. bet welchem der Großherzog
und der Kronprtn, Ansprachen hielte« Dte Rede
des Kronpriozen lautet:
„Se. Majrstät der deutsche Kaiser hat mir
de« Auftrag zu erthetlrn geruht, Ew. k. Hoheit
und d«n hter versammelte« Vertretern und GLsten
der Univerfität Hetdelberg Hetlgruß und Glück-
wunsch zur Jubtläumsfeier zu entbiete«. Es er-
füllt mtch mit Stolz und Freudr, Zeuge zu sein
von der Begristerung, mtt welcher in dieien fest-
lichen Tagen alte und jange Söhne der Ruperto-
Earola fich um ihren fürstlichen Rektor schaaren,
um mit thm zurückzuschauen auf di« ruhmrrichr
Geschtchte di«s«r Hochschulr und mit Dank ,u Gott
inne zu werdeu, daß ste in dem halben Jahrtau-
s«»d ihreS BestaudeS nie glückitchrre Zetten ge-
fchaut hat, alS die, tn denen wir leben. Be-
gründet in drr erste» Fiühe unseres KulturlebenS,
hat di« Heidelbrrger Univrrsttät alle die Schtckun-
ge« an stch erfahren, welche dem deutschen Wesen
im Ringrn nach seibsiständiger Ausprägung ver-
hängt gewesev stnd. Sie hat ««chselnd geblüht
und grwelkt, geduldet und grstritten um Glau-
bens- und Forschungsrecht, hat Trübsal nnd Exil
rrlrage», um «ndltch gehoben »on der starke« und
milden Hand ihrer erlauchten Beschützrr dt« «hrrn-
vollen Wunden mit dem Festkletde deS StegeS zu
drckeu.
Wi« dem deutschen Volke, um dessen höchste
Güter ste fich redlich »erdtent gemacht, so ist auch
tbr rrfüllt, was Jahrhuuderte ersehnten: Jhr
Ehrenschtld strahlt glänzendrr in der Sonne des
«tuigen BaterlandeS! Mit ttefrr Bewegung gr-
denke ich heute drr großen Stuude, da Ew. kgl.
Hoheit als der Erst« dem Führer unsereS sieghaf-
ten BolkeS mtt dem «hrwürdigrn Namen des Kat-
sers gehuldtgt. Diese Erinnerung tst mir brveut-
sam für dir Feier, die wir jetzt begehen. Devn
»oravzuschreiten mit großem und gutem Entschluß
ist «in Anrecht des erlauchten Zähringer HauseS
und di«ser ruhmvollen Uuiversttät.
Es ist di« schönfir Pflicht meiner Senduvg,
rühmend zu bekennen, wie treu dt«s Htidelberg
beflisien war, die getstigeN und stttltche» Bedin-
gungen der Wiedrrgeburt unsereS VolkSthumS zu
pflrgen. Lehrenden und Lrrnenden war von jeher
hter di« gastltche Stättr berettet. Aus allrn
Gauen strömten sie hrrzu und tn den ltebenden
Arwen der ^lma muter erkannten si« fich als
Söhne der größeren Mutter wiedrr.
So hat flch hier in der Stille drS Studten-
lebrvS vorberettet, was uvs Deutsch«» nach lan-
gen Jrrung«» die Grschichte offenbart. Jm Süd
westen deS Reiches, nahe der ehemaligen Grenze
und nah» der Gefahr, lerntr der Sohn des Nor-
drns den Sohn des Südens alS Bruder lieben,
um heimgekehrt, den schönen Glauben der Volks-
gemetnschaft auszubreiten, drr uvser Hort und
unsere Stärke ist.
Nun wird «S wieder besttzen das Glück der
Vereinigung, strömt aus dem Ganzen etn kräf-
tigender Odem znrück in die alt« traute Heimath
unserer Btldung. Größer geworden stnd dte
Zwecke d«s Forschens und Strebens, davkbarer
und folgenretcher der Beruf, fie lehrend zu ver-
kündigen und lernrnd zu verstehen. Vaterland
uvd akademtsches Bürgerthum werden aber nur
dann wahrhaft segensreich auf einander wtrken,
wenu sie i» ihrer Lebensthätigkeit dte gleichen
Tugenden bewahreu.
I« höhere Gipfel iv Wtssenschaft und im
geschichtlichen Leben rrstiegen stnd, j, stolzere Zielr
wivken, desto größerer Besonnenhett und Selbst
verleugnung bedarf eS.
Die Wüvsche und die Zuverflcht, tie ich
heute der Ruperto Carola entgegrndring«, um-
schließt der Zuruf an Lehrrr und Schüler, ein-
gedenk zu bletben der Aufgabcn, die uuS geratr
im Hochgefühle d«S ErfolgeS am Etndrtngltchsten
die Seel« erfülle« sollen; in Wiffenschaft «ud
Lebe« fest zu halten an der Wahrhaftigkeit und
Strenge geistiger Zucht, a« der Förderung deS
Bruderfinnes untrr drn Genoffen, auf daß auS
dem Getstr d«s FreimutheS u»d der Friedferttgkett
dte Kraft zu der hetlsamen Arbeit wachsen möge,
dte LebenSformerr unseres Volksthums gedrthltch
auszubtlden. So mögr dieser Univerfltät, einer
der ältesten Pflavzstätte» deutscher Wiffenschaft,
beschieden seia, an Thatkraft die jkngste zu
bletben I"
— Dt, Rede d»S GroßherzogS vou Baden
in der Aula bei der Univrrfltäts-Jubtlfetrr in
Heidelberg lautet:
„Durchlauchtigster Kronprinz, höchst«, hohe,
verehrtr Gäste!
Als Mein erhabener Ahn, drr unvergrßliche
Karl Frtedrich, in den Tagen, da das Schwert
allrin zu gelten schien, in hohrr Grfinnung u»d
klarer Erkenntniß deffen, was dem Staatswesrn
daurrnd fiommt, der Universität neues Lebrn etn-
haucht«, etn wahrer zweiter Gründer derselben,
rrklärte er: Rektor der Untvrrsität wollen Wir
selbst seiu und unseren Nachfolgrr» in der Kur
dies« Würde hinterlaffen. Jn Metver Eigenschaft
als Rektor der Hochschule begrüßr Jch hrute, an
dem stolzen Tage, welchrr die fünfhundertjähnge
Jubelfeier der Lltesten Univrrsttät de« deutschen
ReichrS «inlettet, dte glänzende Versammlung, dte
uns die Ehre und die Freud« erweist, an dem br-
deutungsvollen Feste thrilzuvrhmen.
Jch freue Mich vor Allem der uns be-
glückenden Anwesenhett Sr. k. und k. Hoheit des
Kronprinzen des deutschrn RetcheS und von Preu-
ßen, drS erhabenen Vertreters unsereS KatserS
Wilhrlm, unter dessen glorreicher Regierung, un-
ter dessen gnädiger rrnd warmer Theilnahme wir
dieseS herrltche Friedensfest friern dürfen. Auch
gereicht uns zu hoher Genugthuung, daß Setne
Heiligkeit Papst Leo XIII. hierln ntcht wenigen
seinrr erhabenen Vorgävger folgend, der alten
Bildungsstätt« durch di, Widmuug einer kostbaren
wiffenschaftltchen Gabe sein freundliches Intrreffe
bekundet.
Jch tanke insbesonderr allen den Abgesand-
ten der drutschen Schwester - Anstalten, sowi« drr
vtrlrn Hochschulen und Akademtrn befreundeter
Nattonen, welche durch die Beglückwünschung der
Jubel-Univerfltät ei« so schönrs Zeuguiß abgeben
von der Einhett der Wiffenschaft.
Freuvdlich begrüße Jch die Männer auS
allen LtbenSkrrisen, denen die Föiderung der Wts-
senschaft und Kunst anvertraut ist, wtlcht unserem
Ruf sympathtsch gefolgt flnd.
Ein halbrs Jahrtausend deutscher Geschichte
hindurch hat stch diese große Anstalt allen politi-
schen Wechselu, allen äußeren Etnflüffen gegen-
über oft tn schwerrn Kämpfen behauptet und tm-
mer wieder erhoben 1» lehendiger Kraft, auf den
verschiedensten Wegen nach Wahrheit strebend, die
Jugrvd bild«»d. Sie hat das Kapttal mensch
lichen WiffenS gemehrt, str hat den Samen edler
Sitte und humaner Gesinnung in die Herzen der
Jugind gelegt. Ehre set darum dem Gründer
drr Univerfltät, Ruprecht I., und alleu derr «rha-
benen Fürsten geistlichen und wrltlichen StandrS,
welche dieser BilduvgSstätte tm Lauie der Jahr-
hunderte werkthätigr Thrtlnahme und mächtigen
Schutz gewährt haben. Jch nenne dankbar unter
Btelen Philtpp den Aufrtchttgen, Otto Heinrich,
den großrn Kenner und Freund von Kunst und
Wiffevfchaft, den unverzagten Regenerator Karl
Ludwig. Auch Johann Wilhe!« möchte tch nicht
vrrgrssen, welcher dteses Haus und diesen Saal,
den ausgezetchnet« Künstler uuserer Tage neu ge-
schmückt, der Hochschule hat erbauen laffen. Stolz
erfüllt Mich, wenn Jch der Verdienste MrineS
weisen Ahnhern gedenke, unter dessen freistnntger
und freter Regierung dte Univerfität, mit Recht
nun Ruprrto-Carola grnannt, wteder erstavden ist
und eiu« neur Blüthe gefunden hat. Wiederholt
hat die Hochschule schöpferisch etngegrtffen i» LaS
wissenschaftlich« Denken, neue Anregungen, neue
Richtungen flnd von diesem hrrrltchen Musenfltze
auSgrgangen. Auch der Kunst hat dieselb« Stätte
utcht »ur Motivr geltrfert, von der deutschen
christlichen Kunst dürfen wir wohl sagen, daß fi«
hter thrr Wiedergeburt gefrirrt.
Uud dir heutige Universttät ist threr großen
Geschichte «ürdig geblirben in Forschuvg und
Lehre. Jugendfrtsch strht fie tn lebendigem Wech-
srlverkehr mit de» Schwester - Anstalte», in der
ernsten GeisteSarbeit unserer Tagr. Bleibendr
Wrrkr tn de» GeisttSwtffenschaften, groß« Ent-
deckungen aus dem Gebtet« drr fich mächtig ent-
wickelnden Naturwifsenschaften, glänzende Beredt-
samkeit auSgezeichneter Lrhrer haben in den letz-
ten Dezennte» Hridelbergs Ruhm aufrrcht erhal-
ten, treu gemehrt.
Bei dem Etntritt iu das sechste Jahrhurrdert
ihrrr gesegnetr« Arbeit bringr ich der großen Kor-
poratiou meinen Glückwunsch dar bewrgterr freu-
digen HerzenS, in dankbarem Aufblick zu der
göttliche» Borsehung, dir so EdleS hat gelinge«
laffeu.
I» Erinnerung au das heutigr Jubelfrst
und als Zetchen Meines fürstlichen DankeS über-
geb« ich der Univerfität dirse Mrdatll« und Kett«,
welche der jeweiltgr Prorektor als Auszeichuung
tragen soll.
Jndem Jch in dieser feierltchen Stunde
Jhueu, Herr Prorektor, meine Jubelgabe anver-
traue, gebe ich gern« die Versicheruug, daß Jch,
hi-rtn unterstützt von der Weisheit und Ltberali-
tät Meiner getreuen Stände, auch in Zukunft
dtese große Bildungsanstalt hegen u»d pflegen,
ihr Schaffen mtt allen Mitteln fördern, ihr «in
treu geflrmter Rektvr setn werde.
Mögr der Ruperto-Carola uuter dem Schutze
Meines Hauses, der großen Vrrgangenheit wür-
dig, eiue herrliche Zukunft beschieden sein!
Das walte Gstt!"
— Der in hollävdischen Diensten stehrade
englisch« Dampfer „Hok Canton" aus Glasgow
wurde auf der Reise von Peuang nach Atchin von
200 Seeräubern angegriffen, die sich dem Schiffe
in 3 Bootrn genähert hatten. Es «ntspann sich
«in mörderischer Kampf in welchem drr Führrr
des SchiffeS, Kapitä» Havdson, der erste Jnge-
nieur und der «rste Steuermann getödtet wurden.
Dte r'brige Mannschaft wurd« überwälttgt und
sammt der Wittwe des KapitänS in di« Gefan-
gevschaft geschleppt. Dir Seeräuber verlangen ein
Lösegeld von 50,000 Dollars für die unglücklichr
Schiffsmaunschaft. Dte holländische« Behörden in
Atchin haben drei Kriegsschiffe und 400 Sol-
date» nach dem Schauplatzr der Ausschreitung ent-
sandt, um di« Seeräuber zu vrrfolgen. — Dtr
Affatre ist geeignet, aufs Neue Dtfferevzen zwi-
sche» England uvd Holland heraufzubeschwöre»,
devn schon früher hat zu wiederholten Malen wr-
gen Lhnlicher Vorgänge die «vglische Rrgirrung
energischr Rrklawationrn rrhoben, bezw. der hol-
ländische« Regierung die Aawenduvg vo« rnrrgt-
sche« Maßrrgrl» gegen dte dem Namrn nach un-
trr holländtschrr Oberhohrtt stehraden Atchinesen
angedroht.
— Das Resultat der am Sonntag in Frank-
rrich vollzogeneu Generalrathswahlen liegt nun-
mrhr ziewlich vollständig vor. Es flnd bts hrutr
1401 Gen«ralraths«ahltn bekannt ; von den Ge-
wählte« gehöre» 829 dr« Rrpublikanrr», 402
den Konservattvr« an. 170 Stichwahlrn haben
stattgrfunden. Dir Rcpubltkaner haben 69 Stß«
gewonnen und 83 verlorr». Dtr Monarchtste»
haben also btsher 14 Sitze gewovnrn.
— Di« Fragr hinsichtlich drr Anknüpfung
direkter dtplomatischer Bezirhungen zwischen dem
päpstlichen Stuhle und Chtna ist nunmehr end-
gültig rntschiedrn. Hterüber ltegt folgend« tele-
graphtschr Mttthrilung »or:
Rom , 2. August. Das diplomatisch« Korps
ist davon brnachrichtigt worden, daß der Papst
endgüitig beschloffen habe, untrr dem Tttel eineS
apostoltschen Delegatrn und Mtnisterrestdenten
einen diplomattjchen Vertreter vach Peking zu
entsendrn. Die chtnrfische Regirrung wir» den 1n
London beglaubigtea Gesandten auch beim Vatt-
kan akkredtttren.
— Ein« der vach allen Beziehungen folgen-
reichstrn Unternehmungen würde die Ausführung
einer telegraphischen Verbindung zwischen Chtua
mit Teutschland auf dem Landwege über Rußlaud
bilden. Der „Natioval - Zeitung" schretbt ma«
darüber: Eine solche Telegraphevlinie würd« außer
thren poltttsche« uvd wtrthschaftlichen Folgen auch
rine« großen Stoß i» dt» Maurr geben, mit der
fich China bts jetzt von der «uropätschrn Kultur
abgeschlofse» hat. NichtS steht «inrr Annäherurrg
zwischen China und dem Abendlandr mehr ent-
gegen, als dir chinestsche Zeichensprache mit ihrra
kaum überwindlichen Schwierigkettrn. Da ma«
aber ketne Zeichen telegraphire» kann, so ist Lie
Etnführung de- Telegraphtnwrsens in Chtna glrich-
bedeutend mit dem Brginn drr Etnführung der
Buchstabenschrtft. Es ltegt nah», anzuuehmen,
deß dtese Plänr auch von der deutschen Telegra-
phenverwaltung mtt größtem Jnterrss« verfolgt
werden. Der Londonrr „Standard" behauptrt,
daß dir Reisr deS MarquiS Tseng nach D«utsch-
land hauptsächlich deShalb veranlaßt sei, um «inr
Erleichterung in dem telegraphtschen Verkehr von
China durch Rußland und Deutschland nach West-
europa hrrbeizuführen. Für China soll dieselbr
Vergünstigung erzielt werden, dte durch den drutsch-
russtsche« Vertrag bewerkstrlligt wordru ist, und
zwar tm Anschluß an dte neu« Linie, welchr dtr
chtnestschr Regierung von Peking nach Ktakhta oder
Maimatschin ,u baurn beabfichttgt. Wenn ri»
dahtn ztelendes Abkommen zwischen Chtna, Ruß-
land und Deutschland getroffen werden jollte, so
würden fortan Depeschen zwischen Chtna und
Evgland nur halb so viel koste», wie biSher.
Wtr laffeu dahirrgestellt, ob «s gerade dieser
Gegrnstand tst, d«r bei der Reise dcS Marquis
Tseng einr Hauptrolle spitlt; die chinestjche Re-
girrung beschäftigt fich indtssen anscheinend srhr
rrnstlich mtt dteser Telegraphenverbindung, die
ihren Berkrhr mit Europa von dem «nglischea
und französtschen Kabel unabhängig machen soll.
— Nach «iner seitens deS KrtegSmtnisterS
an den Justizmintster «rgangenen Mitthetlung hat
sich seit einer Reihe von Jahren dir Zahl der
Fälle stettg vermehrt, tn denen die Militärgerichtr
Untersuchungen wegen svlcher strafbaren Handlun-
gen zu führen hatte», welche von de» betrrffe»-
den Mtlitärprrsonen vor drm Eintrttt in den
Dtenststand begangen und vor dtesem Zeitpunkt
auch schon bei den Ziviljusttzbehörden zur Anzetge
grdracht waren. Aug der Vermehrung der ge-
dachtrn Fälle erwachsr», vach AuSführun d«S ge-
dachten MinisterS, für di« mtlitärdtenstltchen Jn-
tereffen erhebliche Nachthetl«, da dtr AuSbildung
der Rekruten durch dir Untersuchung und Straf-
vollstreckung berinträchtigt wird. Außerdem abrr
muß, da di« zu vernehmenden Zeugen fast immer
stch nicht am Orte deS MilttärgerichtS, sonder»
in der Heimath des Beschuldigten befinden, die
Untersuchung regelmäßtg im Requiflttousweg« dem
betrrffrnden Zivtlgertcht übertragen werden, «nd
auch hteraus ergeben fich Uvzuträglichkeitrn, na-
weatltch dann, wenn Gegenüberstellungen d«s Be-
schuldtgten mit anderen Personen «rforderlich sind.
Mit Rückficht auf dtes« Mtßständ. hat, d.m
„Havn. Kour." zufolge, der Justizmiiristrr durch
eine allgemeinr Verfügung vom 23. Jult cr. den
Beamtrn drr Staatsanwaltschaft zur Pflicht gr-
macht, brt der Prüfung der eingehenden Anzei-
gen, wte auch bei ihrrn weiteren Maßnahmen
darauf zu achten, ob etwa der Beschuldtgte ta
mtlttärpflichtigem Alter (8 20 der Ersatzordnung)
steht, oder doch demselben nahr ist. Sofern dtrS
zutrifft, haben dte gedachten Beamten unverzüg-
ltch zu ermitteln, od und eventuell zu welchem
Zritpunkte dte Etnstelluvg deS Beschuldtgten tn
das Heer bevorsteht, und str haben gegebenen
FalleS sür die mögltchst« Beschleunigung deS Ver-
fahrens Sorg« zu tragen, damit, soweit thunlich,
dt« Untersuchung und die Strasvollstreckung noch
vor dem EinstellungStrrmtne zum Abschluß gr-
bracht wrrdr. Auch den Gerichten hat der Justiz-
minister dt« mögltchstr Beschlruniguvg drS Ber-
sahrenS in den gedachten Strafsachru und den
Vorsißende« ivSbesondrre dir Anbrraumung der
Hauptverhandlunge« auf nah« TerminStag« em-
Pfohlrn.
AmKlaud.
Amerika. Aus St. Iohvs (Neufuvd-
land) wtrd unterm 30. ». Mts. gemeldet, daß
dte jüngsten traurtgru Nachrichten über dir Hun-
gersnoth i« Labrador am 27. v. MtS. dorthin
von rivem Schooner gebracht wurdev, der von
Labrador via das nördliche Neufundland ange-
kommen war. Die Nachrtchten find noch ntcht
wtLerrufen, allei« es wird jetzt geglaubt, daß ste
sehr übertrieben sind. Jm nördlichen Theil« von