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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Vogtländischer Anzeiger und Tageblatt — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.16726#0005
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WsgWrMfcher .Nr-.zesHvir A«b UcrgsKkcrlL, Keits 8.

Freiberg. Ein Wortwechsel, dcn mehrcre hiesige Einwohner
bcim Nachhausegehen von einem Vergnügen Montag srüh 4 Uhr
auf dcr Jnnercn Bahnhossstraße hatten, artete in cine heftige
Schlägerci aus, bei welchcr der erste Angreiscr, cin hiesiger Former,
durch Stockschläge solche Verlctzungcn erhielt, daß cr im Stadt.
krankenhauss untergebracht werden mußte. Die beiden Haupt«
schläger, cin Oekonom und ein Stellmachergehilse, wurden der
Staatsanwaltschaft zugcsührt.

Leipzig. Wie das „Tagebl." von kompetenter Seite er-
fährt. hat Se. Majestät der König die Einladung, den Feier«
lichkeitcn der Wiedereröfsnung des städtischen Museums
und der Enthüllung des monumentalen Brunnens aus dem
Augustusplatze bcizuvohnen, allergnädigst angenommen. Die Feier«
lichkciten wcrden am 1. Septbr. Vormittags 11 Uhr stattfinden.

2. Leipzig. Alljährlich am 3. August kehrt das Lcipziger
Fischerstechen wieder, das von den Äipziger Fischern in der
gleichen Weise seftlich bcgangen wird. CZ ist eine von alten
Zeiten mit hcrübergenommene Einrichtung, die sich die Leipjiger
Fischer nicht nehmcn losscn. Und selbst wcnn man sie aus
ihrem Heiligthum, dcm GeDäffer, herausdrängt, so suchen sie sich
onderswo eine Zufluchtrstätte, und die finden sie sichcr in der
Nähe der alten „Seestadt" Lcipzig. Nachdem die immcr und
immer mehr wachsende Großstadt Leipzig sogar den Schimmel«
schrn Teich in ihr Bsreich zoz, um ihn trocken zu legen und
später mit Häusern zu besetzen, sind die Fischer dieser unaushalt«
samen Macht gewichcn und halten nunmehr ihr Fest auf cinem
Teiche im benachbarten Lindenau ab. Sie sührten dort die
Pantomime „Ein Jahr in den Kolonien Asrikas" odcr „Erleb-
nifse des Unterosfiziers Pieske" auf. Der Aussührung ging wie
immer der Wasscrkampf und das Aalringen voraus. Vor dicser
Fesllichkeit fand in Leipzig ein Umzug durch die Stroßen der
Stadt Statt. — Der Resormvcrein hiclt eine Versammlung
in der „Thalia" ab, in welcher dcr wackcre Vorkämpfer des Anti«
scmitismus, Hcrr Liebcrmann von Sonnenberg, vor seiner
Abreise nach Amcrika noch cinmal sprach. Das Thcma lautete:
„Die Zicle der Reformbewegung und die Gründung
eincr großen nationalen Partci." Der geschütztc Rcdner
wies in überzeugender Weise nach, wie noth jenc neue Partei
thut, und ging über auf die Gegensätze zwischen Kapital und
Arbeit und hob hierbei a!s Grundübel die Anhäufung deS Kapi«
ta!s in dcn Händen des internationalen Judenthums hervor. Er
bekämpfte den schädlichen Parlamentarismus und wünschte nur
Vertretcr dcr gcistigen und körperlichcn Arbeit in den Rrichstag
gewählt zu sehen. Dic RcLe war von hoher Begcisterung für
alles Edle und Schöne sowie größtem Patnoiismus durchglüht.
Nach Schluß des lebhaft applaudirten Vortrags ernannte der
hiefige Rcformverein H-rrn Liebermann von Sonnenberg zu seinem
Ehicnmitgliede. Nach einem Hoch aus den Antisemitsmus
sang die Versammlung stchend das Lied „Deutschland, Deutsch-
land übcr ALes", und cin Hoch auf Kaiser und König schloß die-
selbe, an die sich noch ein privater Kommers arschloß. — Zur
Beisetzung der sterblichen Ueberreste dcs Altmeisters Liszt ist Herr
Kapellmeister Nikisch nach Baireuth abgercist, um im Namen
dcr Dircktion deS Lnpziger Stadttheatcrs cinen Kranz auf das
Grab dcs großcn Todtcn zu legen. — Bci dem Iubiläum
der Heidelbcrger Univcrsität ist die LUpziger Universität
durch ihre beiüen höchstcn Magistrate, Rektor und Prorcktor Hof-
rath vr. Zirkel und Geh. Rath vr. Windscheid, verireten.

Oschatz. Eines Aktes der größtcn Rohheit und Verkommen-
heit machte sich am 31. Juli ein Handelsmann T. aus cinem
bsnachbarten Orte schuldig. Dersclde, von Leipzig kommend, traf
in Kühren mit den Handelsmännern B. und M. zusammcn.
Hier benutzte T. einen Eimer B.'s, wclchcn cr jedoch vergaß
zurückzugeben. B., den Diebstah! rechtzeitig bemrrkend, fordcrte
in Gegenwart T.'s M. vls Zcugcn auf. M. gab auch vor, den
Thatbestand brstätigen ru wollcn. Nach dirsim Zwischcr.falle fuhr
T. nach Dahlcn zu; M. folzte kurz danach. Jm Kührener Walde
hielt T. sein Gefährt an, ging ein Stück zurück und legte sich
in den Straßengrabcn, den M. erwartend. Beim Herannohen
dcssclbcn sprang T. aus und schlug M. mit den Woiten „Warte
Du L., ich will Dir daS Zcugen einstreichen, es ist Dein Letzt-s,
ich schlage Dich todt —" mit dem Bindestücke seines Wagcns
so lange, bir diescr anscheincnd seinen Geist ausgab. T. spannte
hierauf das Pserd ab, wars dcn Wagen in den Chaussecgraben
und fuhr nun mit seinem Geschirr weitcr. Jn Luppe kehrtc er
im Gasthofe ein und gab hier vor, daß ihn eine Räuberbands
hätte übersallen wollen. Er sci z«ar entkommen, doch M- würden
fie wohl erwischt haben. Ein Sohn des M. fand scinen Vater
in schrecklichcm Zustande; doch war es ihm noch möglich, über
dcn Vorgang kurze Mittheilungen zu machen. Die zugezogenen
Aerzte konstatirten zwar bedeutende Kopfoerletzungen, doch glaubirn
ste nicht, daß diese den Tod des über 60 Jahre alten Mannes
herbeisühren werdcn. T. wurde noch an vcmselben Tage verhafiet
und dcm hiesigen AmtSgcfängnisse zugesührt.

Tharant. Dem Vernehmen nach beabsichtigen 20 Studi«
rende ber hiestgen Forstakademic, untcr der Führung der Prosessorcn
Judeich, Neumeister ur.d Nitsche in der Zeit vom 15. bis 28.
August cine größere forstliche Studienreise zu unternehmen. Die
Tour beginnt in Leipzig und endet in Hcidclberg. Berührt weiden
ous derselben Eisenach, Themai, Lichtcnfels, K-onach, Bamberg,
der Spessart, Franksurt und Darmftadt.

Pirna. Der am Sonntsg Abend aus dcr Pirna-Arnsdorfer
Bahnlinie überfahrene Bahnwärter Müllcr, wklcher alsdann nach
Dresden überfühit und in der Diakonisfcnanstalt untergebracht
«urde, ist dortselbst seinen schweren Verletzungen erlegerr. —
Die Lescr werden sich noch dcr aufregenden Asfaire erinncrn,
welche sich am 29. April d. I. im nahen Großcotta abspielte
und bei welcher bckanntlich dcr Gärtnkreibesitzer Wohitt von
eincm srcchcn Eindringling in ben Kops geschossen wurdc. Drr
betreffende Uebelthäter ist in der Person d«s 18jährigen Diax
Winklcr aus Oschatz in Trcuen i. V. dingfeft gcmacht worben;
die Verhandlung gegen densclben hat jedoch wegen Krankhrit d-r
Hauptzeugin, Frau Haacke in Großcotta, noch nicht angesrtzt
w'.rdm könncn. Wohitt ist schon seit längerer Zrit wieder hrr«
tzcstellt, da cs den Aerzten gelungen war, die obcrhaib des AugeS
Eingedrungene Kugel glücklich zu cntfernen.

Dresden. Bezüglich der künstlichen Zubereiiunz von Lebens-
wittcln hat das Kgl. Amtsgericht zu Drcsden dicser Tags eine
Enischeidung getrvffcn, welche von allgemeinerem Jntercffe sein
dürste. Drei hicfige Kauflcute, welche die „Kunstbutter", cine

Bezeichnung, welche übrigcns laut Bekannimachung deS Stadtraths
nicht zulässig ist, dcs Fabrikanten Mohr in Ottensen als echtr
Gutsmischbutter verkausten, hatten vom Stadtrath wegen dicser
salschen Vorspieg'lmg einc Strasversügung erhalten, nach welchcr
sie 75, bez. 30 Mk. zu zahlsn hatlen. Die Herrcn, damit nicht
zusrikden, verlangtrn richterliche Entfcheidung, von dcr sie abcr
wahrscheinlich noch weniger erbaut sein werden. Als nämlich der
vereidigte Sachverständige, Chemiker vr. Geisler, aussagte, daß
die in Frage stehcnde, von ihm untersuchte sogen. Butter diese
Bezeichnung gar nicht mehr veidiene, weil sis nur etwa 30 Proz.
wirkiiche Butteifette, dagcgsn ctwa 70 Proz. Zusätze enthalte,
stellte die Kgl. Staatsanwaltschast die Frage, ob diejes Surrogat
ols „gesälschte Butter" zu betrachten sei. Die Bejahung dieser
Fragc ergab nun das Resultat, daß die ganze Angelegenheit, als
unter das Nahrungsmittelgesctz (ZZ 10 und 11) sallend, vom
Amtsgerichte abgclehnt und an das Kgl. Landgericht verwicsen
wurde. Die Strafoersügung des Stadtraths, als der nicht zu-
ständigen BkhLrde, wurde ausgehobkn. Es stcht nunmehr zu
ciwarten, daß das Landgcricht mit den Angsklagten n'cht glimpf-
licher verfahren wird, dcnn ein derartig werthloses Surrogat in
großen Quaniitäten in dcn Handel zu bringen und es sich ais
gute Butter theucr bezahlrn zu laff«n, verdicnt -ine exemplansche
Vestmfung. Das Publikum aber kann nichi genug auf solchs
Voikommniffs ausmerksam gemacht werden, damit Vorsicht geübt
wcrden kann. Jm Ucbrigcn wurd« Mohr bercits frühcr zu 100 Mk.
Gsldstrass verurth-ilt. — AnlaßliÄ dcr Vrrmählung I. K.
Hoheit der PrinMin Maria Jssisa, H-rzogin zu Sachsen» mit
Sr. K. Hoheit dem Erzherzog Otto von Oesterreich ist Seitens
dsr Dresdner Bürgerschast ein großartizer Fackcizug irr Aussicht
genommen, zu welchcm u. A. die städtischcn Kollcgien, d-ie Gcsang-
vcreine, dic Künstlcrschast, die Jnnungen u. s. w. zur Belhcili-
gung eingeladen werd-n sollen. Am Abend dcS VermählungS-
tages werd-n die öffcntlichen PlLtze und Gebäuds illuminirt,
wöhrcnd den Neuvermählten von sammtlichen hiesig-n Militär-
Mussikkoips eine großartige Serenade im Kgl. Schloßhofe darge-
bracht werden wird. — Jm Schillingschen Atclier ist joebrn
der Fkies zum Sockel deS Johanndenkmals fertig gestellt worden.
Jn reichem figürlichem Schmuck versinnbildlicht dersclbe das ganzs
geistige und industrirlle L«ben Sachsens. An den mächtigm
doppeltlebensgroßen Rciterstand dcs hochscligen Königs ist die
erste Hand angelegt worden. — Der Strcik der Dresdner
Töpfer ist durch die Bewilligung von 17*/« Proz. Lohnerhöhung
von Scitcn d«r Arbeitgeber nunmehr beendct rvorden. — Der in
der Nacht vom 27. zum 28. Juli in der Nähe des Osterberges
durch zwei Reooiverschüffs vcrletzte Tischlergesells Koch ist im
hiesigen Stadtkrankenhause gestorben. Koch war bckarmtlich, nach-
dem er eine Summs von 1590 Mk. gestohlcn und diese mit
zwei anderen Trschlcrn, Franksurtcr und Großc. bis aus 400 Mk.
verausgabt hatte, von den Letzteren nach Auswärts gelockt worden,
und um in den Bcsitz dcs Geldes zu gelangen, feuerte Große
wiederholt scinen Revolver auf Koch ab.

«. Von der Reußisch-Sächsischen Grenze. Vm
Montag, den 2. August e., Nachmittag fand man den Wrber
Wilh. Schmkller in Gesell in seincr Stube erhängt auf. Jahrc-
langcs körperlichcs Leiden, welchcs dcn sonst flcißigen Arbeiter
oft Wochen lang die süichtcrlichsten Schmerzen bereitete und ihm
die Nachtruhe raubt-, muß ausschließlich als das Motiv zur That
angeschen werden. — Dis Ausficht auf cine reichc Kartoffelernte
schwindet mehr und mehr. Schon seit Wochen hat sich die
Kartosfelkrankheit eingestellt und macht bci dem anhaltend
nasscn Wetier unv der nicderen Temperalur riesige Fortschritte.
Ueber den Ac-fluz der Knvllcn wäre ja nicht zu klagm, die Größs
und Güte dcrselbcn aber verspricht wenig. Der Stand der übrigen
Feldfrüchte, wie dcs Winterrogzms, der Sommerfrucht, der
5^ackstüchte, ist ein sehr guter, nur thäte trockene Witterung
noth, damit die Ernte beginnen könnte. Auch dcr zweite Klce
wächst ausgczeichnct, und die Wicsen vcrsprechen eine reiche
Grummeternte.

Gera. Am 2. August Vormittags 11 Uhr wurde der
Landtag für das Fürstenthum Rcuß j. L. im Saale des
ncuen Landtagsgebäudes eröffnet. Staatsminister v. Bculwitz
wies auf den unerwartctm Tod der regierenden Frau Fürstin
hin, und in dankvarer Verehrung für die thcurs Landesmutter
erhoben sich sämmtliche Abgcordncte von ihren Piützen. Dis
Regiftrande umfaßt zehn Rsgicrungsvorlaßen und mehrcre Jntrr-
psllationen von Vertretern emzelner LandeSbezirke und eine Anfrage,
ob drr von dem Landtag des Königrciches Sachsen im März d. I.
genehmigts Vertrag über den Buu der Sckundärbahnen Schönbcrg-
Hiischberg und Göttengrün-Lobenstcin noch in der gegenwärtigcn
Skssion dcs Landtags zur Genchmigung vorgelegt wird.

DsKLfches Rrich.

Dresden, 3. August. Se. Majcstät der König, welcher
gcstern früh mit Sr. Königl. Hohcit dem Prinzcn Georg den
unter Leitung dcs Gencralmajors v. Hollcbcn in dem Terrain
zwischen dem Hcller bei Dresden und Volkersdorf stattgefundenen
Fclddienstübungen aller Waffen der Dresdner Garnison beigewohnt
halte, begab sich alsdann Vormittugs nach dem Residenzschlosse,
um dic üblichen Vorträgs der Herrcn Staatsminister und Hof-
departemcntSchefs entgsgenzunehmen. Nachmittags besuchten beide
Majeftäten mit den prinzlich Georgschen Hcrrschasten das Fest-
schicßen der Drckdner Bogenschützen-Gesellschast. Die Abreise
deS Königspaares nach dem Jagdschlosse Rehefeld «ar aus heute
Nachmittag 2 Uhr festgesetzt.

— Se. königl. Hoheit dcr Prinz Georg bcsuchte gestern
Nachmittag gcgen 3 Uhr in Begleitung Jhrer königl. Hoheiten
dcr Prinzessinnen Mathilde und Maria Joscpha und dcr
Pcinzen Johann Georg und Max drn Zoologischen Garten
und wohnte daselbstj unter Führung des Herrn Dircktors Schöpf
ciner Vorstellung der Siouxindianer im Lassowerfcn und im
Psrilschießcn nach einer Scheibe und in die Höhe bci. Alsdann
besichtigtcn die höchsten Hcrrschasien untcr Führung dcs Herrn
Cronau die ethnographische Sammiung und die Ausstellung dcr
Zeichnungen, wclchs sich auf diese Jndianer beziehen.

Berlin, 3. August. Se. Majestät der Kaiscr bcabsichtigt,
am 10. d. M. seine diesjährige Kur in Gastein zu beenden und
am Nachmittag des Tagcs über Regensburg rc. dis Rückceise in

die Heimath anzutreten, wonach Allerhöchstderselbe am 12. d. M.
VormittagS ctwa um 9 Uhr, von Großbeeren kommend, auf
Schloß Babelsberg cintreffen dürfte, um sür die nächste Zeit
daselbst mit Jhrcr Majestät der Kaiserin und Königin dort
AufenLhalt zu nehmen.

— Se. Maj. der Kaiser stattcte am 3. dss, in Bad
Gastein um 3 Uhr Nachm. dcm Fürsten und der Fürftin Bis-
marck cinen halbstündigen Besuch ab. Nach dem Diner erstattete
der Geh. Legationsrath v. Bülow Vortrag.

— Se. k. und k. Hoheit der Kronprinz ist mit I. k. Hoheit
der Kronprinzcssin Viktoria am 2. August Abends sofort
nach Beendigung der Parsifalaufsührung aus Baireuth wieder
abgereist. Der Weg vom Theater bis zum Bahnhof war elektrisch
beleuchtet und von einer zahlreichen Menschsnmenge besetzt, welche
dem Kronprinzcn enthusiastische Ooalionen darbrachte. Beim
Abschiede sprach der Kronprinz dem Bürgcrmsister Muncker gegen-
über seine großs Zusriedenheil über den ihm bereiteten Empsang,
sowic über die vollsndete Aussührung dcs „Parsifal" aus.

— Die Beerdigung Liszt's erfolgte in Baireuth am
Dienstag Vormittag 10 Uhr unter der Theilnahme zahlreicher
Lkidtragender. Der Kronprinz ließ am Montag Absnd vor
sciner Abreiss einen Kranz sür Liszl's Grab in der Villa Wahn»
sried abgeben.

— Aus Kissingen wird der „Jüdischen Preffe" unter dem
26. Juli berichtet: „Herr Distriktsrabbiner Bamberger hier hat
sich anläßlich dcr Anwesenheit des Füesten Rrichskanzler an den»
srlbcn mit einer Eingabe in Bezug aus die Agitation der deutschen
Thierschutzvereine gegen das Schächten der Schlachtthiere
aewendet. Daraushin wurde derselbe heute von dem Chef der
Reichskanzlci, Geh. Ober.Regierungsrath vr. Rottcnburg, em-
pfangen. Dieser gab Lie beruhigendsten Versicherungen und sagte
unter Anderem: Dcr Herr Fü'st beauftragte mich, Jhnen mit-
zutheilen, daß die Reichsregierung dem Verlangcn der Thier»
schutzoereine, das einen Eingriff in dis religiösen Satzunzen des
Judsnthums bedeute, niemals ihre Zustimmung geben werve.

Die Thierschutzvereine versicherten in einer sehr cingehenden
Petition, welche dem R-ichslage in dcffen letzter Session vor«
gelegen hättc, daß das „Schächten" eine Thierquälerei involvire."

— Dcr Reichstagsabgeordmte für Hirschberg-Schönau, Or.'
Barth, wirs sich zu einer Studienreise nach Nordamerika bc-
geben. Hoffentlich unterrichtet sich Herr Barth genau darüber,
wie man in dcm praklischen Amerika über dcn Werth einer
nationalcn Zollpolitik denkt.

— Sehr interessant ist eine Bemerkung eine: russischen
Weltumseglcrin, die ihre Rsiscschilderungen in dem in Odessr
erschemcndcn Blatte „Neurussischer Telegraph" veröffentlicht, wenn
die Dame sich auch nicht von einer argen Gehässigkeit gegen
dcutsches Wescn freizumach-n gewußt hat. Sie sagt in ciner
Beschreibung von Saigon, der Hauptstadt der französischen
Kolonie Kochinchina: „Die Franzosen schlagen sich als Beamte
durch oder beschäftigen sich mit dem Klcinhandel, die bedeuten-
den und ernsthaften Geschäfte sind in den Händen der
Deutschen, sogenannter Hamburger, um nicht „Berliner" zu
sagen, was das Volk in Schr«cken und Unruhe versetzt (?), und
so ist cs von Bombay bis Wladiwostok."

— Vom Heidelberger Universitäts-Jubiläum schreibt man: 1

Es ist diese sünfte SLkulärfeier der ältesten Universttät dcs Dsutschen
Reichs ein Fcst dcS Friedens und der Freundschast. Friedlich geeinigt
zur Begehung dcs Festes sind alle Elemente und Parteien. die an dsm-
selben ein Jnter,ss« haben, die Vertreter des Siaates wie der Kirche,
Katholiken und Protestanten, die Profefforenwelt, dre Bürgerschaft wie
die Studenten, sogar die trennende M-rcht der Verbindungsfarben hat für
dic Zeit der Jubiläumstage ihre Bedeutung vsrloren, und einmüthige Fest-
freude waltet in den Hallen des „Riesensteins" eoenso wis in densn der
„Diemerci." Ebcnso kcnnt das Fest keine nationalcn Schranken, wie der
Papst ist auch die Wiffenschaft des Auslands durch Delegirte vertreten.

Und dann mußtr mon ste sehm, diese Szenen dcs Wiedersehens auf dem
Bahnhof, auf offener Straßs, oder gar in den Kneiplokalen der einzelnen
Verbindungen. Wie die aktivcn Studentm ihre „altm HSuser" gleich
bci der Ankunft jubelnd begrüßen, wie sic diestlbm stolz und sroh durch
die festlich geschmücktm Straßen geleiten, mit wclch'strahlendem B-Hagm
graubärtige Männer aus dem „b'moosten" Haupte die sarblge Mütze tragen,
die für sie das Symbol ihrer schönstm Jugmderinnerungm geworden ist.

Die cigmtliche Jubtläumsfeier begann am Montag Abend mit dem Em«
pfang der Fcstgäste durch die Vertrcter der Stadt in der Frsthalle. Diese
Festhalle ist in vorzüglicher Lage auf dem Lauerplatz, dlcht am Ufer
des Neckars, zwischen dcr Neuenheimer und der Karisbrücke, crbaut worden.

Sie macht in ihrer farbig rcich dekorirtm Holjkonstruktion einm festlichm,
lustigm Eindruck upd mtspricht auch in der innerm Anlage ihrm Zwecken.

5000 Pcrsonen könnm in ihr bequem Platz zum Sitzen an den 138 ß

langm Tafeln finden. Die Halle hat eine dreischisftge Anlage und bedcckt I

eine Bodmfläche von 4800 Quadratmetern, das Mittelschiff ist 2t Meter, «
das Seitmschiff 8 Meter breit. Ein von knppelgekrönten Treppmthürmchm I
flankirtcr Vorbau bildct die Stirnseite der Halle und zeigt eine reiche U

AuLstattung. Das Giebelfeld ziert ein siiberner Schild mit dem Kopf M

der Pallas Athene inmittm von bunten Biummgewindcn, aus dmcn
wieder die Medaillonköpse dcs Gründers der Universitäl, Ruprechts von D
der Psalz, und des Wiederherstcllcrs derselben, Karl Friedrich oon Badm,
hcrvorschaucn. Große Wappmschilde, von Fruchtguirlandm umgebm und A
von Puttcn gehalten, Jnschrifttafcln, Pilaster mit vergoldetm Äapitälm
und blaucn Rahmmfüllungm, vergoldete Kandelaber, Zierpflanzcn, Feston- H
geschlinge, die Medaillonporträts des Großherzogs und dcr Frau Groß- F
herzogin von Badm und reicher Flaggmschmuck vervollständigm die Aus-
schmückung. Jn gleicher Weise schmückm Wappmbilder, Flaggm und 4
Spruchbänder die Faffade nach dcm Neckar, welchc aus einer Terrasie
ruht, von der eine 18 Metcr breite Freitreppe zum Neckar hinabführt. H
Ein dem altm UniversitätSstcgel nachzebildetes Wappm, ein zwcige- ^
schwänzter aufsteigmder Löwe mit einem ausgeschlagenm Buch in dea
Vordertatzm und dem Wahlspruch .8smxer apsrtus" ist Lb-r dem mitt-
lerm Bogm angebracht und die zwei erstm V-rse von Sch.ffcls Lied U
„Alt-Heidelberg, Du seine" zieren rechts und links davon dm anschließm- M
dm FrieS.- Das Miltelschiff dcs Jnnern crhebt sich 18 Mcter hoch und I
wird, wie die Seitcnschiffe, bei Tag durch hohes Seitmlicht und bei Nacht ^
durch elektrischeS Bogeniicht erhcllt. Die Bogmöffnungm sind mit roihem 1
Stoff. die Ständcr mit Badischcn und Leutschen Wappmpanierm ge« M
schmückt; dcn rückwärts bcfindlichen Giebel zicrt ein Schiid mit dem U
deutschen Reichsadlcr, und die anschließendm Bogenzwickel zeigm die üaer- K
lcbmsgroßen Figurcn dcs Neckars und bes Rheins. Die Fenstcröffnungen U
sind mtt dellem, durchschcinendem Stoffe gcschloffm, die farbig gemustert Z
sind, und das ganze Mittelschisf ist mit ciner h-llblaum, zeltartig gerafften U
Stoffdecke überspannt, welche mit gotdenm Sternen besetzt ist. Der solide, Z
reich dekorirte Bau mit fetnen vergoldetm Thurmkuppeln koftet 65000 ^ D
— Am Montag Mittag habm allcin aus Berlin drci Extrazüge und U
aus dem Südm BadenS eine noch größere Zahl noch weitcrm Zawachs S
von Fcstgästen gebracht. Schon zwei Stunden vor dem angesagtm Bc- M
ginn der städtischm Begrüßungsfeicr in der Festhalle füllten sich die U
Räume ders-lben so mächtig, daß, als Bürgermeister Wilckens die Be- H
grüßungsrcde um halb neun Uhr begann, viele Besucher keinen Platz M
fanden. 20 elcktrische Bogcniichter erlcuchtetm die Fcsthalls tazhell, und I
ihre Lichtwirkung gab dem künstlichm Stcrnhimmcl dahinter einen wunüer- 8
samen Schein der Natur. Jene Szenm des Wicderschms, die schon auf M
dem Bahnhof und in den Straßm den Beobachter ergreisend bcrührten, K
wiederholten sich an den langen Taseln. Eine Kompagnie von zwei- Z
 
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