Neue Freiheit: die Konstitutionsergänzungsakte 5
alte Frankfurter Stadtverfassung, ändert sie aber nach „Erfor-
dernis der gegenwärtigen Verhältnisse".
Diese Stadt„verfassung" hatte natürlich mit alledem, was bald
in den süddeutschen Staaten neu geschaffen wurde, und was auch
die Bundesakte in ihrem am meisten zitierten Artikel 13 vorsah,
gar nichts zu tun. Der wohlklingende Titel Konstitution^), der
ihr beigelegt wurde, war eine Huldigung an den in der Akte selbst
wiederholt als maßgebend bezeichneten „Zeitgeist". Die Sache
selbst entsprach ihm wenig. Privilegien, Verträge, kaiserliche Re-
solutionen, reichsgerichtliche Entscheidungen, Verordnungen — und
vor allem, was alle diese Einzelbestimmungen durch Gebrauch und
Mißbrauch, durch Ausdeutung und Berdeutung, durch Spitz-
findigkeit und Streit zu einem sehr weitschichtigen aber sehr ehr-
würdigen Ganzen zusammenschweißte, das Herkommen — das Hatte
die alte „Stadtverfassung" geschaffen — und so war sie nun prin-
zipiell wieder aus dem Grabe des alten Reiches aufgeweckt. Aber
eben nur prinzipiell — tatsächlich zerstückten die sogenannten Er-
gänzungen ihr Fundament, ohne aber deswegen etwas unab-
hängig Neues sein zu können?). Der Grundzug der alten Ber-
fassung^) war, daß sich Rat und Bürgerschaft feindlich, um die
Macht ringend, gegenüberstanden.
Die Hauptetappen des Streites sind diese. Das königliche Schöffen-
kollegium verbindet sich mit der städtischen Polizeibehörde, dem
') Die Bezeichnung „Konstitution" als technischer Name für die moderne
Staatsverfassung findet sich zuerst im Artikel 16 der Erklärung der Menschenrechte.
Vergleiche darüber Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte,
1904.
-) Vergleiche das allzuscharfe Urteil des Freiherrn vom Stein, des treuen
Förderers der Frankfurter Freiheit: „In der Frankfurter Verfafsung finde ich
wenig nachahmenswertes; sie erschuf etwas ganz Neues, kränkte wohl Her-
gebrachte Rechte!" Pertz, Stein VI, 312.
^) Ich reihe hier zur Übersicht die besonders bedeutsamen verfassungsgeschicht-
lichen Tatsachen aneinander, ohne natürlich auf die politisch-sozialen und wirt-
schaftlichen Kämpfe eingehen zu können, deren Ergebnisse sie sind. (Vergleiche
Kriegk, Geschichte von Frankfurt, 1871. Die Anführung der sonstigen Literatur
darf ich unterlassen.) 1219. Aufhebung der königlichen Vogtei in Frankfurt durch
Friedrich II. 1266. Erste Erwähnung des Rates als städtischer Regierungsbehörde.
1359. Die Zünfte erhalten Anteil am Stadtregiment. 1398—1408. Verfassungs-
wirren. Wachsen und Sinken des politischen Einflusses der Bürgerschaft. Ent-
schiedenes Hervortreten der Geschlechter. 1612. Bürgervertrag. Beschränkung
der Geschlechter, Verstärkung des Rats durch Mitglieder der Bürgerschaft. Ein-
setzung der Neuner. 1725. Kaiserliche Resolution. Revision der Wahlordnung.
Einsetzung des bürgerlichen Kollegiums der Einundfünfziger als Finanzkontroll-
behörde.
alte Frankfurter Stadtverfassung, ändert sie aber nach „Erfor-
dernis der gegenwärtigen Verhältnisse".
Diese Stadt„verfassung" hatte natürlich mit alledem, was bald
in den süddeutschen Staaten neu geschaffen wurde, und was auch
die Bundesakte in ihrem am meisten zitierten Artikel 13 vorsah,
gar nichts zu tun. Der wohlklingende Titel Konstitution^), der
ihr beigelegt wurde, war eine Huldigung an den in der Akte selbst
wiederholt als maßgebend bezeichneten „Zeitgeist". Die Sache
selbst entsprach ihm wenig. Privilegien, Verträge, kaiserliche Re-
solutionen, reichsgerichtliche Entscheidungen, Verordnungen — und
vor allem, was alle diese Einzelbestimmungen durch Gebrauch und
Mißbrauch, durch Ausdeutung und Berdeutung, durch Spitz-
findigkeit und Streit zu einem sehr weitschichtigen aber sehr ehr-
würdigen Ganzen zusammenschweißte, das Herkommen — das Hatte
die alte „Stadtverfassung" geschaffen — und so war sie nun prin-
zipiell wieder aus dem Grabe des alten Reiches aufgeweckt. Aber
eben nur prinzipiell — tatsächlich zerstückten die sogenannten Er-
gänzungen ihr Fundament, ohne aber deswegen etwas unab-
hängig Neues sein zu können?). Der Grundzug der alten Ber-
fassung^) war, daß sich Rat und Bürgerschaft feindlich, um die
Macht ringend, gegenüberstanden.
Die Hauptetappen des Streites sind diese. Das königliche Schöffen-
kollegium verbindet sich mit der städtischen Polizeibehörde, dem
') Die Bezeichnung „Konstitution" als technischer Name für die moderne
Staatsverfassung findet sich zuerst im Artikel 16 der Erklärung der Menschenrechte.
Vergleiche darüber Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte,
1904.
-) Vergleiche das allzuscharfe Urteil des Freiherrn vom Stein, des treuen
Förderers der Frankfurter Freiheit: „In der Frankfurter Verfafsung finde ich
wenig nachahmenswertes; sie erschuf etwas ganz Neues, kränkte wohl Her-
gebrachte Rechte!" Pertz, Stein VI, 312.
^) Ich reihe hier zur Übersicht die besonders bedeutsamen verfassungsgeschicht-
lichen Tatsachen aneinander, ohne natürlich auf die politisch-sozialen und wirt-
schaftlichen Kämpfe eingehen zu können, deren Ergebnisse sie sind. (Vergleiche
Kriegk, Geschichte von Frankfurt, 1871. Die Anführung der sonstigen Literatur
darf ich unterlassen.) 1219. Aufhebung der königlichen Vogtei in Frankfurt durch
Friedrich II. 1266. Erste Erwähnung des Rates als städtischer Regierungsbehörde.
1359. Die Zünfte erhalten Anteil am Stadtregiment. 1398—1408. Verfassungs-
wirren. Wachsen und Sinken des politischen Einflusses der Bürgerschaft. Ent-
schiedenes Hervortreten der Geschlechter. 1612. Bürgervertrag. Beschränkung
der Geschlechter, Verstärkung des Rats durch Mitglieder der Bürgerschaft. Ein-
setzung der Neuner. 1725. Kaiserliche Resolution. Revision der Wahlordnung.
Einsetzung des bürgerlichen Kollegiums der Einundfünfziger als Finanzkontroll-
behörde.