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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0018
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Frankfurt vor der Revolution

Rat, und erringt die durch kaiserliche Privilegien bestätigte und
immer erweiterte politische Gewalt in der Stadt. Die mit Land
belehnten Ministerialengeschlechter und die grundbesitzenden freien
Altbürger sind die Träger der Macht. Die Handwerker, 1219 voni
Kaiser der Hörigkeit entlassen, bilden zusammen mit Krämern und
kleinen Ackerbürgern das Gros der Bevölkerung, die regierte
Bürgerschaft, die, immer mehr in Zünfte gegliedert, den Kampf
gegen die schlecht und egoistisch wirtschaftenden Geschlechter auf-
nimmt, sich Anteil an der Stadtverwaltung erzwingt. Der Streit
um den Grad des bürgerschastlichen Einflusses geht lange hin lind
Her. Die Übermacht der Geschlechterverbände — der adeligen ur-
alten Ganerbschaft Alt-Limpurg und der nicht gleich geachteten Gesell-
schaft des Hauses Frauenstein — wird schließlich gebrochen, eine be-
schränkte Anzahl ihnen zustehender Ratssitze festgesetzt und Behörden
aus der Bürgerschaft zur Kontrolle der Finanzverwaltung des Rates
— zuerst die Neuner, dann noch die Einundfünfziger — geschaffen.
So wogte durch Jahrhunderte der politische Kampf zwischen
einem wohlregierenden Rat und einer untertänigen Bürgerschaft
hin und her. Immer find es zwei feindliche Lager gewesen. Von
dem Kampf und seinen Kompromissen zeugt die Einteilung des
Rates in drei Bänke zu je vierzehn Mitgliedern: Schöffen, Rats-
glicder und Handwerker.
Der vornehmste Rechtsgrundsatz der Konstitntionsergänzungsakte
vernichtet nun diesen äs taoto im 18. Jahrhundert wohl etwas
verwischten, äs iurs aber niemals beseitigten Gegensatz völlig.
Der Artikel 5 besagte): „Alle Hoheitsrechte und Selbstverwaltung
derStadt beruhen auf derGesamtheit ihrer christlichen Bürgerschaft."
Das klingt ganz wie Bolkssouveränität — aber dieser neue
Begriff „Bürger" unterscheidet sich gewaltig von dem modernen
des „Staatsuntertanen". Einerseits bedeutete er mehr als zur
reichsstädtischen Zeit, denn er schließt nicht nur die früher aus-
drücklich bevorrechtigten Limpurger und Frauensteiner ein -— diese
Haben sich ihre alten Privilegien 1815 erfolglos unter Protest
vorbehalten —, sondern auch die früher absolut rechtlosen Refor-
mierten und Katholiken.

9 Vergleiche hiemit die Lehre Klübers, daß in den freien Städten die Staats-
hoheit ihrer Substanz (!) nach der Stadtgemeinde, die Ausübung der äußer-
lichen Hoheitsrechte und die vollziehende Gewalt, mit Einschluß der Verwaltung,
einem in seinen Gliedern wählbaren Rat oder Senat zustände. Öffentliches Recht
des Teutschen Bundes II, §§ 178 a und 218. — Ferner die von Zöpfl und Z a-
rachiae in ihren Werken über das Bundesstaatsrecht vorgetragenen Lehren.
 
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