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Frankfurt vor der Revolution
Familien, zum Teil aus der Lombardei eingewaudert, groß ge-
worden durch den Handel mit ihren südlichen Weinen und Waren.
Sie betonten das religiöse Prinzip stark, und die anderen behaup-
teten, daß die reichlichen Tafelfreuden — die auch sollst niemand
iil Frankfurt vermisseu wollte — der einzige Schauplatz ihres
kräftigen Humores seien.
Nach der Rheinbundszeit und dem Kriege waren diese schroff
gesonderten Kreise teils zerstreut, meistens durcheinandergemengt.
Sie waren im Begriff sich zu verschmelzen. Fremde Elemente
waren schon ausgenommen — nun zog geschlossen, eine Welt für
sich, der Bundestag ein. Von beiden Seiten war die Annäherung
erwünscht. Die städtischen Adelsfamilieu waren die natürlichen
Vermittler. Und so gestaltete sich eine nach außen hin gleichartig
erscheinende, oberste Schicht der Gesellschaft — etwas snoian reZima
in Sprache, Sitte und Unsitte, wie es schon der Wiener Kongreß
so pikant und sprühend hatte aufleben lassen, etwas Paris des
Empire an Geschmack und Aplomb des Austretens, etwas süd-
deutsche, rheinische Ungebundenheit im Talent zum Amüsement,
etwas reichsstädtische Verachtung von allzuviel Steifheit bei ab-
sichtlicher Wahrung der Formen: im ganzen ein Hof ohne Haupt,
uud deshalb nur desto höfischer, eine Geselligkeit voll Laune, Anmut
und Glanz.
Das gesellschaftliche Treiben in der Welt des Bundestages war
die reichste Seite seiner Betätigung; nach Kriegs- und Blutzeiten
schien, wie in Frankreich schon lange üblich, etwas Frivolität und ein
ungestörter Genuß au der Tagesorduung. Das erste bedeutende
diplomatische Ereignis in Frankfurt ist wirklich der Maskenball
des Barons von Otterstädt im Winter 1815/16 gewesen. Wenn
die Franksurter Spießbürger von diesem Leben auch außer erleuch-
teten Fenstern und glänzenden Staatskarossen nicht viel zu sehen
bekamen — das war bei den Kaiserkrönungen doch anders gewesen!
— so brachten der steigende Luxus, die neuen Bauten und Ein-
richtungen Beschäftigung und Verdienst für viele, und die Fremden,
besonders die nun wieder reisenden Engländer, steigerten dies
alles.
Auch soust zog der Bundestag viel neue Elemeute her. Wer
wie der junge Robert Mohl das Bundesrecht gründlich studieren
wollte, der verlebte einmal in Frankfurt einen der berühmten Winter
(1822/23). An der Mittagstafel im Gasthof znm römischen Kaiser
trafen sich die jüngeren Mitglieder der Gesandtschaften, unter denen
sich damals auch der juuge Fürst Gortschakow befand, der spätere
Frankfurt vor der Revolution
Familien, zum Teil aus der Lombardei eingewaudert, groß ge-
worden durch den Handel mit ihren südlichen Weinen und Waren.
Sie betonten das religiöse Prinzip stark, und die anderen behaup-
teten, daß die reichlichen Tafelfreuden — die auch sollst niemand
iil Frankfurt vermisseu wollte — der einzige Schauplatz ihres
kräftigen Humores seien.
Nach der Rheinbundszeit und dem Kriege waren diese schroff
gesonderten Kreise teils zerstreut, meistens durcheinandergemengt.
Sie waren im Begriff sich zu verschmelzen. Fremde Elemente
waren schon ausgenommen — nun zog geschlossen, eine Welt für
sich, der Bundestag ein. Von beiden Seiten war die Annäherung
erwünscht. Die städtischen Adelsfamilieu waren die natürlichen
Vermittler. Und so gestaltete sich eine nach außen hin gleichartig
erscheinende, oberste Schicht der Gesellschaft — etwas snoian reZima
in Sprache, Sitte und Unsitte, wie es schon der Wiener Kongreß
so pikant und sprühend hatte aufleben lassen, etwas Paris des
Empire an Geschmack und Aplomb des Austretens, etwas süd-
deutsche, rheinische Ungebundenheit im Talent zum Amüsement,
etwas reichsstädtische Verachtung von allzuviel Steifheit bei ab-
sichtlicher Wahrung der Formen: im ganzen ein Hof ohne Haupt,
uud deshalb nur desto höfischer, eine Geselligkeit voll Laune, Anmut
und Glanz.
Das gesellschaftliche Treiben in der Welt des Bundestages war
die reichste Seite seiner Betätigung; nach Kriegs- und Blutzeiten
schien, wie in Frankreich schon lange üblich, etwas Frivolität und ein
ungestörter Genuß au der Tagesorduung. Das erste bedeutende
diplomatische Ereignis in Frankfurt ist wirklich der Maskenball
des Barons von Otterstädt im Winter 1815/16 gewesen. Wenn
die Franksurter Spießbürger von diesem Leben auch außer erleuch-
teten Fenstern und glänzenden Staatskarossen nicht viel zu sehen
bekamen — das war bei den Kaiserkrönungen doch anders gewesen!
— so brachten der steigende Luxus, die neuen Bauten und Ein-
richtungen Beschäftigung und Verdienst für viele, und die Fremden,
besonders die nun wieder reisenden Engländer, steigerten dies
alles.
Auch soust zog der Bundestag viel neue Elemeute her. Wer
wie der junge Robert Mohl das Bundesrecht gründlich studieren
wollte, der verlebte einmal in Frankfurt einen der berühmten Winter
(1822/23). An der Mittagstafel im Gasthof znm römischen Kaiser
trafen sich die jüngeren Mitglieder der Gesandtschaften, unter denen
sich damals auch der juuge Fürst Gortschakow befand, der spätere