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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0049
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Die bildenden Künste. Literarische Kreise: Bürgermeister Thomas Z7

„Graduierten", wie sie in der reichsstädtischen Zeit hießen, den
Doktoren juris und insäioinus, die sich in der aufblühenden Stadt
beinahe allzureichlich vermehrten, aus geistig bedeutenden Elementen
der sonstigen Bürgerschaft, Pfarrern und Lehrern des Gymnasiums,
formte sich allmählich eine freilich der Masse der Handeltreiben-
den gegenüber immer in der Minderzahl bleibende Schicht leben-
diger, auf künstlerischem und wissenschaftlichem Gebiet wirkender
Kräfte.
Dies Leben zeigte sich zunächst in einzelnen Privatzirkeln.
Der erste dieser Art war wohl das Haus des Senators und mehr-
maligen Bürgermeisters Thomas (1815—1838). Freitags sanden
bei ihm die sogenannten „Romantischen Abende" statt, die der
Lektüre alter und neuer Kunstschriften, der Betrachtung von Kupfer-
werken, sowie Vorträgen gewidmet waren. Böhmer schreibt darüber^ ):
„Hier wurde bei reicher Bildung, die jedes Verdienst zu würdigen
verstand und bei feiner, auf wahres Wohlwollen gegründeter Sitte
ein gewisser, echt deutsch-bürgerlicher Charakter des Zusammen-
seins behauptet, der in diesem edlen und wohl weithin einzigen
Kreise allen Teilnehmern unvergeßliche Stunden schus." Dies
Zeugnis wird genügend durch die Namen der aus- und eingehenden
Gäste gerechtfertigt. Da kamen die Brüder Grimm, die Brüder
Boisserse, Savigny, Görres, Arnim, die Passavants. Thomas
selbst, ein warmer Freund geschichtlicher Forschung, trieb Studien
über das deutsche Recht in seiner Vaterstadt. Eine glückliche
Mischung von reichsstädtisch-würdigem und modern-beweglichem
Bürgertum, das immer großsinnig blieb, weil es aus Liebe zum
gesamten deutschen Vaterland erwuchs, muß seine Persönlichkeit
außerordentlich gemacht haben. Seine Frau, Rosette Städel,
war die Stieftochter von Marianne Willemer, der immer lebens-
frohen, geistsprühenden, heiteren Freundin Goethes. Diese herrschte
als liebenswürdige, schalkhaste Königin in dem an Kunst und Leben
so reichen Kreise. „Das Großmütterchen" hieß sie hier, und so
ward sie das Urbild des Großmütterchens in „Gockel, Hinkel und
Gackeleia", dem Märchen Clemens Brentanos. Lange vor der
Veröffentlichung (1837) hat der Dichter in Thomas' Hause Stellen
daraus mitgeteilt. Und neben ihm, dem sarkastischen und kindlichen,
dem mutwilligen und wehmütigen Bruder reifte die Schwester,
Goethes Kind, Bettina in Frankfurt heran. Ihr gab das Schicksal
H Janssen, Böhmers Leben und kleinere Schriften I, 110 ff. Böhmers
Aufsatz über Thomas III, 468. Vergleiche ferner Dalton, Erinnerungen I,
414 ff.
 
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