Z8 Frankfurt vor der Revolution
der Dichterin Karoline von Giinderode, der Cronstettischen Stifts-
dame aus dem Frankfurter Patriziergeschlecht von Alt-Limpurg,
den Stoff zu dem romantisch-seltsamsten ihrer Bücher. Im Gefolge
der Romantik sehen wir aber schon die Verkündiger eines neuen,
sieghaften Geistes, der seine besten Kräfte aus den Lieblings-
gegenständen romantischer Versenkung, aus Kunst und Geschichte,
ziehen sollte. Es ist der neue Katholizismus. Diepen-
brock und Sailer waren Freunde Clemens Brentanos. Im Mystischen
fanden sich sie und er. Die Mystik war auch das treibende Element
in der merkwürdigen Wirksamkeit eines Vertreters der anderen
Kirche. Es war dies der sogenannte Bibelmeyer, der mehrmalige
Bürgermeister Senator von Meyer, der von seiner in langen Jahren
zu stände gebrachten Bibelübersetzung, einer der ersten in modernem
Deutsch, den Namen trug. „Das Nachtstück der Zeit und meine
verjährten Leiden, da ich schon Hausvater war, brachten mich
allmählich zu ernsterer und hellerer Besinnung"^). So erklärte er
selbst sein seltsames Tun. In seinem Hause fanden sich Anhänger
von Schelling und Baader zusammen: eine schwärmerische Theo-
sophie trieb hier ihre dunkelfarbigen, stark duftenden Blüten.
Und wenn wir hören, daß derselbe Meyer die Gedanken Schillers
über die Bühne als sittliche Erziehungsanstalt am Frankfurter
Schauspielhaus hat verwirklichen wollen, so sehen wir hinter der
Romantik das klassische Ideal als mächtigen Hintergrund aufragen.
Neben diese Privatzirkel trat als Organ des geistigen Lebens
das von Dalberg gegründete Museum — gedacht als Kultstätte
für alle Museen, wie es der Name sagt?). Nach der Entfernung
des Großherzogs stockten die Veranstaltungen eine Zeitlang. Bei
geselligem Zusammensein fanden dann aber wieder Rezitationen
von Gedichten, wissenschaftliche Vorträge, musikalische Auffüh-
rungen statt. Die letzteren traten immer mehr in den Vorder-
grund. Die „alten, in Schulprüfnngen etwas obsolet gewordenen
Gedichte", wie es in einer späteren Kritik einmal heißt^), be-
Hagten bald nicht mehr, und Gutzkow bezeugtes, daß dem Publi-
kum, dem Musik über alles zu gehen schien, hinter dieser
jeder Vortrag über Goethe und Schiller, Posa und Hamlet lang-
y Zitiert in Börnes erstem Brief aus Frankfurt vom 1. Oktober 1820.
Dort wird auch der Titel eines Werkes von Meyer angeführt: „Blätter der
höheren Wahrheit mit besonderer Beziehung auf Magnetismus."
Y Darmstädter a. a. O. S. 364.
y Gem. Chronik VII, 169.
4) Gutzkow, Rückblicke S. 125.
der Dichterin Karoline von Giinderode, der Cronstettischen Stifts-
dame aus dem Frankfurter Patriziergeschlecht von Alt-Limpurg,
den Stoff zu dem romantisch-seltsamsten ihrer Bücher. Im Gefolge
der Romantik sehen wir aber schon die Verkündiger eines neuen,
sieghaften Geistes, der seine besten Kräfte aus den Lieblings-
gegenständen romantischer Versenkung, aus Kunst und Geschichte,
ziehen sollte. Es ist der neue Katholizismus. Diepen-
brock und Sailer waren Freunde Clemens Brentanos. Im Mystischen
fanden sich sie und er. Die Mystik war auch das treibende Element
in der merkwürdigen Wirksamkeit eines Vertreters der anderen
Kirche. Es war dies der sogenannte Bibelmeyer, der mehrmalige
Bürgermeister Senator von Meyer, der von seiner in langen Jahren
zu stände gebrachten Bibelübersetzung, einer der ersten in modernem
Deutsch, den Namen trug. „Das Nachtstück der Zeit und meine
verjährten Leiden, da ich schon Hausvater war, brachten mich
allmählich zu ernsterer und hellerer Besinnung"^). So erklärte er
selbst sein seltsames Tun. In seinem Hause fanden sich Anhänger
von Schelling und Baader zusammen: eine schwärmerische Theo-
sophie trieb hier ihre dunkelfarbigen, stark duftenden Blüten.
Und wenn wir hören, daß derselbe Meyer die Gedanken Schillers
über die Bühne als sittliche Erziehungsanstalt am Frankfurter
Schauspielhaus hat verwirklichen wollen, so sehen wir hinter der
Romantik das klassische Ideal als mächtigen Hintergrund aufragen.
Neben diese Privatzirkel trat als Organ des geistigen Lebens
das von Dalberg gegründete Museum — gedacht als Kultstätte
für alle Museen, wie es der Name sagt?). Nach der Entfernung
des Großherzogs stockten die Veranstaltungen eine Zeitlang. Bei
geselligem Zusammensein fanden dann aber wieder Rezitationen
von Gedichten, wissenschaftliche Vorträge, musikalische Auffüh-
rungen statt. Die letzteren traten immer mehr in den Vorder-
grund. Die „alten, in Schulprüfnngen etwas obsolet gewordenen
Gedichte", wie es in einer späteren Kritik einmal heißt^), be-
Hagten bald nicht mehr, und Gutzkow bezeugtes, daß dem Publi-
kum, dem Musik über alles zu gehen schien, hinter dieser
jeder Vortrag über Goethe und Schiller, Posa und Hamlet lang-
y Zitiert in Börnes erstem Brief aus Frankfurt vom 1. Oktober 1820.
Dort wird auch der Titel eines Werkes von Meyer angeführt: „Blätter der
höheren Wahrheit mit besonderer Beziehung auf Magnetismus."
Y Darmstädter a. a. O. S. 364.
y Gem. Chronik VII, 169.
4) Gutzkow, Rückblicke S. 125.