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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0060
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Frankfurt vor der Revolution

Handel — das sekundäre — werden wir nachher sehen. Aus ziemlich
Heterogenen Elementen ist der Handelsstand zusammengewachsen —
die grundbesitzenden Patrizier, soweit sie sich noch nicht zum Ge-
schäft für zu vornehm hielten, die eingewanderten „Welschen",
die nach den neuesten Forschungen von Bothes vor allem die
Industrie in die Stadt brachten, aber gerade dadurch die Grundlage
zu der den Großhandel voraussetzenden Reichtumsansammlung
legten, die französischen Reformierten und die Italiener aus der
Lombardei, fremde Kapitalisten, wie Bethmann, dessen Reichtum
aus staatlichem Finanzdienst stammte, die Juden, wohl damals nur
in beschränktem Maße, soweit der Wechselhandel in Betracht kommt
— sie alle sind frühe Vertreter der modernen Kaufmannschaft.
Eine starke Entwicklung nahm sie infolge der günstigen äußeren
Umstände seit dem Siebenjährigen Krieg. Der Frieden, der ihm
folgte, hat ja auch Hamburg groß gemacht. — Die Zeit der fran-
zösischen Invasionen und die Rheinbundsjahre brachten dann,
abgesehen von den Kontributionen, welche die wohlhabenden Kreise
der Bürgerschaft, also die Kaufmannschaft, besonders trafen, die
völlige Unsicherheit des alten Handelsgeschäftes durch Hemmung
des Verkehrs, Absperrung der Märkte, Aufsaugung der Kaufkraft.
Die daraus entspringenden Verluste wurden aber bis zu einem
gewissen Grade ausgewogen durch die neuen Möglichkeiten, die
sich dem Händlertum gerade infolge des Krieges boten; 1800 wurde
die Handelskammer gegründet, 1806 gab es dreißig christliche,
zwölf jüdische Bankiers. Es war das Bankgeschäft, das nun besonders
florierte: das Beschaffen von Geld zu Staatsanleihen, zu den
Kontributionen, aber auch das Aufbewahren großer Geldmengen
wurde nötig. So hat Maier Amschel Rothschild die Grundlagen
seines Reichtums gelegt durch die Geschäfte, die er mit dem ihm
zur Aufbewahrung übergebenen Privatvermögen des Kurfürsten
von Hessen machte. Das hessische Geld ermöglichte ihm das kolossalste
aller Geschäfte, das in Spanien kämpfende englische Heer mit
Geldmitteln zu versorgen.
Nm die Wende des Jahrhunderts hatte die Börse ihre regelmäßigen
Notierungen begonnen. In den Kriegszeiten schwankte ihr Ge-
schäft außerordentlich und konnte deshalb sehr gewinnreich sein.
Die eben befreiten Juden beteiligten sich dabei ganz besonders.
In der vom Großherzog Beisassen und Juden zugestandenen

0 Bothe, Beiträge zur Wirtschasts- und Sozialgeschichte der Reichsstadt
Frankfurt 1906.
 
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