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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0061
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Schicksale in der Napoleonischen Zeit. — Freihändlerische Anschauungen 49
unbedingten Berechtigung zum Handeltreiben sehe ich ein entschei-
dend wichtiges Moment. Von allen Seiten drängte sich nun die
Spekulation auf den Grund und Boden, auf die beständig abzu-
schließenden Lieferungsverträge für die Armeen von Franzosen und
Verbündeten, vor allem auf den Handel mit den durch die Konti-
nentalsperre ausgeschlossenen englischen Kolonialwaren. Frankfurt
wurde dafür Markt von ganz Europa. Christen und Juden zogen
nach den entfernten Märkten von Bolzano, Triest, Senagalia^).
Der Schmuggel nach Frankreich und Holland war außerordentlich.
Und die 1810 von Napoleon befohlene Vernichtung der in der Stadt
aufgestapelten Kolonialwaren war in der Ausführung nur eine
Komödie^). Was verbrannt wurde, waren Schundwaren und Laden-
hüter. Der Gewinn steckte den Frankfurtern schon in der Tasche. —
Dieser kurze Überblick über die früheren Phasen des Frankfurter
Handels war notwendig zum Verständnis der seit 1815 von der
Stadt eingeschlagenen Handelspolitik und der sich dementsprechend
vollziehenden Ausgestaltung des Handels.
Wenn auf dem Wiener Kongreß die Frankfurter gegen das
Mainzer Stapelrecht vorgingen — die Waren vom Oberrhein,
die für den Niederrhein bestimmt waren, hatten früher hier um-
geladen werden müssen: eine Knebelung des Handels, die nur
während der Frankfurter Messen einige Ausnahmen erfuhr — so
war das ein Symptom für ihre ganz natürlichen freihändlerischen
Anschauungen. Dieses Ideal fand auch innerhalb der Stadtmauern
seine Verwirklichung — allerdings nur insoweit, als die Freiheit
mit dem Nutzen Hand in Hand ging. Die „Handlung" galt gesetzliche
wie das zünftige Gewerbe als „bürgerliche Nahrung" — das heißt:
sie war Privilegium der christlichen Bürgerschaft. Oben wurde
schon ausgeführt, welche Beschränkungen der Handel der Juden
erlitt. Die Beisassen durften erst, wenn sie zehn Jahre lang den
Beisassenschutz genossen Hatten, Kommissionshandel treiben — vom
Speditionshandel waren sie ganz ausgeschlossen. Die näheren Be-
stimmungen über den Handel der Fremden zeigen aber erst, was
der Grundsatz von der bürgerlichen Nahrung praktisch bedeuten
wollte. Fremde „durften keine offene Laden halten, noch mit der
Elle ausmessen und ausschneiden oder ins kleine auswiegen, sondern
nur mit geschlossenen Laden im großen Handeln"^). Geschützt
Y Kirchner, Ansichten II, 4.
H Darmstädter a. a. O. S. 318 f.
Y Bender, Frankfurter Privatrecht. S. 273 ff.
Ü Bender a. a. O. S. 278.

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