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Frankfurt vor der Revolution
zünftigen Handwerker wirksam^). Er war allgemeiner wirtschaft-
licher Rechtsgrundsatz. Jeder Bürger, der auf ein bestimmtes
Geschäft hin Bürger geworden war, hatte damit ein ausschließliches
Recht auf die Ausübung aller zu diesem Geschäfte gehörigen Ver-
richtungen und konnte, wenn er sich von einem anderen beeinträch-
tigt glaubte, die Hilfe der Behörden anrufen. Ein Gastwirt durfte
außer an die bei ihm wohnenden Fremden keinen Kaffee verab-
reichen. Das war den Kaffeewirten vorbehalten. Ein Bierbrauer,
der eine Baumwirtschaftsgerechtigkeit erwerben wollte, mußte
während des Betriebs der Weinwirtschaft auf die Ausübung der
Bierbrauerprofession verzichten?). Ergötzliche Umgehungen solcher
Bestimmungen kamen natürlich vor. So errichtete der Inhaber
einer großen Brennerei, dem nach dem Wortlaut des Gesetzes
„jegliche Wirtschaftsgerechtsame mit Bäukeu und mit Gläsern"
verboten war, einen dreißig Fuß langen Ladentisch, an dem aus
blechernen Maßgeschirren getrunken wurde, und die würdige Po-
lizeibehörde mußte diese Brauntweinschenke „zur Blechmusik"
dulden s.
Nichts konnte mehr an die altreichsstädtische Zeit erinnern, als
mancher Brauch, der sich noch lange im Handwerk erhielt. Da war
der Johannistages bei Bierbrauern, Metzgern, Bäckern und Küfern
„Verding- und Wanderziel" der Gesellen. Ihre regelmäßigen
Zusammenkünfte, ihre „Laden" — Organisationen, die ihnen
wiederholt Gelegenheit gegeben hatten, solidarisch ihre Unzufrieden-
heit und ihre Ansprüche kundzutunZ — waren von dem vorsichtigen
Rat 1804 aufgehoben worden. Dieser Johannistag war nun noch eine
der wenigen Gelegenheiten für sie, ihren Gemeinschaftssinn öffentlich
zu zeigen. Wie der ehrsameMeister, der in der Gemeinnützigen Chronik
gegen den Brauch vorgeht, behauptet, feierten sie „Bacchanalien",
vergeudeten den verdienten Lohn und beschlossen die Feier durch
Raufhändel. Besonders unangenehm mußte der Gebrauch für die
Meister sein, wenn der Tag in die Woche fiel, bemerkt dann
weiter unser kluger Gewährsmann. „Und fragen wir nach dem
Grund: der Mißbrauch beruht ganz allein auf dem Herkommen —
ft Maiß, Die gewerblichen Verhältnisse der freien Stadt Frankfurt.
Arbeitgeber 1859, Beilage Nr. 51.
^ Senatsakten Suppl. Tom. 273, Nr. 37.
H Johann Jakobus, Aus den humoristischen Memoiren eines alten
Frankfurters. S. 119.
ft Gemeinnützige Chronik V, 107.
ft 1779 der Schreinerstreik, 1786 der Schneiderstreik.
Frankfurt vor der Revolution
zünftigen Handwerker wirksam^). Er war allgemeiner wirtschaft-
licher Rechtsgrundsatz. Jeder Bürger, der auf ein bestimmtes
Geschäft hin Bürger geworden war, hatte damit ein ausschließliches
Recht auf die Ausübung aller zu diesem Geschäfte gehörigen Ver-
richtungen und konnte, wenn er sich von einem anderen beeinträch-
tigt glaubte, die Hilfe der Behörden anrufen. Ein Gastwirt durfte
außer an die bei ihm wohnenden Fremden keinen Kaffee verab-
reichen. Das war den Kaffeewirten vorbehalten. Ein Bierbrauer,
der eine Baumwirtschaftsgerechtigkeit erwerben wollte, mußte
während des Betriebs der Weinwirtschaft auf die Ausübung der
Bierbrauerprofession verzichten?). Ergötzliche Umgehungen solcher
Bestimmungen kamen natürlich vor. So errichtete der Inhaber
einer großen Brennerei, dem nach dem Wortlaut des Gesetzes
„jegliche Wirtschaftsgerechtsame mit Bäukeu und mit Gläsern"
verboten war, einen dreißig Fuß langen Ladentisch, an dem aus
blechernen Maßgeschirren getrunken wurde, und die würdige Po-
lizeibehörde mußte diese Brauntweinschenke „zur Blechmusik"
dulden s.
Nichts konnte mehr an die altreichsstädtische Zeit erinnern, als
mancher Brauch, der sich noch lange im Handwerk erhielt. Da war
der Johannistages bei Bierbrauern, Metzgern, Bäckern und Küfern
„Verding- und Wanderziel" der Gesellen. Ihre regelmäßigen
Zusammenkünfte, ihre „Laden" — Organisationen, die ihnen
wiederholt Gelegenheit gegeben hatten, solidarisch ihre Unzufrieden-
heit und ihre Ansprüche kundzutunZ — waren von dem vorsichtigen
Rat 1804 aufgehoben worden. Dieser Johannistag war nun noch eine
der wenigen Gelegenheiten für sie, ihren Gemeinschaftssinn öffentlich
zu zeigen. Wie der ehrsameMeister, der in der Gemeinnützigen Chronik
gegen den Brauch vorgeht, behauptet, feierten sie „Bacchanalien",
vergeudeten den verdienten Lohn und beschlossen die Feier durch
Raufhändel. Besonders unangenehm mußte der Gebrauch für die
Meister sein, wenn der Tag in die Woche fiel, bemerkt dann
weiter unser kluger Gewährsmann. „Und fragen wir nach dem
Grund: der Mißbrauch beruht ganz allein auf dem Herkommen —
ft Maiß, Die gewerblichen Verhältnisse der freien Stadt Frankfurt.
Arbeitgeber 1859, Beilage Nr. 51.
^ Senatsakten Suppl. Tom. 273, Nr. 37.
H Johann Jakobus, Aus den humoristischen Memoiren eines alten
Frankfurters. S. 119.
ft Gemeinnützige Chronik V, 107.
ft 1779 der Schreinerstreik, 1786 der Schneiderstreik.