Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0118
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
106

Frankfurt vor der Revolution

treiben, städtische Behörden konnten nicht eine Handelsform auf-
recht erhalten wollen, die ein großer Staat wie Preußen bekämpfte.
Der Handel war über die Stadt hinausgewachsen. Die Versuche,
ihn nach eigenem Wunsche zu bestimmen und zu gestalten — wie
der Vertrag mit England — waren lächerlich. 1836 erfolgte der
Eintritt der Stadt in den Zollverein. Die Einzelheiten der Ver-
handlungen und der Bestimmungen interessieren uns hier nicht —
es kommt nur auf eine Erkenntnis der entscheidenden Grund-
bedingungen und der für das Wirtschaftsleben der Stadt ent-
stehenden Folgen an.
Man kann vielleicht mit einer gewissen Berechtigung sagen:
Frankfurt opferte sein Handwerk, um seinen Handel zu retten.
Der Zollverein machte Frankfurt dieselben Zugeständnisse wie
den anderen Meßplätzen des Zollgebietes^). Die Stadt erhielt
eine auf Kosten des Vereins aus einheimischen und hessischen Be-
amten gebildete Zolldirektion, ein ebenso gebildetes Hauptsteuer-
amt mit einem sächsischen Oberzoll- und Meßinspektor an der
Spitze, um ein gleiches Verfahren wie in Leipzig herbeizuführen.
Bor allem ist es die Einrichtung von Meßkonten, laufenden Konten
der Firmen bei der Zollbehörde mit Abrechnung in bestimmten
Terminen und von zollfreien Teilungsniederlagen zollpflichtiger
Waren ungewisser Bestimmung gewesen, die Frankfurt den Zwischen-
handel erhalten haben — allerdings nicht den alten großen über-
seeischen, nicht den Verkehr mit England.
Der Frankfurter Handel vermittelte von nun an nicht mehr
als ein außerhalb einer größeren Gemeinschaft stehendes, nach
eigenen Gesetzen lebendes Wesen ebenbürtig zwischen den großen
Produktions- und Konsumtionsländern, sondern Frankfurt nahm
jetzt als ein Glied und Hauptorgan des Zollvereins die von außer-
halb des Zollgebietes importierten Waren auf und ließ fie nach
den unter analogen wirtschaftlichen Bedingungen lebenden Bereins-
ländern gehen. Es ist klar, daß der kaufmännische Rang einer
derartigen Warenvermittlung bei weitem nicht so hoch war wie
derjenige der ehemaligen Herrschaft über Produktionserleichterung
und Konsumbefriedigung.
Das nächste äußere Resultat des Eintrittes von Frankfurt in
den Zollverein war aber doch ein unerwarteter gewaltiger Auf-
schwung des Meßverkehrs. Wir hören, daß auf der Ostermesse
von 1836 eine größere Anzahl Besucher gewesen sei als seit Jahr-

0 Beiträge zur Statistik Frankfurts I, S. 21.
 
Annotationen