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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0122
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Frankfurt vor der Revolution

wird. Drei Klassen von Spielern konnten unterschieden werdens:
Zuerst die „königlichen Kaufleute", die reichen Kapitalisten, die
Spieler an oompiLul, die ihren Reichtum nicht mehr durch Speku-
lation gewinnen, sondern nur vermehren wollten, und deshalb mit
der Ruhe des Besitzenden auch die kommenden Verluste ertragen
konnten; daneben aber schon die Vasallen der Börse, die Sangui-
niker ohne Vermögen, die eigentlich leidenschaftlichen Spieler, die,
durch das Dasein der ersten Klasse gereizt, den ungleichen Kampf
mit ihr aufnahmen, oft mit gutem Erfolg, denen aber eine Krise
meistens einen schnellen Tod brachte. Andere ihrer Art rückten dann
sofort nach, die Unsicherheit ihrer finanziellen Stellung ward noch
erhöht durch Heimlichtuerei und den häufigen notwendigen Gebrauch
zweideutiger Mittelsmänner. Diese letzteren gehörten der letzten
Klasse an, den Hörigen der Börse, den berufsmäßigen Börsenspielern,
unter welchen die Juden an Zahl und Bedeutung Hervorragten.
Man nannte sie „die Hucke", und unser Gewährsmann schildert
sehr hübsch „den dichten, unzertrennlichen Knäuel, wo man Schreien
und Lärmen hört, ohne daß der Uneingeweihte ein Wort versteht;
man hört nichts als Zahlen und abgebrochene, verstümmelte Phrasen
und sieht Hände und Füße in beständiger Bewegung."
Frankfurt begann jetzt schon Geld- und Börsenplatz par oxoellenoo
zu werden. Man erzählte sich schon von märchenhaften Gewinnen
und Verlusten, man lancierte schon ganze Kategorien von Effekten,
man spürte bereits die Wechselschläge der politischen Witterung.
Die Geldstadt wurde geldstolz. Das machte den auswärtigen
Besuchern nicht immer den angenehmsten Eindruck — besonders,
da er meistens eher mit den aufdringlichen, jetzt schnell empor-
schießenden Parvenüs, als mit den alten, vornehm bleibenden
Kaufmannsfamilien in Berührung kam. Das stolze Selbstbewußtsein
der geldmächtigen Stadt kam aber gelegentlich auch schön und würdig
heraus, wie bei dem Hamburger Brand 1842, als Frankfurt einen
unverhältnismäßig hohen Betrag unverhältnismäßig schnell der
Schwesterrepublik spendete, als Frankfurt, das selten ausfuhr, wie
das damals geprägte Wort es ausdrückte, vierspännig ausfuhr. —
Der Vertrag mit Preußen von 1836 hatte also der Stadt ihren
Handel gerettet — wie verhielt es sich mit dem Gewerbe?
Der Zollverein gestand der Stadt die Beibehaltung der Zunft-
verfassung in ihrem Gesetz und verfassungsmäßigen Umfang zu,
also uamentlich das ausschließliche Recht der Handwerker zur

-) Gem. Chronik VIII, Nr. 1.
 
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