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Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.7985#0056
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Gittcr am „hohen Markt" in Wien.

Museen.

Das Runstgewerbe-Museuin im Leibniz-'Lause zu idaiinover.
Die Ltadt Lannover hat, wie die Berliner Post meldct, wiedermn cin
nenes Museuin erhaltcn, da die Sainmlungen des 1<unstgewerbc>vsreins
in dem alten Leibniz-bsause der allgemeinen Besichtigung zugänglich
gemacht worden sind. Ls ist dies uicht die erste kunstgewerbliche
Sammlung, welche die Stadt aufzuweisen hat. Die Räume des bsannover-
schen jdrovinzialmuseums mit seinen zahlreichcn Anbauteu werden zwar
zum größten Theil vou der Gemäldegalerie, den xlastischen Aunstwerken
und den sehr reichhaltigen vorgeschichtlichen und naturwissenschaftlichen
Sammlungen eingenoinmen. Doch besitzt es auch einen nicht unbedeu-
tenden Bestaud kunstgewerblicher Alterthümer in seiuen Bauern- und
Zunftstuben und in dem Reste des welfenschatzes, der unter Anderem
einige kostbare kirchliche Geräthe und liturgische Gewänder des Nlittel-
alters aufzuweisen hat. Es ist nicht wahrscheinlich, daß diese Ab-
theilung iu dem j)rovinzialmuseum eine dauerude lheiinat gefnnden
haben, zumal da eine Lrgänzung in dieser Richtung uicht stattfinden
wird. Dagegen bilden ein vorwiegend kunstgewerbliches Museum die
in einem stattlichen neuen Gebäudc vereinigten Aestnerschen und Lule-
mannschen Sammlungen in städtischem Besttz. lhier treten die Gemälde-
galeric und das Aupferstichkabinet, obwohl es ihnen an ausgezeichneten
Wcrken nicht sehlt, an Umfang und Bedeutung hinter den Lrzeugnissen
der Lleinkuust doch weit zurück. Aus dem Uestnerschen vermächtnisse
stammen die Arbeiten des klassischen Alterthums: Bronzen, Uiünzen,
Schmucksachen, vasen und Terrakotten von ägyptischer, etrurischer und
griechisch-römischer bserkunst, welchen eiue an Stiickzahl nicht große,
aber trotzdem beachtenswerthe Gruppe von italienischen Majoliken des
tS. Iahrhunderts angeschlossen ist. Sie enthält charakteristischc Arbeiten
aus den besten lverkstätten von Deruta, Faenza, Gubbio und Urbino
und ist vollkommen srei von den minderwerthigen lverken der verfall-
zeit. Der Ankauf der Sammlung des Senators Tulemann hat diesen
Bestand aus das glänzendste nach der Richtung des NUttelalters ver-
vollständigt. Die Abtheilnngen der geschnitzten Elfenbeinarbeiten aus
srühchristlicher und gothischer Ieit, der Silber- und Bronzegeräthe kirch-
lichen Gebrauchs aus dem s5. Iahrhundert, namentlich dcr Nkonstranzen,
Aquamanilien, Außtafeln und Reliquiare find geradezu ersten Ranges,
trotzdem sich manche schon mchr als verdächtige Stücke mit eingeschlichcn
haben. Auch die Medaillen der italienischen Frührenaissance, die Luxus-
gewebe der Sarazenen und Italiens, getriebene Lederarbeiten und Gold-

schmuck sind zum Theil recht gut uud reichlich vcrtreten. Aus der Zeit
nach dem Z5. Iahrhundert aber finden sich nursvereinzelte Gegenstände,
die nicht entfernt ausreichcn, von der Aunstindustrie der Renaissance
und der Zeit der Spätstile ein Bild zu geben. Ls ist im wcscntlichen
cin Aunstgewerbemnseum des Alterthums und des Nlittelalters, dessen
Inhalt mehr durch Aostbarkeit und kunsthistorische Bedeutung, als
durch vorbildliche verwendbarkcit sür das moderne Aunsthandwerk sich
auszeichnet. Da nun bei der Zusammenstellung der Sammlungen des
Aunstgewerbevereins gerade die letztere Rücksicht die maßgebende war,
wird das neue Nluseum im Leibniz-tsause eine sehr erwünschte Lrgänzung
sein. Das Gebäude ist an sich schon eiu Schaustück. Im Iahrc ZS52
erbaut, trägt es an seiner Giebelschauseite einen reichen Schmuck von
stgürlichen und ornamentalen Reliefarbeiten, die gegenwärtig vollständig
erneuert und durch theilweise vergoldung uud Bemalung in ihrer
lvirkung wesentlich gchoben wird. An der fensterreichen Schauseite
liegcn in vier Geschossen je eine Rcihe mittelgroßer Ziinmcr, die durch
alte Nköbel und bsausgeräthc in den verschiedenen Stilsormen von der
Gothik bis zum Lmpire ausgestattet siud, soweit der bisherige Besitz
des Aunstgewcrbc-Vercins und Leihgaben es erinöglicht haben. Die
geschnitzten Thüren stammen noch alle aus der Zeit, als Leibniz das
bsaus bewohnte; die Dcckenmalereien sind, dem jeweiligen Stile der
lNöbel angemcssen, nach wohlerhaltenen Nkustern in anderen Gebäuden
hergestellt. Für einzelne Zimmer, so fllr den Rokoko- und Linpire-
ranm, ist es gelungcn, alte Bekleidnngen von Fayencefliesen und be<
malte Tapeten zu «rwerben. Den hinter den Aimmern liegenden
größeren Theil des ksauses nimmt eine weiträumige, durch mehrere
Geschosse reichcnde thalle mit freier lholztrcppe ein. In dieser sind die
besonderen Sammluugen untergebracht, die sich anf den Fluren der
obersten Geschosse fortsetzen. Vbwohl noch nach keiner Richtung ab-
geschlossen, zeigen sie schon auf mehreren Gebieten große Reichhaltigkeit
und zahlreiche Gegenstände bester Art. So ist die Sammlnng von
schmiedeeisernen Gegenständen trotz der großen Anzahl der Stiicke sorg-
sam gewählt, ebcnso die der spanischen und portugisischen Lederarbeiten,
der tsolzschnitzereien und der spanischen Fayencesliesen zur lvand-
bekleidnng. Bcsonders gut ist das Aunsthandwerk des muhameda-
nischcn Vrients vertreten durch persische und türkische Anüpftexpiche
des ;s. und i?. Iahrhunderts, durch Seidengewebe und Bucheinbände.
Der Vervollständigung noch sehr bedürftig dagegen die Abtheilungen
der Aunsttöpferei, des Glases und der Edelmetalle. Doch wird schon
die in Aussicht genommene Uebertragung der kunstgcwerblichen vor-
 
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