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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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ls mit dem ausgehenden Mittel-

3 alter die Volksfeſte, allen andern

voran der Faſching, mit außer-

ordentlichem Prunk und einer an
die Antike mahnenden Ausgelaſſenheit ge-
feiert wurden, fehlte es nicht an Eiferern,
die in Wort und Schrift, von der Kanzel
herab und in den Ratsverſammlungen da-
gegen wetterten und erklärten, dieſem
heidniſchen Unfug und Greuel müſſe mit
den ſtrengſten Mitteln ein Ende geſetzt
werden. Wenn der ehrwürdige Herr
Scriver am Sonntag Eſtomihi auf die
Kanzel trat, pflegte er ſeine markige Pre-
digt alſo zu beſchließen: „Ich will Euch
einen guten Rat geben, wie Ihr ſollet Faſt-
nacht halten, daß Ihr mir's über acht Tage
danken ſollt. Seid dieſe Wocheüber der Welt
zuwider, gehet in keine Saufgelage, haltet
Euch ſtille. Wenn ;
die Welt jauchzet, ſo
ſinget Ihr ein Paſ-
ſionslied. Sollteſich
die Welt verlarven
und verkleiden, ſo
berkleidet Ihr Euch
in den Kleidern
Chriſti und ſuchet
ihm täglich ähnlich
zu werden. Wenndie
Welt lachet, ſo wei-
net Ihr und jaget |
mir dann, ob Euch
nicht über acht Tage,
gelobt ſei Gott, beſ-
ſer zumute iſt als de-
nen tollen, vollen
Zapfen.“

Was den Eiferern
gegen die lärmen-
den Freuden des
Faſchings beſon-
ders unbequem ſein
mochte, war viel-
leicht das bunte Ge-
rank, mit dem der



deren von den heidniſchen Völkern über-
nommenen und unter Aufſicht und Hut
des Chriſtentums fortgebildeten behängt
hat. Die Erinnerungen an das alte Feſt des
Donar oder der Frigg, das das Ende des
Winters und den Beginn des Frühlings
feierte, waren niemals erloſchen, erhielten
ſich vielmehr in verändertem Ausdruck in
den mannigfachſten Sitten und Gebräuchen
im Volk, das ſich wohl kaum mehr hat
Rechenſchaft von ihrem Zweck und Ur-
ſprung zu geben gewußt. Die deutſche
Hausfrau aber vergaß nicht, was an Faſt-
nacht nicht verabſäumt werden durfte. Da
mußte man oft, ehe noch die Sonne auf-
ging: Blutwurſt und Hirſebrei eſſen, das
brachte Geld ins Haus und ſchützte vor Fie-
ber, mittags aber vor allem Sauerkraut,
dann war manſicher
vor allem Ungezie-
fer. Je mehr Speiſen
auf den Tiſch ka-
men, deſto beſſer für
das Haus; man
hatte ſo das ganze
Jahr über Wohl-
ſtand. Ebenfalls vor
Sonnenaufgang
ſoll die Hausfrau
etliche Faden ſpin-
nen und etwas
Flachs hecheln,
dann gerät ihr bei-
des wohl. Soll der
Flachs recht lang
werden, ſo tanzen
Hausvater und
Hausfrau an Faſt-
nacht ein paar
Stücke, und je höher
dabei die Frau vom
Tänzer geſchwun-
gen wird, um ſo
höher wird der
Flachs. Selbſt die
 
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