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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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Diebe profitieren vom Faſtnachtsglauben;
wenn ſie vor Sonnenaufgang in der Faſt-
nacht drei Spuren Holz und drei Häufchen
Streu ſtehlen und, ohne dabei zu ſprechen,
verbrennen, werden ſie nie bei ihren üblen
Streichen ertappt.

All dieſe und viele andere Bräuche
wieſen mit aller Deutlichkeit auf den ur-
ſprünglich antiken Charakter des Feſtes
hin, das ehedem Bacchus zu Ehren ge-
feiert ward, der Bacchanalien; anderes

hergebrachten Gerichte, geräuchertes Och-
ſenfleiſch, Schweinsſchinken und Mett-
wurſt. Wie man einſt der Sonne Ochs und
Schwein opferte und danach bei der Feier
von ihrem Fleiſch den Opferſchmaus hielt,
ſo ſind ſie auch jetzt die beliebteſten Feſtge-
richte. Mettwurſt und Wecken erinnern nicht
minder an das alte Opfermahl. Die
Wecken, aus feinem Mehl und Milch, in
Kreuzform entweder trocken oder mit But-
ter beſtrichen gebacken oder in ſiedender
Milch abgekocht, mit


mag noch aus andern, um die gleiche
Jahreszeit gefeierten antiken Feſten, den
Luperkalien und Cerealien, und endlich
dem nordiſchen Julfeſt hineingetragen
worden ſein. Aus den Sitten und
Bräuchen der antiken, in Nord und Süd
gefeierten Feſte bildeten ſich dann die
Faſtnachtsgebräuche heraus, die im all-
gemeinen für ganz Deutſchland Geltung
hatten.

Da war es zunächſt üblich und wichtig,
reichhaltig zu ſchmauſen und weidlich zu
trinken. Auf den Tiſch kamen die alt-

Eiern, Butter und
Gewürz hergerichtet,
wurden als Vorkoſt
geſpeiſt. Urſprünglich
ein Rundgebäck, als
Opferkuchen für das
Sonnenfeſt in Kreis-
form gelegt, nahm es
ſpäter nach Einfüh-
rung des Chriſten-
tums ein Kreuz in
ſeiner Mitte auf und
ward zum Faſtnachts-
kringel oder zur Bre-
zel. Aber bei dieſem
einfachen Faſtnachts-
eſſen blieb es nicht
lange. Mit dem wach-
ſenden Wohlſtand und
zunehmenden Luxus
hielten, ganz abge-
ſehen von Fürſt und
Edelmann, auch Bür-
ger und Bauer auf ein
Mahl, das man nicht
anders denn üppig
und ſchwelgeriſch nen-
nen kann. Wie gut
3. B. die teichen
Bauern lebten, erfährt man, wenn man
lieſt, was ihnen als Frühmahl an einem
Faſttage genügte: Erbſenſuppe, geſottene
Eier, blau abgeſottene Karpfen und
Eſſig dazu, ein Sauerkraut mit dürrem
Lachs geſotten und Backfiſch und Bratfiſch
auf das Kraut; gelbe Hechte, gekocht auf
ungariſche Art; eine weiße Gallrat, ge-
macht von Karpfen, ſauer, dazu allerlei
Gebackenes, Kuchen und Hohlhippen, Steig-
leder und Setzküchlein, Apfel, Birnen, Nüſſe
und Käſe. _

Wie uns ein Zeitgenoſſe glaublich ver-
 
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