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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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Heft 7
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Hanauer: Unter der phrygischen Mütze: die Frauenbewegung in der französischen Revolution
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https://doi.org/10.11588/diglit.66819#0441

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Wie franzöſiſchen Aufklärer des 18.
' Jahrhunderts ſagten: Alles Be-
ſtehende iſt geworden, alſo kann
Wes zugrunde gehen; und iſt es
15 ſchlecht, ſo eilen wir, es zugrunde
zu richten. Befreien wir die Menſchheit von
der Laſt der Vorurteile, räumen wir die
Standesvorrechte aus dem Weg, ſo führen
wir die Menſchheit zu lichten Höhen. — Die
Stellung der Frau in Gegenwart und Zu-
kunft aber haben merkwürdigerweiſe die
meiſten Aufklärer nur flüchtig oder über-
haupt nicht geſtreift. Nur Jean Jacques
Rouſſeau hat das Frauenproblem als un-
abweisbar in ſein Schaffen einbezogen und
mutig zu der 1155 geſprochen: „Liebe Mann
und Kinder und hüte
dein Heim.“ Wie ſchön
ſein Wort nachklang,
zeigen Deutſchlands
große Dichter jener
Zeit, in deren Frauen-
geſtalten faſt immer
etwas vom Rouſſeau-
ſchen Geiſte einge-
ſtrömt iſt. Und Frank-
reichs Frauen waren
ihm beſonders dankbar,
nicht für ſein Urteil
ſelbſt, ſondern dafür,
daß er überhaupt ge-
ſprochen, ſie zum Nach-
denken, zur Selbſtbe-
trachtung geführt hatte.
Bürgerlich ⸗ rechtlich
waren die Frauen
Frankreichs zeitlebens
wie Kinder gehalten,
bis ins kleinſte abhän-
gig vom Gatten, Vater
oder Vormund; ſie erb-
ten nicht einmal nach
demſelben Rechte wie
die Männer. Von politi-
ſchen Rechten war außer
etwa bei den Frauen der
privilegierten Stände
keine Rede. Um ſo größer
war freilich dafür der
Einfluß weiblichen
Weſens außerhalb des
Rechts. Seit andert-
halb Jahrhunderten
entſchieden die Mätreſ-
ſen der Könige, Prin-
zen und Miniſter über
Krieg und Frieden,
und was am Königs-
hofe galt, ſetzte ſich für




alle Schichten der höheren Stände durch, die
Atmoſphäre des Salons durchdrang das
Schöngeiſtige und Politiſche. Viele Frauen der
Bourgeoiſie, weltfern im Kloſter erzogen, ent-
wanden ſich ihren Pflichten und lernten, ſich
tändelnd, plaudernd und kokettierend durchzu-
ſetzen. Drunten aber lagerten die Maſſen in Be-
klemmung und wirtſchaftlicher Not, die auf die
Frauen noch härter drückte als auf ihre Män-
ner. Nun kam der Ruf Rouſſeaus, des Be-
freiers. Die vornehmen Frauen drängten
ſich wieder an die Wiegen ihrer Kinder, die
Mutterſchaft ward ihnen wieder eine Freude,
allenthalben, auch in den Anlagen von Paris,
ſah man ſtillende Frauen; Menſchheitsgedan-
ken begannen ſie zu erfüllen, von Rouſſeau be-
 
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