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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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Heft 5
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Vom Schreibtisch und aus dem Atelier
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Fleischer, Victor: Im Krug zum grünen Kranze
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Bethge, Hans: Liebesbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.66819#0168

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„Was wiſſenſchaftlich daran iſt, das
krieg'n Sie nie mehr zu riechen, Herr Kol-
lega, viel weniger zu ſehen, zu ſpüren.
Das können Sie viel eher betreiben, wenn
Sie einen ganz fremden Beruf haben, weil
Ihnen dann wenigſtens die Sachen nicht
durch ſolche Siſyphusarbeit verekelt wer-
den. Greifen Sie zu, ſag' ich Ihnen!
No ja, Sie können's ja probieren, bleiben
Sie halt vorläufig da ...“ Er ſchaute
auf die Uhr. „Wir müſſen jetzt hingehen
ins Gymnaſium, der Direktor wollte heute
zurück ſein. Da ſtell' ich Sie gleich vor.
Und dann, während ich ihm die Sachen
übergebe, können Sie Ihre Beſuche machen.
Ich hab' Ihnen da eine Liſte aufge-
ſtellt;“ er reichte ihm einen zuſammenge-
falteten Zettel. „Zum Kollegen Richter,
wiſſen Sie, zu dem Naturhiſtoriker, da
gehn Sie zuletzt, rat' ich Ihnen.“

„Warum gerade zu dem?“

„No ja, er iſt ja ein lieber Menſch, aber
ſie .. Ich weiß nicht, ob Sie gern zu-
hören, wenn einer ſtundenlang ſpricht ...
Alſo die, die red't überhaupt immer, wiſſen
Sie, da iſt man ganz machtlos. Wenn
die einmal angefangen hat, hört ſie ſo
bald nimmer auf. Wenn Sie ſie unter-
brechen, geht's erſt recht los, weil ſie dann
die Zeit wieder einholen will. Da is
ſchon beſſer, m’r wart't, bis ſie müd'
wird, und bei der erſten Pauſe Adieu.“

„Richtig — Ihre Gemälde hätt' ich gern
geſehen,“ ſagte Lorenz, als ſie ſchon auf
der Stiege waren.

„Ach, den Schmarrn zeig ich N
's nächſte Mal.“

Unterwegs fragte Lorenz nach der Art
des Direktors. Ein lieber alter Herr ſei es,
erzählte der Profeſſor, er kümmere ſich
wenig um die Lehrer, laſſe alles gehen,
wie es wollte. „Wenn er mal inſpizieren
kommt, dann werden ſicher im Nebenhaus
die Teppiche geklopft, daß er in ſeinem
Bureau nicht ſchlafen kann und ſich einen
ſtillern Ort dazu ſuchen muß.“ Er warte
offenbar nur noch das letzte Dienſtjahr ab,
um mit vollem Gehalt in Penſion gehen
zu können.

„Der Herr Direktor is ſchon oben,“
meldete der Schuldiener, als ſie zum Gym-
naſium kamen.

„Nun bin ich neugierig,“ ſagte Lorenz,
als ſie die Treppe hinaufſtiegen, „ob mir
meine Kneipgenoſſen auch als Schüler zu-
gedacht ſind.“

„Darauf können Sie ſich verlaſſen, bis
jetzt hat noch jeder im erſten Jahr die
Oktava gehabt.“

Und richtig, als ſie eine Zeitlang ſich
unterhalten hatten, ſagte der Direktor:
„Herr Kollege Lorenz, ich habe Ihnen die
Achte in Latein und die Siebente in Grie-
chiſch gegeben und nur ein paar Stunden
im Untergymnaſium, weil ich mir dachte,
daß es Ihnen für den Anfang lieber ſein
werde, mehr mit den erwachſenen Schülern
zu tun zu haben. Ihre Zeugniſſe laſſen


erzielen werden. In der Achten ſind Sie
zugleich Klaſſenvorſtand.“
Lorenz dachte: Na — Servus, das
kann ja gut werden
(Fortſetzung folgt)


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Liebesbrief

Nach einer unbekannten japaniſchen Dichterin
von Hans Bethge

Groß iſt mein Wunſch, dein Angeſicht zu ſchauen,
Und groß iſt meine Luſt, mit dir zu plaudern, —
Doch muß ich ſolcher Freuden mich enthalten.

Denn wenn durch Zufall einer von den Meinen
Oder auch einer von den Nachbarn nur
Erführe, daß wir beieinander waren,

Ich würde Qualen leiden wegen des
Geſchwätzes, das man führte. Daß mein Ruf,
Mein guter Ruf, verloren ginge, wär'

Mir völlig gleich. Doch würd' ich troſtlos ſein,
Wenn des verlornen guten Rufes wegen
Du weniger mich liebteſt als zuvor!

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