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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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Heft 5
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Vom Schreibtisch und aus dem Atelier
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Fleischer, Victor: Im Krug zum grünen Kranze
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https://doi.org/10.11588/diglit.66819#0140

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as fängt gut an, dachte Doktor
Guſtav Lorenz, als er nun mit
dem ziemlich ſchweren Hand-

auf dem Bahnſteig der kleinen Station ſtand
und ſich vergebens nach einem Gepäck-
träger umſchaute. Der Perſonenzug rollte
ſchon wieder weiter, und die wenigen Leute,
die ihm entſtiegen waren, wandten ſich
ohne ſonderliche Eile dem Ausgang zu.
Der und jener tauſchte im Vorbeigehen
einen Gruß mit dem Beamten, der eben
noch mit ſtrenger Feldherrnmiene dem
Perſonal des abfahrenden Zugs ſalutiert
hatte.

„Das nächſtemal, wenn ich da aus- oder
einſteige, dachte Lorenz, ‚wird mich der
Herr Stationsvorſtand auch ſchon wie einen
alten Bekannten grüßen ... Du lieber
Got

Er ſchritt langſam durch die Vorhalle
hinaus. Es ſei recht weit vom Bahnhof
zur Stadt, hatte ihm unterwegs einer ge-
ſagt, und der Weg ſei auch nicht gerade
der beſte. Ich nehme mir einen Wagen,“
dachte Lorenz. Aber vor dem Stations-
gebäude ſtand nur ein Omnibus, und der
ſah wenig einladend aus. Das Pferd hatte
einen Futterſack vorgebunden, und der


und ſchlief. Die erkaltete Tabakspfeife
drohte ihm jedesmal, wenn er ſo mit dem
Kopf nickte, aus dem Mund zu fallen.
Doktor Lorenz muſterte den ſchwarz und
blau lackierten Wagen. „Hotel Krug zum
grünen Kranze“ ſtand in großen Buch-
ſtaben an der Rückwand. Einen Augenblick
überlegte er noch, dann ging er zu dem
Kutſcher hin.

„Sagen Sie mal, wie weit iſt es denn
zur Stadt hinein?“.

Der kleine dicke Mann ſchlug die Augen
auf, ſchaute den Fremden ſchlaftrunken an,
und ohne aufzuſtehen oder zu grüßen
wiederholte er langſam: „In de Stadt
nein? ...“ Er nahm die Pfeife aus dem
Mund, klopfte die Aſche aus und ſagte

„No — wenn er lauft
kann ſein: zehn Minuten.. ja.. Wenn
er aber net will, kann's auch länger dauern
. . . Das is ſehr verſchieden ...“

„Ich meine, wie lang man fährt ...“

„Noja, is ſchon recht, ich ſag' ja, wenn
er lauft — zehn Minuten ...“

„Wenn wer lauft?“

„No der Gaul ... das Pferd, mein'
I

„Alſo, dann fahren wir ... los!“ ſagte
Lorenz.

Der Kutſcher ſtand jetzt langſam auf.
„Wo woll'n Se denn hin? Zum Hotel?“

„Ja.“

„Steigen Se nur derweil ein.“ Er nahm
ihm den Handkoffer ab, öffnete die Wagen-
tür und legte das ſchwere Gepäckſtück auf
die roten Plüſchpolſter. „Is Platz genug
drin,“ ſagte er, „den können Se ſchon mit
reinnehmen in Wagen ... Hab'n Se en
Zettel?“

„Was denn für Zettel?“

„No, halt en Gepäckſchein,“ brummte
der Kutſcher ärgerlich und wie beleidigt,
„daß m'r den Muſterkoffer auch gleich mit
in de Stadt nehmen können.“

Doktor Lorenz verſtand. Der Mann
hielt ihn für einen Geſchäftsreiſenden.
„Nein,“ antwortete er, „den laſſen wir vor-
läufig da.“

„Wie Se meinen. Mir is egal!“ ſagte
der Dicke, machte die Wagentür zu und
ſetzte ſich wieder auf das Trittbrett.

„Ja, wollen Sie denn noch nicht fahren?“
fragte Lorenz. .

„He —?“ Der Kutſcher wandte den
Kopf halb herum und ſchaute ſchon wieder
ganz beleidigt aus.

„Zum Donnerwetter!
Sie!“

„Bis wird Zeit ſein, werd' ich ſchon fah-
ren, da brauchen Se gar net zu ſchreien ..
Vorläufig is der Zug von Auſſig noch net
da .. . Ich muß doch warten, bis er kommt
J 0h...” (& Qahnte
laut und ſchlief auch ſchon wieder.

„Wenn das in dieſer Stadt alles ſo geht,

Fahren ſollen
 
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