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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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1
Sa

Was im Weltenſyſtem die Sonne,
A das iſt im deutſchen Wirtſchafts-
leben die Reichsbank. Die
Sonne ſchafft Leben; Leben aber
SS iſt Geld, wenigſtens für viele
Leute. Neben der Reichsbank⸗Sonne gibt
es noch andere große Geſtirne. Da iſt der
Saturn mit ſeinen Ringen oder die Deutſche
Bank und der Jupiter mit ſeinen Monden
oder die Dresdner Bank. Aber nur die
Reichsbank kann wirklich Geld machen. Es
iſt zwar Papiergeld, aber ſchließlich iſt ein
„brauner Lappen“ ſo gut wie 50 Doppel-
kronen zu 20 Mark.

Wie kann ein Stück bedrucktes Papier ſo-
viel wert ſein wie 50 Doppelkronen? Wes-
halb macht man überhaupt Banknoten? Und
wenn die Reichsbank Geld machen kann,
weshalb macht ſie dann nicht gleich ſoviel,
daß jedem ſein Paketchen Tauſendmarkſcheine
in die Wiege gelegt wird?

Banknoten macht man, weil in dem mo-
dernen Geſchäftsleben, namentlich an be-
ſtimmten Terminen, ſo viele Zahlungen zu
leiſten ſind, daß dafür das harte blanke Geld
bei weitem nicht ausreichen würde. Da
müſſen künſtliche Zahlungsmittel zwiſchen-
treten, alſo Banknoten, echſel, Girover-
kehr uſw. Künſtliche Zahlungsmittel be-


muß etwas ſtehen, woran man ſich im
Notfalle halten kann. Hinter der Bank-
note ſteht alſo auch etwas Greifbares. Zu-
erſt die Konzeſſion. Regierung und Geſetz-
gebung müſſen ihre Erlaubnis zur Aus-
gabe von Banknoten erteilen. Früher hatte
jeder deutſche Einzelſtaat ſeine Notenbank,
und wer ſo glücklich iſt, noch einen Groß-
vater zu beſitzen, kann von ihm hören, was
für ein Durcheinander von Papiergeld in
Deutſchland bis zur Mitte der ſiebziger
Jahre beſtand. Die Ordnung des Bank-
noten⸗ und Papiergeldweſens iſt eine der
größten Taten nach der Begründung des
Deutſchen Reiches. Heute gibt es beſondere
Banknoten nur noch in Bayern, Sachſen,
Baden und Württemberg, ſonſt aber herrſcht
auf dieſem Gebiete die Reichsbank. Sie
kann freilich auch nicht beliebig viel Bank-
noten ausgeben. Für die Banknoten muß
immer eine Deckung vorhanden ſein. Das
Geſetz hat darüber genaue Beſtimmungen
getroffen. Der dritte Teil der umlaufenden
Banknoten muß in bar gedeckt ſein; dieſe
ſogenannte Dritteldeckung iſt das Fundament,
faſt ein heiliges Gebot in unſerem Geld-
weſen.
Umlaufes an Banknoten müſſen diskontierte
Wechſel als Deckung vorhanden ſein. Die
Wechſel aber dürfen nur eine Umlaufsfriſt
bis höchſtens drei Monate haben, und außer-


Bot
r

dem müſſen ſie die Unterſchrift in der Regel
von drei, mindeſtens aber von zwei Leuten
tragen, die als gut und zahlungsfähig be-
kannt ſind. Der Umlauf an Banknoten
ſchwankt beſtändig; er iſt groß bei regem
Geſchäft, ſchrumpft aber zuſammen, wenn
der Bedarf an Umlaufsmitteln nachläßt.
Sinnreich, ingeniös, wie die meiſten Einrich-
tungen der Finanzwelt, ſind alſo die Grund-
gedanken der Reichsbank. ;

Die Reichsbank ſteht aber auch faktiſch im
Mittelpunkt unſeres Wirtſchaftslebens; denn
das Gebäude der Bank liegt mitten in dem
Getriebe des Berliner Geſchäftslebens, da,
wo der Pulsſchlag von Handel und Induſtrie
am lebhafteſten geht. Breit und maſſig
ſchiebt ſich die Reichsbank in das Konfek-
tionsviertel Berlins hinein. über dem Ein-
gange von dem Hausvogteiplatze ſtehen pa-
triarchaliſch, in Stein gehauen, die Worte
„Kontor für Wertpapiere“. Einige Stufen
führen uns hinauf. Weite, mächtige Räume;
klar gegliedert und überſichtlich; gediegene
Eleganz. Geheimrat Wolf herrſcht in dieſem
Milliardenreiche. Hier bewegt ſich der Ef-
fektenverkehr der Reichsbank.

Die Reichsbank nimmt keine verzinslichen
Depoſiten an. Wer mit ihr in Giroverkehr
treten will, muß dauernd ein Mindeſtgut-
haben halten, das mit 1000 Mark anfängt
und bis in die Millionen ſteigen kann. Da
es für viele Leute nützlich und Ehrenſache iſt,
ein Konto bei der Reichsbank zu haben, über-
weiſt man das Guthaben gern, obwohl man
dafür keine Zinſen bekommt. Zeitweiſe ſtehen
bis 800 Millionen Mark ſolche Guthaben bei
der Reichsbank. Freilich befinden ſich dar-
unter auch Guthaben von Behörden: denn die
Reichsbank vermittelt deren Zahlungsverkehr.
Sie führt aber keine Aufträge auf Speku-
lationsgeſchäfte aus.

Sonſt beſorgt die Reichsbank Kauf und
Verkauf und vor allem auch die Aufbewah-
rung und Verwaltung von Effekten. Gute
Wertpapiere zu haben iſt ja höchſt erfreulich;
je mehr, deſto beſſer; aber ſie ſind anſpruchs-
voll wie verwöhnte Kinder; ſie müſſen gut
gewartet werden und machen viel Arbeit.
Dieſe Arbeit nimmt die Reichsbank den Ef-
fektenbeſitzern gütigerweiſe ab. Es koſtet
nicht viel und iſt ſicher. Viele Leute haben
das begriffen und der Reichsbank ihr Ver-
mögen zur Verwaltung überlaſſen. Geheim-
rat Wolf führte uns liebenswürdigerweiſe
in die unterirdiſchen Treſors. Taghell iſt
die Nacht gelichtet! Und welche Ordnung
und Überſicht! Etwa 3¼ Milliarden Mark
an Wertpapieren, der Beſitz von 75000 Ka-
pitaliſten, auch von Ausländern, ſind da
unten aufgeſpeichert; 398 einzelne Treſors
bergen dieſe Reichtümer in ſich. Wenn oben
 
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