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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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Heft 5
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Lienhard, Friedrich: Alfieris Königstraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.66819#0093

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die Wand die Waffen! Hier
/ mobnen freie Freunde! 1

S Graf Alfieri lief in ſeiner ha-
geren Länge ſtürmiſchen Schrittes im Turm-
gemach rund herum. Er hatte ſich vom
Reiſeſtaub gereinigt; das rötliche Haar
umflog noch unfriſiert den langen und ecki-
gen Kopf. Er ſchwang die Arme, er hatte
einen ſeiner Anfälle von pathetiſchem Ent-
zücken. Das war die Form, wie die
Lebenskraft des ſonſt ſo gehaltenen und
meiſt ſchweigſamen italieniſchen Dichters
zuzeiten über die Ränder ſprühte.

„Elias, ich bin berauſcht! Verſtehſt du
das, Alter? Dieſe elſäſſiſche Ebene iſt ein
Paradies!“

Er blieb am Fenſter ſtehen und warf
einen Blick hinaus.

„Wie die Sommernacht aus dem Ried
heraufſteigt, emporgerufen vom Mond, der
über den drei Exen ſteht und als Feldherr
ſeine Befehle gibt! Ich habe noch das
Hähnekrähen eines langen Sommertags
im Ohr, Glockengeläute, Hundegebell und
das Gekreiſch dieſer Rudel von Kindern,
durch die wir hindurchgefahren ſind auf
dieſer wahrhaft tollen Fahrt — auf dieſer
Fahrt von Italien nach dem Elſaß, auf
dieſer Eilfahrt zur Dame meines Her-
zens!“

Als Elias ſeinen gräflichen Herrn zu-
rechtgemacht, das ſchwarze Gewand gebür-
ſtet, Degen und Schnallenſchuhe noch ein-
mal blank geputzt hatte, ſchritt der große,
ſtolze Mann haſtig hinab, ſtieß im Korri-
dor auf ſeinen Freund, den Abt von Ca-
luſo, der hier gleichfalls Gaſt war, und
nahm ihn ſogleich unter den Arm.

„Begleite mich, Cariſſime! Es iſt ſonſt
Gefahr, daß ich im täppiſchen Ungeſtüm
meiner Freude die allerholdeſte Dame über
den Haufen renne! Komm, es iſt zwar
noch nicht Eſſenszeit, aber das halte der
Satanas aus!“

Und alſobald ſtand er mit dem geiſt-
vollen und behäbigen Getreuen im Rokoko-

ſalon, ließ 105 vor einer ſchönen Dante
auf ein Knie nieder und bedeckte eine weiße
Hand mit unzähligen Küſſen.

Die ſchöne Dame, die mit bezauberndem
Lächeln dieſe Huldigung über ſich ergehen
ließ, war die Gräfin Albany. Und das
kleine Schloß, in dem hier Graf Viktor
Alfieri vor ſeiner Freundin kniete, war die
Martinsburg in Wettolsheim. Und das
Winzerdorf Wettolsheim liegt im oberen
Elſaß, am Fuße der drei Exen und der
Hohlandsburg.

Über den nahen Vogeſen harrte ſchon der
feſtliche Mond, und über die Ebene her-
über grüßten die erſten Lichter der Stadt
Colmar.

„Ich bin am Ziel, Luiſe, meine Göttin!
Ich habe dich, ich halte dich — und werde
dich feſthalten in alle Ewigkeit!“

Die Silhouette des Abtes ſtand in der
Fenſterniſche des bereits dämmernden Saa-
les; ein Streifen des Mondlichtes und ein
letzter Schimmer der Abendröte umran-
deten ſein Mönchsgewand. Er freute ſich
über ſeines Freundes Glück; er ahnte zu-
ſchauend das Weſen weiblicher Liebe, lä-
chelte neidlos und nahm gütig nickend eine
Priſe Schnupftabak aus goldner Doſe.

Dann trat die Beſitzerin des Schlößchens
herein, das Freifräulein von Malzen, eine
Geſellſchafterin und Freundin der Gräfin
Albany.

Alfieri erhob ſich und dankte ihr in er-
leſenſten Worten.

„Unſere Freundſchaft,“ ſprach er von
ſich und der Gräfin, „war bisher eine Kette
von Verfolgungen. Hier aber, bei Ihnen,
mein gnädigſtes Fräulein, hier im ent-
zückenden Elſaß iſt Freiheit und Freude.
Sie haben zwei Menſchenkindern, die für
einander beſtimmt ſind und doch durch
Schickſals Tücken ſo oft und leidvoll ge-
trennt waren, dieſen allerliebſten Zufluchts-
ort geſchaffen, dieſes umblühte Haus, das
ein buſchreicher Park vor neugierigen
Augen verſteckt und das vom Duft des
nahen Weinbergs durchſtrömt wird. Haben
 
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