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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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Heft 7
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Vom Schreibtisch und aus dem Atelier
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Heyck, Eduard: Karl der Große in der deutschen Sage: zum eilfhundertjährigen Todestage des Kaisers
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Beil, Ludwig: Abend
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Beil, Ludwig: Im Park
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https://doi.org/10.11588/diglit.66819#0536

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Harun al Raſchid, nicht zuletzt aber aus
den Legenden der großen Reliquien zu
Aachen und St. Dénis, von denen hieß,
daß Karl ſie aus Paläſtina beſchafft habe,
iſt des Kaiſers Fahrt nach Jeruſalem zu-
ſammengewachſen und läßt ſich literariſch
lange vor den Kreuzzügen erkennen. Nicht
dieſe erſt haben die Kreuzfahrergeſtalt Karls
erſchaffen, ſondern ſie hat, wie ſchon geſagt,
in nicht zu unterſchätzender Weiſe auf die
Kreuzzugsbewegung mitgewirkt.

Die Deutſchen und die germaniſchen
Skandinavier, deren geiſtige Aufmerkſamkeit
gleichfalls gern das Fremde einbezieht, haben
dann die franzöſiſchen Verſionen auch in ihre
Literatur übernommen. Mit auf fran-
zöſiſche Quellen ward die Biographie des
frommen und kreuzfahrenden Kaiſers auf-
gebaut, die Friedrich J. bei der Heilig-
ſprechung halbamtlich anfertigen ließ. Mittel-

Großartiger und liebevoller und lieblicher,
als alle welſchen Fortbildungen des An-
denkens Karls, ſind die echten deutſchen, ob

ſie ihn in die Umriſſe der Wotan⸗ und
Siegfriedmythen erheben, oder ob ſie von
ſeiner klaren Gerechtigkeit, die nie ohne
innere Güte iſt, von ſeiner Blamierung win-
digen Aufputzes und fremden „Papageien-
tandes“ erzählen, von ſeinem Sinn für die
Schule und für rechte Tüchtigkeit, ſo daß er
die Müßiggängerei der vornehmen Söhnlein
durch ſeine Anerkennung der Söhne der ein-
fachen Freien mit Schande ſtraft (Erzäh-
lungen des Mönches von St. Gallen). Aber
kein noch ſo großer Karl hat von den
Deutſchen die geliebte Fremdtümelei wenden
können, die dem Mittelalter ſo gut wie der
Neuzeit ein Gepräge gibt. Die höfiſche
mittelhochdeutſche Literatur hat mit ein-
ſeitiger Befliſſenheit ſich des welſchen Bildes
von Karl bemächtigt und auch bei uns die
vage und falſche Vorſtellung aufgebracht, als
ob der zu Ingelheim, Regensburg, Aachen
Hof haltende große Kaiſer, der mit Eifer
für Volk und Sprache ein guter Deutſcher
war, ins weſtliche Frankenreich zu ſetzen ſei.
Um alle die prächtigen Erzählungen der
Deutſchen hat ſie ſich nicht gekümmert, die
waren für ihre poetiſche Pflege und Auf-
zeichnung nicht vornehm genug. Die Auf-
forderung Karls des Dicken in St. Gallen,
dann die treuen Spielmannsſänger und
Fiedler, ohne die wir ja auch die Nibelungen
und Gudrun nicht hätten, am meiſten aber das
Feſthalten des Volkes ſelber haben von den
Märchen und Sagen über Karl den Großen
die unſchätzbaren Trümmerſtücke gerettet,
woraus wir ſie noch heute kennen und lieben.


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