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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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„Phantaſus“

Mitten auf dem Platz, wo die Kinder lärmen,
. vor der ſtrohumwickelten Sandſteinflora, n
die Beete drum dick mit Tannenreiſern bedeckt, beſpießt mit ſcheußlichſten Olkaputzen,
— Was iſt? ... Wieſo? ... Ich weiß es nicht! —
; bleibe ich ſtehn.

Jungens,
die ſich um eine Murmel zanken,
quer über den Weg ein irgendwie rätſelhaft ſtehngebliebner, leiſe ſteilhoch ſchütternder,
blankblau ſpiegelnder Babywagen, ;
aus dem ein lallendes, krahlendes, quäkendes Etwas,
mit kleinen, dicklich milchzart ungeſchickten Grapſchhändchen,
B nach einem großen, feſtgeknüpften, rotſchaukelnden Luftballon ampelt,
ein mich quietſchvergnügt ſeltſam anlächelndes, balletteuſenhaft aufgeputztes, halbflügges Mädelchen,
das mit fliegenden Röcken und offnen, flatternden Haaren Reifen ſpringt!
Herr Gott! Frühling! .
. Die Luft ſo weich,
die grauen, häßlich hohen Häuſer rings faſt ſchimmernd ſilberdunſtig glänzend,
das betäubend ohrenzerreißend tſchilpende Spatzenpack,
aus allen Bäumen, um alle Bänke,
wie verrückt!
Und nichts, nichts hab ich geſehn!
Aus allen Büſchen
brechen ja ſchon die Knoſpen!
I

Fern
liegt ein Land!
In dunklen Nächten
rauſchten ſchwermütig ſeine Eichen.
Bleiche, brodelnde Nebeldünſte
würgten ſein letztes bißchen Sonnenglück,
meine arme, zitternde Seele,
ſehnſuchtskrank, im erſten, eiſigen Froſtgrimm, erſchauerte,
erſtarrte vor Trauer,
erſtarb
in Finſternis!

Weiche Flocken deckten mein Grab!
Jetzt blühn die Primeln,
die Droſſel ſingt,
und über grüne Wieſen, um den blauen See, z
treibt der Schäfer ſeine Schafe.
Weiße Wölkchen gleiten.
Du ſüße Welt!
Auf deinen glänzendſten Stern
haſt du ein Herz, das dich liebt, gerettet!
Arno Holz
 
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