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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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war. Da konnte ſie nicht mehr an ſich hal-
ten; ſie ſchrie auf in jähem Schmerz, und
ſie ergriff die Hand des Mannes, die eis-
kalt anzufaſſen war, und flehte: „Um Gottes-
Jeſuwillen! Flori! Was haſt du denn?
Ich ertrag's ja nimmer! Erbarm' dich
doch um der Kinder willen! So ſag' mir
nur, was du haſt! Ich bin ja doch dein
Weib und hab' ein Recht darauf!“

Und langſam, langſam wandte der
Flori ihr ſein Geſicht zu. Wie forſchend
And fragend blickte er ſie an und langſam,
leiſe, faſt tonlos, ohne ſeine Hand aus der
ihren zu ziehen, ſagte er: „Agerl — es
drückt mir's Herz ab — all die Zeit trag'
ich's mit mir herum und kann's doch nie-
mandem ſagen. Und nun will ich's dir
ſagen, denn du biſt ja das Liebſte, was ich
hab', und zu dir hab' ich Vertrauen. Und
wenn's mich gleich deine Liebe koſtet und
du dich von mir abwendeſt — ich muß es
dir doch ſagen, daß ich meine Ruhe finde.“

Ein Zittern überlief die Agerl; in namen-
loſer Angſt horchte ſie. .

Und nun erzählte der Flori, ſtockend
und leiſe und ſtoßweiſe, als zage er noch
immer, ſein Geheimnis mitzuteilen, wie
er, arbeitslos und arm, in furchtbarer Be-
drängnis geweſen, und wie in der Herberge
in Metz der Brenner ſich an ihn heran-
gemacht mit Zureden, und wie er ſeine
Not ausgenutzt, daß er ſchließlich mitgetan
bei dem Einbruch; wie ſie überraſcht wur-
den und wie er zu ſeiner Narbe kam —
und dann ins Gefängnis mußte. Und
weiter erzählte er, wie er gewandert ſei,
bis tief unten ins Elſaß, wo niemand ihn
kannte und etwas von ſeiner Strafe wußte,
wie er immer nur arbeiten, arbeiten,

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arbeiten wollte, um vor ſich ſelbſt wieder
rechtſchaffen dazuſtehen; und wie dann
das Glück kam, daß ſie ihn mochte und er
ein Heim bekam — ein enges und be-
drängtes nur, aber doch ein Heim — bis
ſie dann den Hof erhielten und ſein An-
ſehen wuchs. Wie er dann den Brenner-
Joſef wieder traf, der ſeine Ruhe bedrohte
und ihn wieder unſtet gemacht hätte —
und was dann geſchah, unbeabſichtigt,
aber doch erwünſcht, weil es ihn wieder
frei machte — und welch furchtbare Stunde
er noch durchgemacht, als er zum Amt-
mann gerufen war

Er hielt einen Augenblick inne, dann,
wie in Gedanken zu dem Zuſammentreffen
mit Brenner zurückkehrend, fuhr er fort:
„Abgeſchüttelt hab' ich ihn, wie man ein
giftiges Gewürm abſchüttelt, und ich hab'
vermeint, ich bekomm' die Befreiung da-
durch — aber nun hält's mich erſt recht
wie mit Ketten. Sagen mußt' ich's dir,
Agerl, und wenn du mich gleich verur-
teilſt —“

Er ſchwieg; ſeine Worte erſtarben in
einem leiſen Stöhnen. Da zog die Agerl
ihre Hand von der ſeinen, die ſie noch
immer umklammert gehalten. Sie ſtrich
ihm leiſe über Geſicht und Stirn — und
die Narbe, die eben noch glühend geſchmerzt
hatte, wurde ganz kühl unter dieſer linden
Berührung. ;

Und ſo ſanft, daß es nur eben an ſein
Ohr und doch ſo machtvoll in ſeine Seele
drang, ſagte ſie: „Mir durfteſt du es ſagen,
und keinem ſonſt. Und wenn es jemals
wieder dich als Sorge bedrückt — komm'
zu mir. Ich bin ja dein Weib, und ich
werd dir tragen helfen.“















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