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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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ien der Landſtraße von Müncheberg
e na Buckow, die durch den ſchön-
e ſten Teil der märkiſchen Schweiz
führt, ſteht nahe vor Dahmsdorf,
auf einem mäßigen, von Bäumen
gekrönten Hügel, ein Denkmal, das Prinz
Friedrich Karl nach den großen Kriegen ſei-
nem treuen brandenburgiſchen Armeekorps
hat ſetzen laſſen. Es trägt die Inſchrift:
Ohne Lebus kein Düppel, ohne Düppel
kein Königgrätz, ohne Königgrätz kein Vion-
ville.“ Dem Laien mag die Bedeutung die-
ſer Worte rätſelhaft erſcheinen; dem Sol-
daten iſt ſie es nicht. Bei Lebus, zwiſchen
Frankfurt a. O. und Küſtrin, führte Prinz
Friedrich Karl 1863 in glänzendem Manöver
gegen die Garde ſein Armeekorps zum erſten
Male ſeit der großen Heeresreform von 1860
dem Könige vor. Die Friedensausbildung
fand mit einem Manövertriumph ihren Ab-
ſchluß. Sie mußte vorangehen, wenn Er-
folge auf der Walſtatt errungen werden ſoll-
ten. Aber auch dort war noch eine Stufen-
folge zu durchlaufen.

Die höchſte Leiſtung, die in neueren Zei-
ten von preußiſchen Truppen erreicht worden
iſt, war ohne Zweifel die Schlacht von Vion-
ville am 16. Auguſt 1870 gegen Bazaines
Übermacht vor Metz. Sie gelang nur, weil
das brandenburgiſche Korps, das dort den
Strauß hauptſächlich auszufechten hatte, ſchon
die Probe von Königgrätz am 3. Juli 1866
glücklich hinter ſich und vor dieſer auch die
erſte Prüfung von Düppel erfolgreich be-
ſtanden hatte.

Die alte preußiſche Armee des 19. Jahr-
hunderts war aus den Freiheitskriegen her-
vorgegangen — ein Produkt zahlreicher ein-
ſchränkender Bedingungen im Staatsleben
und vornehmlich einer bis zur Knauſerei
getriebenen Sparſamkeit, zu der der völlig
verarmte Staat ſich gezwungen geſehen hatte.
In der Feldarmee miſchten ſich Linie und
Landwehr; junge Soldaten und Familien-
väter gingen gemeinſam ſofort gegen den
Feind, wenn der Krieg ausbrach. Zahlreiche
Landwehrleute beſaßen keine militäriſche
Ausbildung mehr, ſondern ſollten völlig un-
geübt das Schlachtfeld betreten. Eine Mo-
bilmachung, die im Jahre 1830 notwendig
wurde, enthüllte mit erſchreckender Gewißheit
die Mängel dieſes Syſtems. Die Kämpfe
von 1848/49 machten ſie von neuem ſichtbar.
Als 1850 der Krieg gegen Sſterreich drohte,
vermochte der Kriegsminiſter von den über-
all zerſtreuten Linientruppen nur wenige
tauſend Mann zuſammenzuziehen, und wir
mußten uns entſchließen, nach Olmü
gehen, ſtatt die Waffenentſcheidung anzu-




rufen. Zurückblickend in jene Zeit darf
man ſich heute nur vergegenwärtigen, was
geſchehen wäre, wenn Preußen mit der alten
Armee in die kommenden gewaltigen Kriege
hätte eintreten müſſen, und man kann die
bangſte Sorge vor dem Schickſal des Vater-
landes nicht unterdrücken.

Die Wehrverfaſſung war zudem eine höchſt
ungerechte geworden. Die Bevölkerung hatte
ſich ſeit 1815 faſt verdoppelt, nicht aber die
Zahl der jährlich ins Heer geſtellten Re-
kruten. Während ſchon bejahrte Männer
ins Feld ziehen mußten, blieben junge und
kräftige Leute, die ſich frei geloſt hatten, da-
heim. Nicht genug können Preußen und
Deutſchland König Wilhelm I. heute noch
danken, daß er mit unerſchütterlicher Geduld
und Zähigkeit an der Heeresreform feſthielt.

Aber ſie fand bekanntlich allgemeinen
Widerſtand und konnte nur mit äußerſter
Knappheit in der Verwaltung durchgeführt
werden. Zweifel über das Gelingen regten
ſich ſogar im Heere. Um dieſelbe Zeit er-
füllte der Waffenruhm Frankreichs von 1859
die Welt. Die Unwiderſtehlichkeit der fran-
zöſiſchen Bajonettangriffe wurde geprieſen;
ein Mythenkranz bildete ſich um die kriege-
riſche Furchtbarkeit von Turkos und Zuaven.
Im preußiſchen Dienſt dagegen herrſchte dem


Straffheit, Pedanterie und Steifigkeit. Der
flüchtige Beobachter fabelte von der Pots-
damer Wachtparade, von der Schwerfällig-
keit unſerer ſtarren Linien, die leicht durch die
beweglichen franzöſiſchen Schützenſchwärme
überwältigt werden würden, wie einſt bei
Jena. Was in ſtiller Arbeit in den Ka-
ſernen und auf den übungsplätzen vorging,
entzog ſich der öffentlichen Kenntnis.

Mit der äußeren Umgeſtaltung des Hee-
res hatte in ihm auch eine tiefgehende gei-
ſtige Bewegung eingeſetzt. Seit 1857 ſtand
General von Moltke an der Spitze des Ge-
neralſtabes; ſeit 1860 Prinz Friedrich Karl
an der des III. Armeekorps.

Moltkes erſtes größeres Erlebnis in der
neuen Stellung war eine Enttäuſchung. Er
bedauerte, daß es 1859 nicht zum Kriege
gegen Frankreich kam. „Ein großer Moment
für Preußen iſt verſäumt. Wir konnten noch
vor vier Wochen an die Spitze von Deutſch-
land treten,“ ſchrieb er nach dem Eintreffen
der Friedensnachricht von Villafranca. Aber
das minderte weder ſeine Zuverſicht, noch
ſeine Freude an der begonnenen Arbeit. Ein
friſcher Zug begann durch den Generalſtab
und die Führung des Heeres zu wehen.

Prinz Friedrich Karl vermochte in der
neuen Stellung die Gedanken über Soldaten-
 
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