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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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IJ theaterintendant Klemens von
Plank ſtand vor dem großen An-
kleideſpiegel des Toilettenkabi-
nettes und betrachtete ſein vom elektriſchen
Licht angenehm beſtrahltes Bild. Ohne
Geckenhaftigkeit tat er's, nur mit der wach-
ſamen Aufmerkſamkeit eines Mannes, der
bald im Audienzſaal des Allerhöchſten
Herrn, bald im Maſchinenraum bei den Ar-
beitern ſteht und der ſich nie eine Blöße
geben, auch im kleinſten nicht lächerlich er-
ſcheinen darf. Vielleicht auch war in der
wachſamen Aufmerkſamkeit ein allerletzter
Reſt von Komödianteneitelkeit. Gleich nach
dem Abſchied von ſeinem bayriſchen In-
fanterie⸗Regiment hatte Klemens von Plank
etliche Jahre auf den Brettern geſtanden,
bis er, die enge Begrenzung ſeines Ta-
lents erkennend, zum Regietiſch drängte.
Auf mühevollen Wegen hatte er ihn end-
lich erreicht, und von da holten ſie ihn vor
Jahren an das ſüddeutſche Hoftheater,
das trauernd auf eine große, künſtleriſche
Vergangenheit zurückblickte und deſſen ver-
wirtſchafteten Ruhm der neue Intendant,
der als ungewöhnlich tüchtiger und unter-
nehmungsluſtiger Theatermann galt, aufs
neue leuchten laſſen ſollte.
Aufmerkſam betrachtete er ſein Bild.
Die mäßig große, auffallend ſchlanke Ge-
ſtalt hielt ſich ſtraff und vornehm in dem


Das orangefarbene Band, an dem der
Crachat irgendeines Fürſtentümchens unter
der weißen Krawatte blitzte, paßte gut zu
der blonden Erſcheinung des Intendanten,
der aber trotzdem für dies leuchtende Sym-
bol von Fürſtengunſt keine Vorliebe hatte.
Wenn er es heute anlegte, ſo tat er's nur,


dantentages war und weil es unter den
aus allen deutſchen Städten hergereiſten
Kollegen manchen gab, der den Wert eines
Mannes nach Zahl und Größe ſeiner Or-
den abſchätzte. Der Schnurrbart Seiner
Exzellenz war in gewiſſem Sinn eine


zehnten jeder wechſelnden Bartmode ge-
trotzt, war noch eben ſo voll und rötlich-
blond wie in der Leutnantszeit, ſchwebte
immer noch in zwei unwahrſcheinlich lange
und feine Spitzen zuſammengedreht aus
dem ſcharf geſchnittenen Geſichte hinaus.
Er kontraſtierte ſehr pikant zu dem reichen,
bürſtenmäßig verſchnittenen Haar, das
Seine Exzellenz ganz unbekümmert, ohne
Färbemittel, in der augenblicklichen Natur-
farbe, grau, trug. Er fühlte ſich mit ſei-
nen dreiundfünfzig Jahren noch ſo jung,
ſo tatenluſtig in jedem Sinn, daß er nicht
ungern ein wenig kokettierte mit dieſem
grauen Haupt.

Noch einmal betrachtete er aufmerkſam
ſein Bild, ſuchte dann mit dem Blick den
Claque und die Handſchuhe, fand ſie nicht
gleich, denn um ihn her herrſchte die Un-
ordnung, die jeder Mann, der ſich ohne
Hilfe ankleidet, um ſich verbreitet. Weſten,
Krawatten, ſeidene Socken und Taſchen-
tücher trieben ſich auf Stühlen umher, Haus-
jacke und Hausſchuhe lagen etwas betrüb-
lich neben dem Toilettenſpiegel, vom
Waſchtiſch tropfte verſchüttetes Waſſer
gluckſend auf den Linoleumbelag. Das
alles ſtörte Seine Exzellenz nicht im ge-
ringſten; ein Kammerdiener hätte ihn viel
mehr geſtört. Seit dem Militärburſchen
hatte er keine perſönliche Bedienung mehr
zur Verfügung gehabt, hatte ſie aufgeben
müſſen, ohne ſie je zu entbehren. Ein Kam-
merdiener, ein richtiger, geſchniegelter
Kammerdiener war in ſeinen Augen etwas
Läſtiges und Lächerliches, etwas, das man
nur im Konverſationsſtück auf der Bühne
ertragen konnte. Er, Klemens von Plank,


heiten, liebte auch im kleinſten viel zu ſehr
perſönliche Unabhängigkeit, als daß er einen
Menſchen hätte um ſich haben können,
der mit Anſprüchen auftrat, in devotem
Flüſterton ſprach und ſchließlich doch ihn,
den Herrn, durch Gewohnheiten band und
beherrſchte. Außerdem war ein Kammer-
 
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