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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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In Klagenfurt bin ich zur Welt ge-
E kommen, als Tochter eines öſter-
reichiſchen Majors, der ſelbſt einer
alten Offiziersfamilie entſtammte.
Nur in der Familie meiner Mutter,
die aus Augsburg war, hatte es ſchon ein-
mal einen Bühnenkünſtler gegeben, nämlich
ihren Vater, Fidelis Butſch, der in der erſten
Hälfte des 19. Jahrhunderts ein berühmter
Baritoniſt war. Er war an der kaiſerlichen
Oper in Petersburg engagiert, gaſtierte
häufig in Deutſchland und ſtand mit vielen
bedeutenden Perſönlichkeiten ſeiner Zeit in
Verbindung, auch mit Goethe und Uhland.

Schon als junges Mädchen habe ich ſehr
gern geſungen, aber es waren bloß Kärntner-
lieder. Den erſten ;

Geſangunter-
richt erteilte mir
der Klagenfur-
ter Chordirektor
Karl Weidt, ein
Stiefbruder mei-
ner Kollegin Lu-
cie Weidt. Aber
noch immer be-
trieb ich das Sin-
gen ohne ernſte
künſtleriſche Ab-
ſicht, nur zum
Vergnügen und
weil es ſich für
eine Tochter aus
beſſerer Familie
gehört, ſingen zu
lernen. Klavier-
ſpielen lernte ich
ſchon ſeit mei-
nem ſiebenten
Jahr, ich habe
mich beim Sin-
gen immer gern
ſelbſt begleitet,
und namentlich
meinem Vater,
der ſich wegen
ſeines leidenden
Zuſtandes früh-
zeitig penſionie-
ren laſſen mußte,
bereitete es viel
Freude, mir zu-
zuhören.

In Klagenfurt
habe ich auch
meinen erſten

theatraliſchen
Verſuch gewagt,

Phot.
V. Angerer,
Wien

.00000000000000000000000

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und zwar in einer Liebhabervorſtellung. Als
Einlage ſang ich ein Kärntnerlied, und ſoweit
ich mich erinnere, um eine Oktave zu hoch. In
Görz, wohin wir dann überſiedelten, habe ich
in dem bekannten Luſtſpiel „Rezept gegen
Schwiegermütter“ eine alte Schwiegermutter
gegeben. Auch muſiziert und geſungen habe
ich damals ſehr viel. Ich war ſiebzehn Jahre
alt, war mit einem Leutnant verlobt und
da ich „es nicht in alle Rinden“ einſchneiden
konnte, hämmerte ich es wenigſtens auf
meinem armen Klavier und ließ es meine
Stimme den Lüften klagen. Wir bewohnten
damals ein von Lorbeer und Zvpreſſen be-
ſchattetes Haus in der Via Bertolini, und
gerade uns gegenüber wohnte der Luſtſpiel-
dichter Julius
Roſen, der ſchon
arg kränkelte.
Bei ſchönem
Wetter ſaß der
Poet, für den
ich ein wenig
ſchwärmte, im-
mer im Gar-
ten draußen, in
ſeinem Lehn-
ſtuhl, und wenn
ich ihn ſo kränk-
lich ſitzen ſah,
öffnete ich die
Fenſter und ſang
für ihn. Eines
Tages ließ Ro-
ſen mich hin-
überrufen und
fragte mich, ob
ich denn nicht
meine Stimme
prüfen laſſen und
zur Bühne gehen
wollte. An ſolch
ein Wagnis
hatte ich ſelbſt-
verſtändlich nie
gedacht, denn
meine Zukunft
als Offizierfrau
war doch genau
vorgezeichnet.
Es mußte erſt
ein anderer kom-
men — der Dich-
ter Roſen eben —
und mich auf
dieſe Idee brin-
gen, Sängerin
werden, zum

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