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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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Bayer — zu dieſem polniſch
klingenden Namen Herz-

2 Ae) mannski kam? Ich vermag nur
eine Hypotheſe anzuführen. Seinen richtigen,
bürgerlichen Namen hab' ich nie erfahren.
Ich weiß nur, daß ihn alle Mitglieder der
Familie Sterzenbacher, wie überhaupt alle
Menſchen, die ſeine eminenten Eigenſchaf-
ten kannten, in zärtlichen Augenblicken mit
dem Koſenamen „Manndi“ riefen — ver-
mutlich, weil er männlichen Geſchlechtes
war. Und wollte man ihm von aller Zärt-
lichkeit die zärtlichſte erweiſen, ſo nannte
man ihn „Herz manndi“. Und da wäre
nun die Hypotheſe aufzuſtellen, daß aus
dieſem zärtlichen Superlativ der polniſch
klingende Name „Herzmannski“ dadurch
entſtand, daß der Förſter Sterzenbacher,
der zwar ein weiches Gemüt, aber einen
harten Kropf hatte, den Ausklang mancher
Worte mit wunderlichen Ziſchlauten der
Atemnot zu begleiten pflegte. Jeder Satz,
den der Förſter Sterzenbacher in lebhaftem
Eifer von ſich gab, endete mit einem eigen-
tümlichen Gezwitſcher, das ſo unnachahm-


Wiedergabe verzichten muß. Und daß
Herzmannski unter Nachlaß der Taxen den
hiſtoriſchen Beinamen „der Getreue“ be-
kam — das verdiente er redlich, und zwar
nicht nur durch die wandelloſe, jeder Legen-
denbildung entgegenkommende Treue eines
16 jährigen Lebens, ſondern mehr noch
durch die pſychiſchen Motive jenes drama-
tiſchen Vorganges, der ſich mit Herzmanns-
kis ſinkenden Lebenstagen kataſtrophal ver-
knüpfte. Denn Herzmannski bewährte ſeine
Vaſallentreue nahezu bis in den Tod, obwohl
er kein japaniſcher Feldherr war, ſondern
nur ein oberbayeriſcher Dackel, geboren im
Berchtesgadenerland, am Fuße des Unters-
berges, im Forſthaus zu Biſchofswieſen.
Als ſelbſtverſtändlich iſt anzunehmen,
daß Herzmannski auf der reifen Höhe
ſeines Lebens ein Dackel von ſo ſtupender
Klugheit war, daß, neben ihn gehalten,
auch die berühmteſten Dackel der Fliegenden


Blätter als Idioten erſcheinen müſſen. Herz-
mannski war ein Dackel, dem jeder Weid-
mann ein ewiges Leben in Kraft und Klug-
heit hätte wünſchen mögen. Doch leider
iſt es nun einmal ſo auf dieſer unvoll-
kommenen Erde: auch der ſchneidigſte und
klügſte Dackel wird alt und ſchäbig.

Herzmannski war es bereits.

Als er das zwölfte Lebensjahr mit ſchon
etwas ſtumpf gewordenen Zähnen über-
ſchritten hatte, biß ihm ein alter, wütender
Dachs das Unterkiefer ſo gründlich ent-
zwei, daß es nur noch winkelförmig an-
heilte — wodurch für Herzmannski nicht
nur das notwendige Bellen, ſondern auch
die noch viel notwendigere Ernährung
weſentlich erſchwert wurde. Und ſo genoß
Herzmannski der Getreue im Forſthaus zu
Biſchofswieſen ſeit drei Jahren ein Gna-
denbrot, das er nicht mehr beißen konnte.
Deshalb verlegte ſich dieſer geſcheiteſte aller
Dackel auf das Austrinken von rohen Eiern.
Bekanntlich ſind rohe Eier ſehr nahrhaft,
wegen ihres Stickſtoffgehaltes. Aber es
war das eine Ernährungsmethode, durch
die ſich Herzmannski bei allen Bäuerinnen
von Biſchofswieſen ungemein mißliebig
machte. Dieſe verſtändnisloſen Weibs-
bilder bezeichneten als unverzeihliches Ver-
brechen, was Förſter Sterzenbacher an
ſeinem Dackel als höchſten Gipfel aller
Klugheit rühmte. „Jaa, Herzmannskerl,
ganz recht haſt, biſt a gſcheits Hunderl!“
Die Bäuerinnen aber ſagten: „So a Rau-
bersbeſtie, ſo an unverſchämte!“ So ſind
die Anſichten der Menſchen über die gleichen
Dinge zuweilen ſehr verſchieden. '

Bei der geſpannten Aufmerkſamkeit, mit
der die Bäuerinnen von Biſchofswieſen
ihre Hennenſteigenzuüberwachen begannen,
geſtaltete ſich für Herzmannski die ſtickſtoff-
haltige Ernährung immer ſchwieriger. Er
kam von Kräften, und ſeine Muskulatur
und ſein Haarwuchs gerieten in eine er-
bärmliche Verfaſſung. Doch die wertvollſte
Qualität ſeiner tieriſchen Pſyche, ſeine wan-
delloſe Vaſallentreue, hielt ungebrochen
ſtand. Ke in Tag verging, an dem Herz-
 
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